[Niederbayern] Stolpern, um nicht darüber hinwegzusehen

Erstveröffentlicht: 
25.04.2013

Gunter Demnig verlegt zehn Stolpersteine zum Gedenken an Opfer des NS-Regimes

Autor: chg

 

Zum zweiten Mal nach 2008 hat Künstler Gunter Demnig in Straubing gestern Stolpersteine verlegt. An der Wittelsbacher- und der Äußeren Passauer Straße erinnern jetzt in den Gehweg eingelassene Granitsteine an zehn Opfer des Nationalsozialismus: jeweils vor deren letztem selbstgewählten Wohnort. Sichtbar ist von jedem Stolperstein nur eine Messingplatte. Die Gravur verrät Name, Lebensdaten und einen Teil des Schicksals, das jene Person erleiden musste.

An der Synagoge, wo Demnig sieben Stolpersteine in den Gehweg der Wittelsbacher Straße setzte, sprach Oberbürgermeister Markus Pannermayr von einem ganz besonderen Termin für die Stadt. Menschen zum Stolpern zu bringen, das passe im ersten Moment gar nicht in die heutige, von Geschwindigkeit geprägte Welt, meinte der OB. "Doch stolpern ist nicht gleich fallen." Die Stolpersteine sollen aus dem Tritt bringen und Möglichkeit geben, etwas wahrzunehmen, was sonst nicht bewusst wird.

 

Diese Ansicht deckt sich mit der Philosophie des Künstlers, nach der ein Mensch erst vergessen ist, wenn sein Name vergessen ist. "Es sind nicht nur Namen, es sind Mitbürger und Nachbarn, die auf tragische Weise Verbrechen zum Opfer gefallen sind", sagte Pannermayr weiter. Es sei bequem, sich beim Gedanken an die NS-Zeit Bilder aus Hunderten Kilometer Entfernung ins Gedächtnis zu rufen, grausame Bilder von Krieg, Konzentrationslagern und dem fernen Berlin. "Aber das war nicht irgendwo, das war überall, auch in unserer Heimat!" Pannermayr forderte alle Straubinger dazu auf, ihren Beitrag zu leisten, dass so etwas nie wieder passiert. Und er freute sich darüber, dass in der Stadt trotz Verfolgung und Diskriminierung noch immer eine jüdische Gemeinde besteht. "Das ist fast ein Wunder", meinte der OB und übergab Rabbiner Shlomo Appel mit einem "herzlichen und aufrichtigen Schalom" das Wort. Im Anschluss an dessen Gebetsgesang begann Demnig mit dem Einsetzen der Stolpersteine, begleitet von Schülern, die aus den Lebensläufen der einzelnen Opfer lasen.

 

Im Juli wird der Kölner Künstler 154 Steine in Holland in den Boden setzen, darunter den 40.000sten. Seinen Anfang nahm die Aktion 1996 in Berlin. "An eine Genehmigung war damals nicht zu denken", sagt Demnig rückblickend, der sich davon nicht aufhalten ließ.

Im Nachhinein wurde die Initiative legalisiert. Vier Jahre später begann er, die Denkanstöße europaweit zu verlegen, 2005 erhielt er dafür den Verdienstorden der Bundesrepublik von Bundespräsident Horst Köhler. Bis heute lässt er die Gedanken der Menschen gerne stolpern. "Es sind immer andere Menschen, andere Schicksale, andere Orte. Langweilig wird mir sicher nicht", erklärt Demnig, der für seine kleinen Kunstwerke eine Patenschaft anbietet: für 120 Euro.

Paten der Stolpersteine

Für den Gedenkstein von Julius Baumblatt hat die Klasse 9a des Johannes-Turmair-Gymnasiums die Patenschaft übernommen, für Jenny Baumblatt Dr. Ekkehard Bock, für Lore Baumblatt Klaus Schröder, für Sabina Baumblatt Dr. Rosa Strohmeier und Gerhard Dendorfer, für Nathan Tzvi Halevi Frank Anna-Maria Pfeilschifter, für Flora Frank Hans und Gertraud Lohmeier, für Sara Frank die Klasse 9c der Mädchenrealschule der Ursulinen, für Julie Loose die Volksbank Straubing und für Matthias Miehling sowie Ludwig Egner die Barmherzigen Brüder.

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