[Halkidiki] Der Brandanschlag auf die Baustelle von „Hellas Gold“ und seine Auswirkungen

Ausgebranntes

In der Nacht von 16. auf 17. Februar 2013 fand im Skouries Wald im Nordosten Halkidikis ein Brandanschlag statt. Ziel war eine Baustelle der Bergbaugesellschaft „Hellas Gold“. Ein erster Bericht des Pro-Bergbau-Blogs „Citizen of the Aristotelis Municipality“ spricht von ca. 50-70 Menschen, die Sturmhauben trugen, die gegen Mitternacht mit Schrotflinten und Molotowcocktails bewaffnet in das Gelände eintrangen und Ausrüstung, sowie Fahrzeuge in Brand steckten. Laut dem Bericht wurden zwei Sicherheitsbeamte der Baustelle als Geiseln genommen, mit Petroleum übergossen und ihnen angedroht, sie an zu zünden.

„Hellas Gold“ ist eine Tochterfirma der Kanadischen Bergbaugesellschaft „Eldorado Gold“, deren Wert an der Torontoer Börse um 6% gefallen ist, nach dem die Nachricht des Angriffs publik wurde.

 

Der Skouries Wald stellt das Zentrum des Streits zwischen „Hellas Gold“, die zu 95% zu „Eldorado Gold“ gehört und zu 5% im Besitz der öffentlichen Arbeitsgesellschaft „Hellaktor“ ist, und der lokalen Gemeinschaft dar.

Während „Hellas Gold“ behauptet durch den Abbau von Kupfer und Gold in dem Gebiet an die 5000 direkten und indirekten Jobs zu schaffen, befürchtet die ansässige Bevölkerung, dass durch den massiven Schaden an der Umwelt die lokale Wirtschaft (Landwirtschaft, Viehzucht, Fischereien, Bienenzucht, Lebensmittelverarbeitung und Tourismus) zusammenbrechen wird und viele Menschen in die Arbeitslosigkeit stürzen werden. Gestützt wird diese Befürchtung durch diverse unabhängige, wissenschaftliche Untersuchungen von z.B. der Aristoteles Universität von Thessaloniki.

Tatsache ist, dass die Regierung die Pläne der Bergbaugesellschaft auch mit repressiven Polizeieinsätzen gegen Demonstrationen der lokalen Bevölkerung wie z.B. am 9. und 21. Oktober 2012 unterstützt.

 

Nach wie vor herrscht Verwirrung darüber, was genau in der Nacht von 16. auf 17. Februar vorgefallen ist. Das die beiden Sicherheitsbeamten tatsächlich als Geiseln genommen wurden und mit Petroleum übergossen wurden, konnte bei keiner Pressekonferenz von „Hellas Gold“ oder „Eldorado Gold“ bestätigt werden. Trotzdem verbreiteten die Medien diese Nachricht.

Laut der griechischen Nachrichtenwebsite TVXS berichteten lokale Medien, die sich auf Polizeiaussagen beziehen, dass es zu keiner Geiselnahme kam, sondern die Sicherheitsbeamten den Rückzug antraten, als sie eine Gruppe von ca. 40 Menschen bemerkten, die in das Gelände von „Hellas Gold“ eintrangen.¹ Die offizielle Erklärung durch das Ministerium für öffentliche Ordnung, die von Minister Nikos Dendias abgegeben wurde nach dem er nach Polygyros (Haupstadt von Halkidiki) gereist ist, erwähnt keine spezifischen Ereignisse oder Details; In der Aussendung heißt es nur: „Erstens, ist Griechenland ein europäischer Staat nach dem Rechtsgrundsatz. Zweitens, haben wir alle die Verpflichtung, die Möglichkeit von Auslandsinvestitionen in diesem Land zu sichern. Es ist wohl bekannt, dass das die einzige Lösung ist, dem riesigen und dramatischen Problem der Arbeitslosigkeit gegenüberzustehen. Danke.“

Auch die Bilder der Überwachungskameras, die in den Medien veröffentlicht wurden, zeigen keine Geiselnahme.

Es gibt also keine haltbaren Hinweise auf eine Geiselnahme, auch wenn dies in diversen TV talk-shows wiederholt behauptet wird und auch von Sicherheitsbeamten gegenüber der Polizei behauptet wird.

 

Die Polizei reagierte am Morgen des 17. Februar mit einer Welle von willkürlichen Festnahmen. Lokale Bewohner_innen erzählten, dass unter den ersten 27 in den Bergdörfern rund um Skouries festgenommenen Personen auch einige Angestellte der Bergbaugesellschaft waren, die hinter den Bauplänen von „Hellas Gold“ stehen. Diese erste Gruppe an Festgenommenen wurde wieder freigelassen. Auch eine Gruppe von vier Menschen die wenig später festgenommen wurden, wurde nach mehreren Stunden wieder freigelassen. Ernster wurde es, als ein Haftbefehl gegen drei bekannte Gmeindemitglieder erlassen wurde, die sich gegen das Bergbauprojekt engagieren. Ihren Namen sind Lazaros Toskas, Tolis Papageorgiou und Maria Kadoglou. Der Haftbefehl basierte auf den Aussagen von Sicherheitsbeamten gegenüber der Polizei, wonach diese als Geiseln genommen wurden und mit Petroleum übergossen wurden. Einer der Sicherheitsbeamten behauptete, dass die drei die Drahtzieher der Attacke wären, da sie „alle drei in Postings im Internet und in Statements den Medien gegenüber die Gegner [des Bergbauprojekts; anm.] zu gewalttätigen Aktionen anstifteten“. Ein weiterer behauptete, dass „Tolis Papageorgiou erst kürzlich in einer Rede in Komotini sagte, er sei gegen Bergbau und ihn interessiert es nicht, ob bei dem Kampf Menschen ums Leben kommen, Lazaros Toskas ist in jedem Protest gegen die Bergbaugesellschaft präsent und Maria Kadoglou stachelt auf ihrer Homepage Menschen zum Protest gegen die Bergbaugesellschaft an.“²

 

Der Polizei gelang es, Lazaros Toskas zu verhaften und überstellte ihn nach Polygyros, wo am 18. Februar ein Prozess gegen ihn statt finden sollte. Papageorgiou und Kadoglou konnten nicht ausfindig gemacht werden.

Im Internet war eine Welle von Solidaritätsbekundungen für Toskas zu beobachten. Auch ein lokales Mitglied von SYRIZA sicherte die volle Unterstützung seiner Partei zu und verurteilte gleichzeitig die Verhaftung. Vor dem Gerichtsgebäude gab es am 18. Februar eine Solidaritätskundgebung und Toskas wurde lautstark empfangen, als er auf Bewährung frei kam. Toskas strebt nun eine Gegenklage an.

 

Die Staatsanwaltschaft von Polygyros schickte die Anklage-Dokumente an die Polizei zurück und forderte weitere Beweise, um die Anklage fortzusetzen. Mittlerweile liegen die Akten bei einem Ermittlungsbeamten in Thessaloniki, der prüfen soll, ob es sich bei dem Angriff auf die Baustelle um einen Akt von Terrorismus handelt.

 

Der Angriff auf die Baustelle erreichte eine breitere Berichterstattung über die Problematik in Halkidiki in Massenmedien. Die letzten Monate hatten fast ausschließlich lokale Medien über das Bergbauprojekt berichtet. In die talk-shows wurden jedoch im Wesentlichen nur lokale und nationale Politiker_innen eingeladen, die hinter dem Bergbauprojekt stehen (insbesondere der Bürgermeister der Region, Christos Pachtas, dem von Gegner_innen des Projekts vorgeworfen wird, er würde hinter diversen zweifelhaften Transaktionen stehen, durch die die Gruben 2003 in die Hände von „Hellas Gold“ fielen. Zu dieser Zeit war Christos Pachtas Vizefinanzminister.). Auch wurde viel über die angebliche Geiselnahme diskutiert, ungeachtet aller Tatsachen, die darauf hindeuten, dass diese Behauptungen falsch sind.

 

Am 19. Februar wurden weitere Personen aus den Dörfern Ierissos und Megali Panagia verhaftet. Die Polizei war jedoch nicht im Stande, Anklage zu erheben, oder jemanden glaubwürdig zu beschuldigen. Lokale Aktivist_innen berichten jedoch, dass die Verhafteten DNA-Proben abgeben mussten und ihnen mit Strafverfolgung wegen Gehorsamsverweigerung gedroht wurde, sollten sie zukünftige Proteste nicht unterlassen.

 

Updates, 20. Februar 2013 – 10.20 Uhr:

Ein_e lokale_r Einwohner_in bestätigte, dass die Polizei DNA-Proben von den Verhafteten nimmt und mit Verhaftung wegen Gehorsamsverweigerung droht. Weiters wurden die Kennzeichen von Autos, die in der Nähe eines Antibergwerkskoordinationstreffens abgestellt waren, von der Polizei notiert. Das Treffen fand in Ierissos statt. Auf dem Treffen wurde eine Demonstration gegen das Bergbauprojekt beschlossen, die am 24. Februar in Megali Panagia statt finden soll.

 

Weitere Informationen folgen in Kürze.

 

Solidarität kennt keine Grenzen!

Für einen schwarzen Februar!

 

¹Die Polizei gab mehrere Erklärungen per Mail und durch Polizeisprecher_innen ab, veröffentlichte jedoch keine offizielle Presseerklärung auf ihrer Homepage.

 

²Der Blog, den Maria Kadoglou betreibt, heißt „Hellenic Mining Watch“ und ist eine wertvolle Quelle für Informationen über den Bergbau, Pläne der Bergbaugesellschaft und Aktivitäten in Griechenland.

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