Expertin für Burschenschaften - „Das ist doch kein Kaffeekränzchen“

Erstveröffentlicht: 
23.11.2012

Alexandra Kurth, Expertin für Burschenschaften, meint, dass die Bundesregierung auf dem rechten Auge blind ist. Denn viele Burschenschaften vertreten ganz offen völkisch-rassistische Positionen.

 

Frau Kurth, wie kommen Sie als Frau dazu, über traditionelle Männerbünde zu promovieren?
Ich habe in Marburg studiert, wo die Verbindungsszene groß und, anders als in Stuttgart, im Stadtbild sehr präsent ist.

Einige Bünde der Deutschen Burschenschaft sind ultrarechts. Christian Becker, der die Initiative Burschenschafter gegen Neonazis gegründet hat, schätzt, dass 1500 Mitglieder des Verbandes extrem rechts anzusiedeln sind. Wie realistisch ist diese Zahl?
Das ist schwierig zu quantifizieren. Klar ist jedoch, dass die 42 Bünde der Deutschen Burschenschaft, die zugleich der Burschenschaftlichen Gemeinschaft angehören, den Kern der extrem Rechten bilden. Sie vertreten ganz offiziell völkisch-rassistische Positionen und besetzen viele wichtige Positionen im Dachverband.

Die Bundesregierung hält den Dachverband für eine „demokratische Studentenorganisation“. . .
Bei Feuerwehren oder Sportverbänden ist die Sensibilität mittlerweile groß, aber bei den Burschenschaften ist man auf dem rechten Auge blind – wahrscheinlich auch aus politischer Opportunität, weil zahlreiche Politiker Alte Herren sind. Aber wie viele Anhaltspunkte braucht man noch für eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz? Seit der Satzungsänderung im Jahr 1971, als der volkstumsbezogene Vaterlandsbegriff in die Grundsätze verankert wurde, hat sich die Deutsche Burschenschaft kontinuierlich nach rechts entwickelt.

Warum verlassen die liberaleren Bünde nicht einfach den Verband? Sie könnten sich den ganzen Ärger mit dem rechten Rand doch sparen.
Der Hauptgrund dürfte die Traditionsverbundenheit sein, unter dem jetzigen Namen besteht der Dachverband seit 100 Jahren. Viele Mitglieder haben auch kein Problem damit, wenn innerhalb des Verbandes rechtsextreme Positionen vertreten werden, solange das nicht an die Öffentlichkeit gelangt. Sie sehen das als Teil eines Pluralismus und als private Meinungsäußerung, was natürlich Blödsinn ist. Allerdings ist der öffentliche Druck nun so groß, dass die Mitglieder beim Burschentag in Stuttgart nicht einfach zur Tagesordnung zurückkehren können.

Eine zentrale Figur in der Auseinandersetzung ist der wegen rechtsextremer Ausfälle umstrittene Norbert Weidner, der in Eisenach als ‚Schriftleiter‘ der Burschenschaftlichen Blätter bestätigt wurde. Haben dabei persönliche Beziehungen den Ausschlag gegeben, wie manche Burschenschafter behaupten?
Es handelt sich doch um kein Kaffeekränzchen, sondern eine politische Organisation! Insofern spiegelt das Abstimmungsergebnis schon das politische Kräfteverhältnis im Verband wider. Und die Personalie wird auch in Stuttgart eine große Rolle spielen, wenn es um die Zukunft des Verbandes geht.

Rechnen Sie mit einer Spaltung des Verbandes?
Schwer zu sagen. Die Burschenschaftliche Gemeinschaft appelliert einerseits an alle, die Einheit der burschenschaftlichen Bewegung zu erhalten, andererseits kritisiert sie die Reformer ganz direkt.