NPD kopierte Dokumente möglicherweise von linker Plattform

Erstveröffentlicht: 
21.02.2013

Das Material zum geplanten Verbotsverfahren, das die NPD im Internet veröffentlichte, hat die Partei möglicherweise von der linksalternativen Webseite Indymedia kopiert. Zusammengestellt wurde das 140 Seiten umfassende Dossier ursprünglich für Bund und Länder. Das Innenministerium hat Strafanzeige erstattet.

 

Wie kam die NPD an vertrauliche Dokumente zum Verbotsverfahren? Nachdem die rechtsextreme Partei am Dienstag Unterlagen von Bund und Ländern auf ihrer Webseite veröffentlicht hat, kommen nun neue Fragen zu dem brisanten Material auf. Denn obwohl das Dossier als "VS" (Verschlusssache) und damit als geheim gekennzeichnet war, hatte das linksalternative Mediennetzwerk Indymedia den Kurzbericht bereits am Montagabend auf seiner Webseite veröffentlicht - fast 24 Stunden, bevor die Papiere auf der NPD-Plattform auftauchten. Das berichtet der NDR. Auffällig: In beiden Versionen ist ein identischer Scanner-Fleck zu sehen.

 

Der Verfassungsschutz geht daher nach SZ.de-Informationen davon aus, dass es sich um dieselben Dokumente handelt. Das Bundesinnenministerium hat inzwischen Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt, sagte ein Sprecher der Behörde am Donnerstag. Die NPD gab auf ihrer Homepage an, der Bericht sei ihr "zugespielt" worden.

 

Wie Indymedia an die vertraulichen Unterlagen kam, ist unklar. Die Webseite biete lediglich eine Plattform für die Veröffentlichung von Material und habe dieses nicht selbst publiziert, heißt es per E-Mail auf Anfrage. "Wir haben und möchten also keine Kenntnisse über die Ursprünge der Papiere haben." Auch dort hält man es - nicht zuletzt wegen der Flecken und der identischen Aufteilung in drei Teile - für wahrscheinlich, dass es sich um dieselben Papiere handelt.

 

Das 140 Seiten lange Dossier war im Herbst vergangenen Jahres für die Innenministerkonferenz verfasst worden. In den vergangenen Monaten wurde das Dokument an zahlreiche Stellen in Bund und Ländern weitergegeben - etwa an die Innenministerien oder den Bundestag. Im Falle eines neuen Verbotsverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe würde die NPD aber ohnehin Akteneinsicht bekommen.

 

Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) beklagte dennoch die Veröffentlichung. "Das ist ein gravierender Vorgang und der Versuch einer vorsätzlichen Torpedierung eines Parteiverbotsverfahrens", sagte er der Mitteldeutschen Zeitung. Die Partei habe jetzt mehr Zeit, sich auf das Verfahren einzurichten. Auch der Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag, Wolfgang Bosbach (CDU), sprach von einem schwerwiegenden Vorgang. "Die NPD wird ein überragendes Interesse daran haben, die Antragsteller immer wieder vorzuführen", sagte er der Frankfurter Rundschau.

 

Zweifel an den Erfolgsaussichten

 

Die Innenexperten von SPD und Linken, Michael Hartmann und Ulla Jelpke, erwarten hingegen keine schwerwiegenden Konsequenzen. "Wenn die Fakten in der Sammlung zutreffen, bleiben die Vorwürfe genauso gültig", sagte Hartmann der Saarbrücker Zeitung. Jelpke betonte: "Die NPD wird sich schließlich ohnehin schon gedacht haben, welche ihrer verfassungsfeindlichen Tiraden gegen sie verwendet werden."

 

2003 war ein erster Versuch, die NPD zu verbieten, in Karlsruhe gescheitert, weil Informanten des Verfassungsschutzes auch in der Führungsebene der Partei tätig gewesen waren. Der Bundesrat will nun einen zweiten Anlauf vor dem Bundesverfassungsgericht wagen. Ob Bundesregierung und Bundestag mitziehen, ist unklar. Im Kabinett wie im Parlament gibt es Zweifel an den Erfolgsaussichten eines neuen Verfahrens. Die Regierung will bis Ende März entscheiden.