Ein neues AZ in Köln?

Wir bleiben alle!

Die GATHER&RESIST-Tage im Autonomen Zentrum Köln haben nicht wie geplant in einer Situation einer gemeinsamen Verteidigung des AZ’s gemündet, da zu diesem Zeitpunkt Verhandlungen mit der Stadt bzw. der SPD angestrebt wurden. Nach einer Woche voller Veranstaltungen, Aktionen und einer erfolgreichen Vernetzung mit unzähligen Gruppen und Menschen von überall her, liefen im AZ die Drähte heiß, da nahezu jeden Tag neue Infos um die aktuelle Bedrohungslage an der Verhandlungsfront abgefangen wurden.

 

Vorweg: Die Verhandlungen wurden unter der Bedingung eingegangen, dass es ein sogenanntes Räumungsmoratorium seitens der Stadt gibt, was bedeutet, dass während der Verhandlungen nicht geräumt wird. Außerdem wurden die Verhandlungen als ein strategisches Moment neben vielen angesehen und sollten niemals für sich allein stehen. Ein weiterer integraler Bestandteil der Verhandlungen sollte eine grundlegende Diskussion und eine Offenlegung der vorhandenen Argumente (die es seitens der Stadt nicht gab) sein.

 

Wer waren Akteur*innen?

 

Zum einen ist da die Sparkasse KölnBonn (nicht mehr die Eigentümerin des Gebäudes, sondern Handlangerin der Stadtverwaltung), die mit vollstem Engagement in ihrer Rechtsabteilung versuchte einen Räumungstitel gegen das Autonome Zentrum zu erwirken. Dieser Titel sollte bis zum 19. August vorliegen. Mit der Info, dass der Gerichtsvollzieher bereits Amtshilfe erbeten hat, wurde der Druck auf die Verhandlungen in den Tagen um den 19. August nochmals erhöht. Zum anderen gibt es SPD-Politiker*innen, die mit ihrer Position eine Schlüsselrolle innerhalb des städtischen Vorhabens, das AZ durch einen Grünstreifen zu ersetzen, einnahmen. Vorgestellt wurden die drei wesentlichen Akteur*innen vor bereits nicht allzu langer Zeit hier: linksunten.indymedia.org/node/90071

 

Die seitens SPD-Fraktionschef Jochen Ott und seiner Stellvertreterin Susana dos Santos Herrmann geäußerten "Gewalt"vorwürfe gegenüber dem AZ aufgrund von Klebeaktionen und Farbspritzern an privaten Haustüren und Parteizentralen lösten in der Kölner Medienlandschaft ein breites Echo aus. Neben der Bild-Schlagzeile “Angst vor den Autonomen: OB Roters fordert Polizeischutz” gibt es auch ernst zu nehmende Berichterstattungen, die die Situation aus einem weitsichtigeren Blickwinkel bewerten, wie z.B. hier: stadtrevue.de/stadtrevue-blog/2013/07/04/kriminalisierung-in-kalk/

 

Welche Gewalt?

 

Gewalt wird hier nur als Mittel des Rechts betrachtet, verbleibt damit abstrakt und versperrt den Blick auf reale Gewaltverhältnisse. Die Deutungshoheit darüber, was nun Gewalt sei, liegt bei den Institutionen, für die beispielsweise Jochen Ott spricht. Sie hat ihren Anfang und ihr Ende dort, wo sie die Zementierung des Bestehenden legitimiert. Gewalt und Erpressung seien kein legitimes Mittel der politischen Auseinandersetzung, schwadronierte Ott im Interview mit dem Kölner Stadtanzeiger. Von der sich etablierten Verfügungs- und Deutungshoheit über Gewalt, die ihm, seiner Partei und der Verwaltung so viel Macht verleiht, schwieg er. Diese nämlich stellt die reale Bedrohung dar – genauso wie die permanente Polizeipräsenz, wiederholte unbegründete Personalienkontrollen, physische Gewalt und Festnahmen, die hier als politisches Mittel legitimiert werden.

 

Während die SPD eine “Gewaltverzichtserklärung” vom AZ fordert, zeigte sich die Stadtverwaltung sehr bemüht, darzulegen, dass eine Räumung des AZ’s noch im August stattfinden müsse. In einer Pressekonferenz nach der Ratsversammlung am 22.7. wurde ein entsprechender Zeitplan präsentiert. Es heißt, das Gebäude in der Wiersbergstraße 44 muss Ende August/Anfang September abgerissen werden – da führe kein Weg mehr dran vorbei.

 

Am 29.07. wird folgender Indymedia-Artikel veröffentlicht, in dem einige relevante Fragen beantwortet und gestellt werden: linksunten.indymedia.org/node/90071

 

Mensch sollte meinen, es sei jetzt mal genug mit diesen ganzen internen Diskussionen um eine Zusage eines „Gewaltverzichts“ an die Stadt. Der Druck auf die Verhandlungen schien jedoch so hoch zu sein, dass sie die meisten AZ-Vertreter*innen dazu hinreißen ließen, eine solche Erklärung zu formulieren. Von einer nicht unerheblichen Zahl an Nutzer*innen wurde Kritik an diesem Vorgehen geäußert und inhaltlich damit begründet, dass der Gewaltbegriff, der hier erfordert wird, nicht den realen Gewaltverhältnissen gleichkomme, sondern hier die Definierung von Gewalt instrumentalisiert wurde, indem Aktionen des Widerstands von Stadtverwaltung und Medien mit Gewalttaten gleichgesetzt wurden. Die polizeiliche Gewalt erscheint als Mittel zur Durchsetzung der Freiheit und Gleichheit derart alternativlos, dass sie nicht als Gewaltapparat thematisiert und infrage gestellt wird.

 

Dass es nie Absicht des AZ’s war, Personen Schaden zuzufügen, war ein Anliegen, was in die Öffentlichkeit hinein vermittelt werden sollte. Jedoch wurde das Verhältnis zur eigenen Angst im öffentlichen Diskurs instrumentalisiert und zur allgemeinen Panikmache benutzt. Ein anderes Verhältnis zu Angst fand im öffentlichen Raum keine Beachtung. Ein solches nämlich, dass die Bedrohung durch eine mit Wasserwerfern, Räumpanzern und Schlagstöcken durchgesetzte Räumung ernst nimmt – und den darauf folgenden Freiheitsentzug und die anschliessende Zerstörung eines durch viele Menschen in kollektiven Prozessen gestalteten Raumes als sehr real begreift.

 

Wie ging es dann weiter?

 

Nach all den sich überschlagenden Ereignissen innerhalb eines Monats (nächtlich knüppelnde Bullen auf Kalk Post nicht zu vergessen…) wollte die Stadt zuletzt die AZ-Nutzer*innen dazu bringen, das Gebäude freiwillig zu verlassen und sich auf ein vorgeschlagenes Ersatzobjekt einzulassen. Trotz massivem rechtsrheinischen Leerstand wurde nur eine Option als verhandelbar gesetzt; ein sehr viel kleineres Objekt am Eifelwall 7 welches in zwei Jahren dem neuen Stadtarchiv weichen wird. Innerhalb des nächsten Jahres kann ein benachbartes Gebäude an der Luxemburgerstraße für geschätzt mehrere zehntausende Euro von den Nutzer*innen renoviert werden. Derzeit ist dieses Ausweichsobjekt baufällig und nicht nutzbar. Problematisch auch hier wieder der wohl nur befristete Stadtfrieden in puncto Autonomes Zentrum. Denn ab 2018 soll auch die Luxemburgerstraße abgerissen und das Areal zum Grünstreifen (WTF?) umgenutzt werden.

 

Was ein unglücklicher Zufall! Entweder die Stadt betreibt Kommunikationsguerilla mit ihren eigenen Bebauungsplänen oder alle wachen auf und dieses Verhandlungs-Chaos, in das wir uns haben drängen lassen, war doch alles nur ein schlechter Film… Absurderweise geht es noch weiter; wie sich in aller Deutlichkeit erst nach Vertragsabschluss herrausstellte, wird der Eifelwall 7 vom SKM als Notschlafstelle für bis zu 100 Obdachlose im Winter genutzt. Ob und wenn ja wie sich das Projekt AZ und die bisherige Nutzung als Notunterkunft ausschließen werden, wird sich erst noch zeigen. Wir hoffen, dass an dieser Stelle eine Lösung gefunden werden kann, die diese beiden Projekte nicht als konkurrierend gegeneinander ausspielt.

 

Und jetzt?

 

Mensch stelle es sich folgendermaßen vor. Der Tag in Kalk bricht an. Auf den Straßen riecht es nach frischen Brötchen und altem Urin. Die Briefträgerin radelt mit den neusten Mieter*innenkündigungsschreiben im Gepäck durch Kalk Nord. Der Motorradbulle, der im Viertel allseits verhasst ist, verjagt die Jugendlichen aus dem Stadtpark. Die Schulglocke der Kaiserin-Theophanu-Schule läutet zur dritten Stunde. Die Schüler*innen können problemlos ihren Schulalltag bestreiten. Ein größerer Polizeieinsatz bleibt aus. Die „Alternative für Deutschland“ hängt nach nächtlichen Abreißaktionen neue Plakate in der Dillenburgerstraße auf. Ein Umzugswagen biegt um die Ecke. Die sauber gepackten und ordentlich beschrifteten 600 Umzugskartons sponsored by Sparkasse Köln-Bonn stehen barrikadengleich vor dem AZ bereit. Ein neues AZ in Köln heißt auch ein erkämpfter Raum weniger in Kalk – ein Stadtteil in Köln, in dem sich soziale Kämpfe immer unmittelbar vor der Haustüre abgespielt haben. Wir sind wütend und traurig. Das AZ geht „freiwillig“ – wir bleiben, alle, autonom?

 

Die soziale Revolution ist da, wo soziale Kämpfe sind.

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Das AZ in Kalk war sicher nicht in irgendwelche sozialen Kämpfe des Stadtteils eingebunden.

Lieber wurde das eigene Süppchen gekocht und dabei immer schön knietief im Szenesumpf versacken. Das ganze gepaart mit pesudoradikalem Habitus und ekelhafter Selbstgerechtigkeit... fertig ist der/die/das autonome Studentenkind. Naja, ab September geht die Uni wieder los - da ist erstmal Pause mit den sozialen Kämpfen vor der Haustür...

Meine Vorrednerin stimme ich zu. Das AZ war und ist kein Bestandteil sozialer Auseinandersetzung im (!) Stadtteil gewesen. In den ersten Wochen der Besetzung war in einem großen Teil der Kalker Bevölkerung eine wohlwollende Unterstützung zu spüren, die sich auch in einer Unterschriftensammlung gegen die Räumung und den Abriß des Gebäudes ausdrückte. Durch arrogantes und überhebliches Verhalten, gespickt mit Widerlichkeiten (so wurde ein Nachbar der als Unterstützer agierte, weil er sich zu Ruhestörung äußerte, als Nazi beschimpft), haben die AZis jede Chance auf gemeinsame Formierung verzockt. Das AZ ist jetzt da wo es hingehört: In ein Stadtviertel der gehobenen Mittelschicht in unmittelbarer Nähe der Uni.

"Das AZ ist jetzt da wo es hingehört: In ein Stadtviertel der gehobenen Mittelschicht in unmittelbarer Nähe der Uni."

 

GENAU das hab ich mir auch gedacht als ich von der sache erfahren habe.

.. genauso dieses scheinrevolutionäre gesülze und das pseudoauftsändische getue, was viele kämpfende in kolen hat abstand nehmen lassen zum az --- der von euch in diesem habitus abgelehnte offene brief allerdings hat einige zumindest ne zeitlang ein wenig hoffnung zurückgegeben --- und, menschen die sich in diesen gefährlichen zeiten selbstkritsch äussern, wissen - auch wenn ihr es in den partykellern nicht glaubt, durchaus über die permanente gewalt, die mit der option des "gewaltmonopols" durchgesetzt wird - wobei ihr auch solch schrägen beispiele bringt, wie der - ja völlig überzogene polizeieinsatz nachts an der kalker post -- schräg insofern, daß auch von "eurer" seite genügend trolle gibt, die menschen, die anderer meinung sind als ihr, mal kurz im besoffenen kopf  blutig schlagt ...  weil "solche spiesser" im freiheitlichen dopingsumpf nix zu suchen haben also, was immer sich da entwickelt, wahrscheinlich wird sich das ganze an den eigenen widersprüchen auflösen - schade, ja um die idee, die allerdings auch von einem teil der eigenen Scene pervertiert wird

guter text. besonders der letzte abschnitt gefällt mir. hab mich schon gefragt wann mal jemand was zu dem thema bringt. als ich die nachricht des umzugs auf der az-seite las wusste ich erstmal nicht was ich davon halten sollte.

 

ein umzug in die südstadt? okay kann man mit leben. 

dort wo eine notunterkunft für obdachlose ist? wtf? wussten die az-leute das? wenn ja warum wurde dem zugestimmt? und wenn nein warum wussten sie das nicht? is doch klar, dass es da probleme geben wird.

 

am krassesten ist ja, dass 2014 oder so in die luxemburgerstraße umgezogen werden soll. das is so 100 meter weiter inna südstadt. und das gebäude muss bis dahin von den az-leuten selbst renoviert werden nur damit es dann 2018 abgerissen wird?

 

ich versteh immernoch nich so ganz warum dem ganzen zugestimmt wurde?

das gebäude auf der luxemburgerstr. 93 is direkt neben dem gebäude eifelwall 7. sprich is das gleiche gelände. also bleibt die lage komplett gleich. nur so zur info.

... und baufälliger als die Wiersbergstr. ist die Luxemburger 93 übrigens sicher nicht! 

 

btw. das Gelände war 99 schonmal für eine kurze Zeit als AZ besetzt bevor es dann von der Stadt geräumt wurde.

der vertrag für die notschlafstelle war schon vor az verhandlungen abgelaufen. die wäre so oder so nicht verlängert wurden, ob mit oder ohne einzug des az.

Ich kann meinen vorredner_Innen nur zustimmen, Ich war ab und an mal in Kalk im Az und war sehr über das Verhalten der Aktivist_Innen geschockt, es gab eine überragende arroganz und pseudo-subversive missgunst bzw kritische blicke auf neuankömmlinge (z.B Mich)...

Um der sache noch einen weiteren schock zu versetzen habe ich in den Programmen sich Partys sehen können aber wenig Politik.. es war erschreckend..

kein Kalk ohne hiess es immer wieder und wo ist kalk nun vertreten auf der anderen Rheinseite??!

hauptsache das Kind kriegt seinen Lolli.

Der Artikel ist ja wunderbar sachkich gehalten. Was fehlt ist die Selbstkritik. Der neue Standort dieses "autonomen" Zenrums ist nur ein weiterer Widerspruch in der nach außen aufrecht gehaltenen politischen Fassade.  Es ist zwar nie viel passiert in Sachen Stadtteilpolitik, aber es wurde immer betont wie wichtig diese doch sei. Und nun zieht das AZ ganz in die Nähe der Uni und der Zülpicher Straße und jede Menge Studis bekommen einen weiteren Paryort zur Wahl. Nur ist dieser noch ein bisschen cooler, freier, günstiger... Und dann die Sache mit der Notschlafstelle. Das dass erst nach der Vertragsunterzeichnung bekannt wurde, kann ja wohl nicht die Ausrede sein. Es hätte recherchiert werden müssen. Und das dies nicht geschehen ist, zeigt klar dass sich nicht genug Zeit genommen wurde , keine Infos eingeholt wurden, nicht genug miteinander gesprochen wurde und vor allem nicht zugehört wurde.  Gut die Stadt hat Duck gemacht... Aber ist der richtge Weg wirklich unter allen Umständen ein Az zu haben, egal wer und was alles dafür auf der Strecke bleibt?

Und was lernen wir daraus: Scheiß auf Bandenbilden, Solidarität und Erkämpfen in Köln siegt der Klüngel.

 

Wie verträgt sich die Tatsache, dass ein soziales Projekt zur Unterstützung von Menschen ohne festem Wohnsitz (die "Winterhilfe" des SKM) nun einem Mittelstands-Jugendzentrum weichen muss eigentlich mit der von sog. Linken gerne zusammengestammelten Gentrifizierungskritik? Dass man sich den Umzug direkt von der Sparkasse subventionieren lässt, ist dann Ausdruck des ebenfalls gerne im AZ propagierten "Antikapitalismus", oder lediglich konstitutioneller Bestandteil des "selbstverwalteten Freiraumes"?

BTW: Was ist eigentlich das "Autonme" am AZ? Das AZ wird getragen von einem rechtsfähigen Verein, welcher als Vertragspartner der Stadt Köln von dieser eine Immobilie angemietet hat (wenn auch "mietfrei"), um kulturelle Veranstaltungen, Projekte, u.ä. durchzuführen. Es handelt sich also um ein stinknormales Bürgerzentrum. Was die Beiteiligung an "sozialen Kämpfen" anbelangt – da passiert sogar in Köln in anderen Bürgerzentren mehr, und das ohne einen peinlichen Revolutionsbegriff vor sich her zu schieben. Das AZ beteiligt sich nur an sozialen Kämpfen, die das AZ betreffen – und das mit einer impertinenten Selbstgerechtigkeit, dass ich kotzen möchte, kotzen muss.

Die einzigen "Freiräume" in Selbstverwaltung, die rund um das AZ existieren, finden sich in den Köpfen von Menschen, die Zeilen verfassen wie: "Die Deutungshoheit darüber, was nun Gewalt sei, liegt bei den Institutionen [...]. Sie hat ihren Anfang und ihr Ende dort, wo sie die Zementierung des Bestehenden legitimiert." (s. Artikel). Hierin äußert sich ein Verständnis des Gewaltbegriffs, welches noch hinter jenem eines dreijährigen, trotzigen Kindes, das an der Supermarktkasse von seiner Mutter keine Süßigkeiten bekommt, zurückbleibt.

Eigentlich war schon seit langem der einzige Grund, überhaupt noch ein Fuß in dieses Bürgerzentrum zu setzen, der Besuch von zugegeben schönen Partys. Da sich ja jetzt Berichten zu Folge nur noch 199 Besucher zeitgleich im Gebäude aufhalten dürfen und auf AZ-Partys immer gefühlte 20 hauseigene Ordnungskräfte (die sich sinnerhellend "Spaßbremsen" getauft haben) ihr sellbsterteiltes Gewaltmonopol nebst Deutungshoheit ausleben, bleibt zu wenig Platz für Menschen, die einfach nur tanzen möchten. Der einzige Sinn, den das AZ jetzt hat, liegt in der Sinnstiftung für die Leben derer, die es zu ihrem Lebensinhalt gemacht haben.