Hatte Verfassungsschutz Reporter im Visier?

Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU). © dpa Fotograf: Julian Stratenschulte
Erstveröffentlicht: 
18.09.2013

Kurz vor dem Wahltag, an dem unter anderem Uwe Schünemann (CDU) als Kandidat für den Landratsposten im Landkreis Hameln-Pyrmont antritt, werden indirekt Vorwürfe gegen Schünemann laut. Während seiner Amtszeit als niedersächsischer Innenminister soll der ihm unterstellte niedersächsische Verfassungsschutz unzulässigerweise personenbezogene Daten über Journalisten gespeichert haben. Das teilten Innenminister Boris Pistorius (SPD) und die Präsidentin des niedersächsischen Verfassungsschutzes, Maren Brandenburger, am Mittag bei einer Pressekonferenz mit. Ein solches Vorgehen sei nur dann erlaubt, wenn es Hinweise auf einen extremistischen Hintergrund gebe. "Es handelt sich um einen ernsten Vorgang", sagte Pistorius. "Die Pressefreiheit ist ein hohes Gut, das vom Grundgesetz geschützt ist."

 

Schünemann: Nichts Derartiges angeordnet

Auf Anfrage des NDR erklärte der ehemalige Innenminister Schünemann, mit den Vorgängen nichts zu tun zu haben. Er habe nichts Derartiges angeordnet. Laut Brandenburger sind bislang sieben Fälle bekannt. Die Überprüfung aller Datensätze, die im April begonnen habe, laufe aber noch. Sie gehe davon aus, dass sie noch auf weitere unrechtmäßig gespeicherte Daten stoßen werde. Ursprünglich habe sie dem Innenminister erst das Endergebnis der Überprüfungen vorlegen wollen - ein kürzlich aufgedeckter Fall habe sie aber dazu bewegt, Pistorius "unverzüglich" zu informieren: Im Fall einer Journalistin sind im Verfassungsschutz demnach alle gesammelten Daten gelöscht worden - möglicherweise, um die Speicherung zu vertuschen. Brandenburger ist über dieses Vorgehen nach eigenen Angaben von Mitarbeitern informiert worden.


Journalistin offenbar falsch informiert

 

Im genannten Fall geht es um die freie Journalistin Andrea Röpke. Diese hatte am 9. Februar 2012 eine Anfrage ans Landesamt für Verfassungsschutz gerichtet, um zu erfahren, welche Daten dort über sie gespeichert sind. Am 18. April antwortete das Innenministerium, dass über Röpke "weder eine Akte geführt wird noch Angaben in Dateien gespeichert sind". Ihrem Rechtsanwalt zufolge erhielt Röpke heute die telefonische Information von Brandenburger, dass die Behörde doch Daten über sie gesammelt habe, und zwar von 2006 bis 2012. "Zum Zeitpunkt der Anfrage wurde meine Mandantin noch überwacht", so Röpkes Anwalt Sven Adam. "Offensichtlich sollte mit der Lüge vom 18. April 2012 die sechsjährige rechtswidrige Überwachung vertuscht werden."

 

Anwalt prüft Klage

 

Er prüfe nun eine verwaltungsgerichtliche Klage gegen die falsche Auskunft, teilte Adam mit. Zusätzlich müsse eine "vollständige Rekonstruktion der gesammelten Daten" erfolgen, um das Ausmaß erfassen und die Datenerhebung auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüfen zu können. "Wir erwarten die Offenlegung der Daten in einem für uns transparenten Verfahren", so der Anwalt. Schon 2011 habe es einen ähnlichen Fall gegeben, als dem Göttinger Journalist Kai Budler fälschlicherweise mitgeteilt worden, dass keine Daten über ihn gespeichert würden.

 

Opposition kritisiert Veröffentlichungstermin

 

Verantwortlich für diesen "skandalösen Angriff auf die Pressefreiheit" sei Ex-Innenminister Schünemann, sagte die SPD-Fraktionsvorsitzende Johanne Modder am Mittwoch. Die Opposition im Niedersächsischen Landtag, die Pistorius heute im Ausschuss für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes informiert hat, ist zwar einer Meinung mit dem Innenminister: Das rechtswidrige Speichern von Daten sei inakzeptabel und müsse aufgeklärt werden. Sie kritisiert jedoch den Zeitpunkt, zu dem die Vorgänge bekannt werden. "Die Frage ist, warum die Öffentlichkeit erst jetzt informiert wurde. Schließlich hat Frau Brandenburger bereits seit März von den sechs Fällen gewusst", sagte Stefan Birkner (FDP). Angelika Jahns (CDU) nannte es durchsichtig, dass die Daten so kurz vor der Landratswahl, bei der Schünemann antritt, veröffentlicht werden.

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