„Germanisches Zimmer", Balladenabende, Reichskriegsflagge: Im oberösterreichischen Windern zerschlägt die Polizei einen Neonazitreff, der auch deutschen Rechten als Anlaufpunkt diente. Die grenzübergreifende Nazi-Connection gerät ins Visier der Ermittler.
„Gott segne dieses Haus und alle die da gehen ein und aus“, steht über dem niedrigen Türsturz. Der freundliche Spruch ist das einzig Einladende an dem 200 Jahre alten Bauernhaus in Windern, einem winzigen Nest in Oberösterreich zwischen Linz und Braunau. Ansonsten macht das Gebäude mit seinen verrotteten Holzschindeln am Giebel einen heruntergekommen Eindruck.
Bis zum vergangenen Herbst hing von Zeit zu Zeit eine deutsche Reichskriegsflagge am Eingang, gleich neben dem Segensspruch. Dann wusste man: Der „Freizeit- und Kulturverein Objekt 21“ – benannt nach Windern 21, der Anschrift des Anwesens – hatte wieder einmal seine rund 30 Mitglieder und etwa 200 Anhänger aus Österreich und Deutschland zu einer Veranstaltung eingeladen.
Zehn Kilo Sprengstoff
Der Verein hatte sich laut Satzung der „Wahrung deutscher Werte“ verschrieben. Das sah dann so aus: Mal gaben deutsche und österreichische Nazi-Musiker Konzerte, mal wurde zu Grillfesten an einem mit SS-Symbolen verzierten Grillplatz im Garten eingeladen oder zu Saufabenden im „Germanischen Zimmer“. „Objekt 21, das war die größte und gefährlichste Neonazi-Bande seit Jahren in Österreich“, sagt Karl Öllinger, Nationalrat der Grünen im Wiener Parlament.
Ende Januar schlug die österreichische Polizei zu. Einsatzkräfte stürmten Dutzende Wohnungen von Mitgliedern und Unterstützern der rechten Kameradschaft. Die Vorwürfe: Körperverletzung, Raub, Nötigung, Entführung, Zuhälterei, Waffen- und Drogenhandel. Die Beamten fanden Maschinenpistolen, Schrotgewehre, Sturmgewehre, Wurfmesser und zehn Kilo Sprengstoff. 24 Personen wurden festgenommen, zehn Rädelsführer sitzen immer noch in Untersuchungshaft. Auch in Deutschland gab es Festnahmen: Markus W. und Andreas P. aus Gotha, einschlägig bekannte Thüringer Neonazis, sollen als mutmaßliche Komplizen an den Straftaten der „Objekt 21“-Bande beteiligt gewesen sein.
Für 600 Euro im Monat hatten die Rechten vor vier Jahren die leerstehende, 300 Quadratmeter große Haushälfte mit Garten in Windern gemietet. Eigentümer Erich Ruzowitzky – Vater des Regisseurs Stefan Ruzowitzky, der 2008 für sein Nazidrama „Die Fälscher“ einen Oscar erhielt – hatte keinen Schimmer, wen er da vor sich hatte. Freundlich und hilfsbereit seien die drei jungen Männer gewesen, die den Mietvertrag unterschrieben hätten, erinnerte sich der 81-Jährige kürzlich im ORF. Sie hätten sofort damit begonnen, das Grundstück aufzuräumen und das Haus zu renovieren. „Dass die auf so einer Welle segeln“, sagte Ruzowitzky, „davon haben wir doch keine Ahnung gehabt.“
Erstarken der rechten Szene
schon kurz nach ihrem Einzug in das Haus Windern 21 begannen die Rechten, das Anwesen in eine Art germanischen Tempel zu verwandeln. Das belegen Fotos, die man sich im Büro von Uwe Sailer am Linzer Römerberg anschauen kann. Der gelernte Polizist, Jahrgang 1956, arbeitet als Datenforensiker. Sein Spezialgebiet ist die Aufklärung rechtsextremer Strukturen. Dazu analysiert, verknüpft und bewertet er elektronisch gespeicherte Daten, die entweder im Zuge von Ermittlungsverfahren gesichert oder von Antifa-Aktivisten auf internen Netzforen der Rechten gehackt werden konnten.
Aus solch einem Internetforum stammen auch die Fotos aus dem Nazitreff in Windern. „Das hier ist das ,Germanische Zimmer‘, wo auch die Partys und Konzerte stattgefunden haben“, erläutert Sailer. Die Aufnahme zeigt einen Raum mit einer mit Runen verzierten Bar. An einer Wand prangt ein Bild mit Wikingerkriegern und nordischen Sagengestalten. Auf eine andere Wand ist eine „Schwarze Sonne“ gemalt worden – das zwölfspeichige Sonnenrad, ein originäres SS-Symbol und wichtiges Erkennungssymbol der rechtsextremen Szene. Auch die Feuerstelle am Grillplatz im Garten ist in der Form einer solchen „Schwarzen Sonne“ gestaltet. Andere Fotos stammen von einem Balladenabend, an dem ein Sänger der deutschen Nazirockband „Sturmwehr“ in Windern auftrat.
In keinem anderen österreichischen Bundesland ist die rechte Szene so groß und so gut organisiert wie in Oberösterreich. Entsprechend hoch ist dort auch die Zahl der rechtsextremistischen Straftaten. Allein in den Jahren 2010 und 2011 wurden 171 solcher Delikte von der Polizei registriert – von Brandanschlägen auf von Ausländern bewohnte Häuser über antisemitische Schmierereien in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen bis hin zu Parolen wie „Wir töten Türken“ am Bahnhof Neuhofen/Krems.
Der Journalist Mario Born sieht als eine der Ursachen für das Erstarken der rechten Szene in Oberösterreich die Nähe zur deutschen Grenze. „Rechte Kameradschaften, die so zielstrebig und organisiert agieren wie die in Deutschland, gab es hierzulande bis vor ein paar Jahren nicht“, erklärt er. Born recherchiert seit Jahren über die Zusammenhänge in der grenzüberschreitenden Neonazi-Szene von Deutschland und Österreich. Dass eine Gruppe wie „Objekt 21“ entstehen konnte, habe auch an der logistischen und finanziellen Hilfe aus dem Nachbarland gelegen, sagt er. „Die österreichischen Neonazis wären längst nicht so stark ohne ihre deutschen Kameraden.“
Das sieht der österreichische Verfassungsschutz ebenso. Nach dessen Erkenntnissen hat auch Geld aus Deutschland dazu beigetragen, dass sich die Gruppe in so kurzer Zeit entwickeln und in Windern einen Treffpunkt für die Neonazis aus Oberösterreich und Bayern aufbauen konnte. Nach Recherchen örtlicher Antifa-Gruppen sollen mindestens drei Führungskräfte der im „Nationalen Bündnis Niederbayern“ zusammengeschlossenen Neonazi-Kameradschaften zumindest zeitweise Mitglieder von „Objekt 21“ gewesen sein.
Neue Hoffnung im Fall Mannichl
Weil sich die grenzübergreifende Nazi-Connection aber nicht nur im Bauernhaus in Windern traf, sondern ebenso in Fürstenzell bei Passau, interessiert sich nun auch die deutsche Polizei für den Fall. Denn in Fürstenzell hatte 2008 ein bis heute nicht identifizierter Täter den Passauer Polizeichef Alois Mannichl vor seinem Wohnhaus niedergestochen. Die Ermittler gingen von der Tat eines Rechtsextremen aus. Ins Visier geriet damals auch das einstige „Café Traudl“, ein längst nicht mehr öffentlich zugängliches Lokal unweit des Fürstenzeller Rathauses. Das „Traudl“ ist nicht nur Versammlungsort des NPD-Kreisverbandes Passau, dort gingen und gehen auch die Nazi-Brüder aus Deutschland und Österreich ein und aus. Nach dem Schlag gegen die „Objekt 21“-Bande erhofft sich die deutsche Seite jetzt einen neuen Schub für ihre Ermittlungen.