Glitzer-Kritik … oder die Entgrenzung von queer geht zu weit

evil bunny

Wenn auf dem tCSD Hetero-Paare Händchen haltend durch die Glitzer-Schwaden ziehen, wenn mir die gleichen Macker dort begegnen wie auf jeder normalen Antifa-Demo auch, wenn Glitzer und rosa Handtasche in Szene-Kneipen und anderen linken Räumen zum Coolness-Faktor werden – dann wird dies oft als queer verstanden und gelabelt.

 

Queer – ein Begriff der Zweigeschlechtlichkeit und Heteronormativität in Frage stellt?!

 

Als queer bezeichnen sich Menschen, die ihre sexuelle Orientierung und/oder ihre Geschlechtsidentität als quer zur vorherrschenden Norm beschreiben. Die vielfältige Bedeutung von queer sollte allerdings nicht darüber hinweg täuschen, dass queer alles ist, nur nicht hetero, dass queer als Sammelbegriff für all jene dient, die sich außerhalb der Norm bewegen: Und das sind immer noch Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle, Transgender und Intersexuelle (LGBTI). Aber alternativ-lebende heterosexuelle CIS-Männer- und Frauen1 eher weniger.2

 

 

Queer wird Interessen von LGBTI nicht mehr gerecht, wenn Queer-Sein nicht mehr als sexuelle Identität oder Geschlechtsidentität, sondern als ein „irgendwie-dazwischen“ erscheint. Das irgendwie-queere Dasein iniziiert dabei aber wiederum nur eine postmoderne Heterosexualität. Diese oder auch gendersensible Sprache entschuldigt dann schnell mal das Ausleben der eigenen Männlichkeit, die eigene dominante Stellung muss nicht mehr hinterfragt werden und festigt sich.


Wenn sich der Begriff „queer“ im politischen Kampf eignen soll, dann kommt es darauf an, WER ihn bedient und sich aneignet und wozu er benutzt wird. Weder ist queer als Kurzform für schwul/lesbisch zu verstehen, noch bezeichnet es alle Sexualitäten und Geschlechter.

Es ist natürlich absolut begrüßenswert, wenn Geschlechternormen und Stereotypen aufgebrochen werden. Dadurch, dass sich queere Labels durchsetzen, kann jeder Typ, der Bock hat, sich zumindest in seinem alternativen Umfeld die Fingernägel lackieren oder mit einem Typen tanzen. Das Ausprobieren und Sich-Herantasten macht Grenzüberwindung einfacher. Viele, die sich vorher unsicher waren, sich nicht getraut haben, oder einfach unerfahren sind, sich noch nicht ausprobiert haben, können über einen Raum, in dem Mann eben Schwul-Sein ausprobieren kann, aber sich in der nächsten Sekunde in die Heterosexualität zurückbegeben kann, viel über sich lernen. Solchen Herantast-Moment kann Mann wohl in keiner Schwulen-Bar erleben, kein „schwuler“ Raum könnte solch einen „Rückzug“ bieten.

 

Dies alles darf aber nicht dazu führen, dass der Begriff „queer“ zum neuen Szene-Code wird. Zum einen führt die Assoziation „queer = cool“ zu einem Ausschluss all jener, die die als queer assozierten Accessoires und Attitüden nicht leben (durchaus aber auch außerhalb der Heteronormativität leben können). Zum anderen ist eine begriffliche Unterscheidung in Heterosexuelle und Nicht-Heterosexuelle (LGBTI) notwendig, um Herrschaftsverhältnisse aufzudecken und zu bekämpfen. Genauso wichtig ist es in diesem Zusammenhang (!), zwischen „Männern“ und „Frauen“ zu unterscheiden. Die Feststellung, dass Geschlecht eine sozial konstruierte Kategorie ist, bewirkt noch nicht die Abschaffung von Geschlechterrollen. Genauso wenig wie also die Konstrukte „weiblich“ und „männlich“ durch ein Verqueeren ihre Wirkungsmächtigkeit verlieren, tun dies Kategorien wie homosexuell und heterosexuell.

 

Bunt lackierte Fingernägel und „Hello-Kitty“-Haarspangen können in der U-Bahn, im Kaufhaus oder auf der Straße zwar abwertende Kommentare und Stigmatisierungen auslösen, aber führen in der Regel weniger zu transphoben Übergriffen. Queerer Style kann im Notfall immer abgelegt werden, lesbische und schwule Lebensweisen nicht. Genauso wenig bedeutet queerer Style ein Coming-Out: Keine Gedanken wie „Kann ich meinen Freund zum Betriebsausflug mitnehmen?“ oder „Wie sag‘ ich’s ihnen?“ oder Erwartungshaltungen erfüllen zu müssen, endlich mal eine Freundin mit nach Hause zu bringen. Für eine Herrschaftsanalyse müsste ich hier also klar unterscheiden zwischen sich queer labelnden und queer lebenden Menschen. Der Versuch, mit dem Begriff „queer“ Identitäten aufzulösen und Normen in Frage zu stellen, scheitert dann, wenn queer zu einer neuen Identität wird, die plötzlich alle Menschen umfasst, sich aber von Identitäten wie schwul und lesbisch abgrenzt. „Wo es keine antagonistisch verfassten Gegensätze mehr zu geben scheint, verfließen die multiplen »Sexualitäten« und »Identitäten« in einer verlogen-kuscheligen, unspezifischen Solidarität.“3

 

Die Frage nach dem Umgang mit queerer Coolness ist zwar ein neues Thema hinsichtlich sich queer labelnder Männer, aber in der Lesbenszene schon lange bekannt. Mit Bemerkungen wie „Frauen sind einfach zärtlicher“ oder „Ach, ich knutsch auch gern mal mit ’ner Frau rum“ stellen sich sogenannte Partylesben vor. Solch ein „Coming-Out“ ruft bei Personen, die Erfahrung mit Diskriminierung gemacht haben, oft Unverständnis und das Gefühl, nicht verstanden zu werden, aus.


Es ist bestimmt nicht verkehrt, der besten Freundin oder dem besten Freund mal ein paar queere Bekannte vorzustellen, aber Hetero-Räume gibt es schon genug. Oder um’s auf den Punkt zu bringen: Heteros und Heteras sollten sich in queeren Räumen zurückhalten, denn schließlich können sie sich überall sonst ausleben. Des Weiteren könnte eine Reflexion über das eigene Verhältnis zwischen queerem Style und wirklicher Lebensweise dabei helfen, heteronormative Verhaltensweisen aufzudecken und sich nicht auf der eigenen rosa Haarspange auszuruhen.

 


 

1. Der Begriff Cisgender bzw. Cissexualität wurde als Gegenbegriff zur medizinischen Diagnose Transsexualität geprägt, um Menschen beschreiben zu können, die eine Übereinstimmung von biologischem und psychischem Geschlecht erleben.

 

2. Zum Beispiel gehen die Wurzeln der Polyamorie-Bewegung auf queere Strömungen zurück, dies bedeutet aber nicht, dass polyamorös lebende Menschen zwangsläufig queer sind.

Für Männer im Patriarchat ist eine polyamoröse Lebensweise noch keine Normbrechung: (Poly-) Männer werden in der Gesellschaft im Gegensatz zu Frauen als besonders toll betrachtet, wenn sie viele Frauen „gefickt haben“.

 

3. Magnus Klaue: Weicher werden. Der urbane Mann von heute labert jede Frau in Reichweite mit Queer Theory voll und bekennt sich zu seinen weiblichen Seiten. Ist er deshalb progressiv? Jungle World Nr. 6, 9. Februar 2012

 

[cosmonautilus]

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Nur zum argument warum hetero-sexuelle Menschen dabei sind:

 

Wenn sich diese Menschen ebenfalls für Queer-Lebensweise einsetzen wollen, ist das doch ok. (ich meine natürlich nicht Mackertum)

Oder seh ich das so falsch?

würde dir zustimmen, wenn du meinst, dass hetero-Menschen auf dem tcsd dabei sind, aber nicht, wenn sie sich selbst dann (weil sie Solidarität ausüben) als queer verstehen

wenn du meinst, dass hetero-Menschen auf dem tcsd mitlaufen (als solidarische Aktion), dann ist das in Ordnung, aber in meinem Verständnis wäre es falsch, wenn sie sich deswegen als queer verstehen

Das vermeintliche Heteropärchen könnte auch bisexuell sein, also immer vorsichtig mit solche Zuschreibungen

*

guter Text!

 

Kurz, knapp und verständlich!

(und endlich weiß jemand mal mit html umzugehen ;-) )

sind die Bilder auf Fremden Internetseiten gehostet, das heißt das die Moderation diese erst selber auf Linksunten hochladen muss und die Grafiken austauschen.

Das habe ich mir auch gedacht. :(

Außerdem fehlte ein Startbild, ich habe eines hinzugefügt. Wenn euch evil bunny nicht gefällt, sagt Bescheid...

Interessanter Ansatzpunkt für eine linke Szene-Kritik und eine dahingehende Reflexion. Jedoch muss ich bemerken, dass eure Analyse von »Identitäten« leider selbst an der Konstruktion einer solchen leidet - nämlich der einer elitären Deutungshoheit ("Heteros und Heteras sollten sich in queeren Räumen zurückhalten, denn schließlich können sie sich überall sonst ausleben.") und ihrer Kritikmaximierung. Daher das meta.

die Frage nach Identitäten ist in der Tat nicht leicht zu klären... aber ist queer nicht sowieso längst eine Identität geworden? Der Versuch, eine Identität zu dekonstruieren... ist ja nicht immer sinnvoll... ich halte Identitäten dann für sinnvoll, wenn sie einen Schutzraum erhalten.

"Bunt lackierte Fingernägel und „Hello-Kitty“-Haarspangen können in der U-Bahn, im Kaufhaus oder auf der Straße zwar abwertende Kommentare und Stigmatisierungen auslösen, aber führen in der Regel weniger zu transphoben Übergriffen..."

 

interessant, der transphobe mob auf der straße weiß im zweifelsfall zwischen dem hetero im glitzerpelz und den "wahren" queers zu unterscheiden?

 

"Queerer Style kann im Notfall immer abgelegt werden, lesbische und schwule Lebensweisen nicht. "

 

Nun ja, ist meist nicht der style offensichtlicher als die jeweilige lebensweise?

auch wenn du dich sichtlich bemühst, den authentischen lesbisch/schwul lebenden menschen zu geltung zu verhelfen, ist das nicht ein bereits ausgefochtener kampf? wenn mir mein chef sagt, dass mein partner*in nicht mit auf den betriebsausflug darf, ist das von staatsseiten anerkannte diskriminierung inklusive antidiskriminierungsgesetzen. wenn mir irgendein*e linke*r texteschreiber*in erklären will, dass ich nur authentisch queer bin, wenn ich mich gedanken beschäftigen, wie ich meine homosexuelle beziehung meinen arbeitskolleg*innen erkläre oder mich bei meinen eltern oute, dann hilft mir höchstens mein anti-identitäres queeres politikverständnis.

(und nebenbei bemerkt: hast du eigentlich alle vermeintlichen heteros gefragt, wie sich so identifizieren und mit wem sie noch so ins bett gehen? fremdzuschreibung ist auch ganz schön gewaltvoll)

Ich glaube, es geht darum, durch all die total netten, coolen, bunten Identitäten nicht zu vergessen, dass es um ein Herrschaftsverhältnis geht.  Und von Herrschaftsverhältnissen betroffen zu sein ist nun halt mal nicht nett, bunt und Hello-Kitty-rosa-rot, sondern verdammte Scheiße. 

Wegen einer Haarspange schief angeguckt zu werden ist Teil einer Unterdrückungserfahrung, aber von da an ist die Skala der Dinge, die einem passieren können, leider  noch sehr weit offen.  Und es macht auch einen Unterschied, ob ich diese Haarspange als relativ äußerlich empfundenes Assecoire trage, das ich vielleicht nur in geschützten Räumen trage und ablege, wenn mir die Konsequenzen zu hart werden,  oder ob sie Ausdruck einer tief mit mir und meiner Art zu leben verbundenen  Einstellung - auch Identität genannt - ist, die ich nicht einfach ablegen kann. 

Ich glaube auch nicht, dass der Kampf bereits ausgefochten ist, weil es ein Antidiskriminierungsgesetz gibt.  Ganz bestimmt hat es in den letzten Jahren bis Jahrzehnten erhebliche Verbesserungen gegeben, aber besser heißt noch lange nicht gut genug. 

Ohne auf eigene Erfahrungen mit einer queeren Identität zurückgreifen zu können kann ich die Kritik an einem zu verwässerten und damit beliebigen queer-Begriff sehr gut nachvollziehen.  Viel zu oft höre ich, dass Sexismus ja jetzt kein Thema mehr ist, weil alle Identitäten schon erfolgreich dekonstruiert wurden.  Die Herrschaftsverhältnisse funktionieren aber weiter anhand dieser Kategorien, ob man selber sich jetzt erfolgreich davon befreit zu haben glaubt oder nicht.  Manchmal macht so ein beliebiger Begriff es dann eher schwerer als leichter, Unterdrückungserfahrungen als solche benennen zu können.  Ganz bestimmt hat queer eine befreiende Komponente, eröffnet Räume und läd zum experimentieren ein.  In einem theoretischeren Verständnis davon ist es auch möglich, über strukturelle Dimensionen von Herrschaft  zu reden, und auch die Kritik an zu enger und ausschließender Identitätspolitik vor allem der feministischen Bewegung ist wichtig und richtig. 

Aber als Konzept für eine politische Praxis bin ich von queer als "Kampfbegriff" nicht wirklich überzeugt.  Viel zu viel ist queer in einem oberflächlichem Verständnis  zum Partymotto verkommen.

Und, lieb*er glitter, verzeih mir die Kritik, aber wenn ein Mensch, der/die sich selber als anti-identitär und queer bezeichnet ernsthaft der Meinung ist, die Sache mit der Diskriminierung sei ein ausgefochtener Kampf und kein Problem mehr, ist das das beste Beispiel dafür.  Dass ein Mensch, der mit ebend dieser Diskriminierung zu kämpfen hat, sich dann von Menschen, die sich queer labeln, unverstanden fühlt und in diesen Menschen dann keine Verbündete*n mehr erkennen kann, sich daher also einen Begriff wünscht, der zwischen potentiellen Verbündete*n und Menschen, von denen er/sie Unverständnis erwarten kann, unterscheidet, ist mehr als nachvollziehbar. 

...ich verstehe den eigtl kritikpunkt, voll und ganz. 

 

aber, am ende wollen wir alle doch nur das eine: leben wie es uns gefällt, akzeptiert werden auf ganzer linie. das ist doch bei heterosexuelle menschen nicht anders. ich betrachte das als ein kompliment, und ebenso als großartig vollbrache leistung queerer menschen, dass "style" und lebensart ausprobiert, bzw. kopiert werden, dass stinos die nähe zu queer suchen. bitte nicht vergessen, arschlöcher gibts überall, in jeder szene, in jeder lebensform.

„Die Herrschaftsverhältnisse funktionieren aber weiter anhand dieser Kategorien, ob man selber sich jetzt erfolgreich davon befreit zu haben glaubt oder nicht.“

→ genau darum geht es!

Also bei aller Dekonstruktion von der Kategorien weiblich und männlich, bin ich dennoch FÜR eine Frauenquote z.B.- eben weil die Herrschaftsverhältnisse anhand der Kategorien wirken: also

 

männlich – Frauen (und alle anderen Geschlechter)

hetero- nicht-hetero

 

Diese Liste könnte ich jetzt noch mit vielen anderen Herrschaftsverhältnissen fortsetzen. Wir können nicht davon ausgehen, dass durch Gesetze und sonstige schon erfolgreich erkämpfte Fortschritte keine Unterscheidung zwischen den Geschlechtern und Sexualitäten mehr notwendig ist. Das Anti-Diskriminierungsgesetz nützt mir wenig, wenn mich meine Arbeitskolleginnen dafür verachten, wenn ich meinen Freund mitnehme.

 

Ich brauche heterosexuelle Menschen nicht fragen, mit wem sie schlafen. Wer als Mann mit Frauen schläft und zwar NUR mit Frauen, ist heterosexuell. Sobald ich auch mit anderen Männern schlafe oder sonstige sexuelle Handlungen durchführen, ist Heterosexualität doch sowieso nicht mehr gegeben.

 

„Nun ja, ist meist nicht der style offensichtlicher als die jeweilige lebensweise?“

→ Nein, ich meine nicht, dass Style offensichtlicher ist. Es ist etwas grundlegend anderes, wenn zwei Männer Hand in Hand oder knutschen auf der Straße, auf dem Bahnhof oder im Freibad sich bewegen als wenn dies Menschen tun, die ihr Äußeres mit queerem Style ausstatten. Natürlich kann es auch dort Übergriffe geben (besonders in der Provinz z.B.) aber ich hab ja auch nicht geschrieben, dass das nicht vorkommt, sondern dass das „in der Regel weniger zu transphoben Übergriffen“ führt.

"Es ist etwas grundlegend anderes, wenn zwei Männer Hand in Hand oder knutschen auf der Straße, auf dem Bahnhof oder im Freibad sich bewegen als wenn dies Menschen tun, die ihr Äußeres mit queerem Style ausstatten." -> ich meinte: als wenn Menschen mit queeren Styles rumlaufen. Wenn diese ebenfalls knutschend in der Fußgängerzone schlendern würden, wäre das etwas anderes.

Um doch noch etwas weiter auszuholen: Nein, natürlich ist heteronormativität weiterhin wirkmächtig, gesetze lösen nix auf - schon gar nicht aus linker perspektive - und rechte sind keine garantie für ein schönes leben. das beispiel diente lediglich dazu, zu illustrieren, dass der kampf, den ich in deinem artikel wiederfinde, einer ist, der mit eben dieser forderung um rechte, dem outing als politischer aktionsform und dem offenen, selbstbewussten umgang mit der eigenen abweichenden sexualität als etwas anderes. dies war inhalt und form der schwulen- und lesbenbewegung seit den 70ern.

 

Dinge haben sich seitdem verbessert, andere nicht. nicht zuletzt hat auch diese bewegung die grenzen ihrer möglichkeiten erkannt (oder aber sich selbstzufrieden zurückgelehnt). probleme ergeben sich aus der identitären ausrichtung: wer trägt das anliegen/teilt die ziele? wer sind wir, wer gehört nicht dazu? gibt es überhaupt einheitliche bedürfnisse und zielsetzung, resultierend aus einer geteilten unterdrückungserfahrung? wie siehts denn mit diskriminierung innerhalb der bewegung aus? (erinnert sei hier an butlers medienwirksame ablehnung des civilcourage-preises des berliner csd 2010).

zusammenfassend: es geht um die ein- und ausschlüsse die identitätspolitik produziert. diese sind zum einen per se gewaltvoll, zum anderen verunmöglichen sie breite bündnisse und pluralität von perspektiven. die stellen an denen ich diskriminierung wegen meiner genderperformance erfahre sind andere als die, die du machst wenn du dein begehren thematisiert - zugrunde liegt dasselbe unterdrückungsverhältnis (heteronormativität), wir schauen nur aus verschiedenen blickwinkel darauf.

 

hier sehe ich allerdings das problem in deiner argumentation: du suchst nach den authentischen queers, und willst sie klar abgrenzen können von vermeintlichen heteros, leuten die just for fun nicht hetero auf partys rumknutschen etc. aber diese vorstellung von authenizität gibt es nicht, ist gewaltvoll, weil du menschen, ohne ihre selbstzuschreibung zu kennen, in kategorien einteilst, ist homogenisierend weil es nicht DEN schwulen/ DIE lesbe an sich gibt, und ist essentialisierend weil du damit aussagst, dass es einen wesenhaften unterschied zwischen heteros und homosexuellen gibt. und das ist meiner meinung nach keine emanzipatorische perspektive!

dazu kommt, dass mir immer wieder auffällt, dass deine queere Identität bi- oder trans-identifizierte menschen nicht einschließt. um es wieder an dem hetero-pärchen-beispiel festzumachen: woher weißt du wie sich die beiden menschen definieren, die da händchen halten? selbst wenn sie jeweils männlich und weiblich als selbstdefinition haben, ist ihr begehren durchgängig hetero? oder gibt es nicht-heteronormierte begehrlichkeiten? negierst du vielleicht den trans*backround einer der beteiligten?


mir geht es auch nicht darum, irgendwelche macker zu legitimieren, die unter dem deckmantel der solidarität queeren protest dominieren wollen - aber deswegen feindselig auf menschen zu reagieren, denen abgesprochen wird vergleichbare diskriminierungserfahrungen gemacht zu haben wie offen knutschende/ geoutete lesben und schwule?

ich beziehe mich in meiner Kritik ja auch auf die Wahrnehmung von Heterosexualität. Wenn ich queer lebe, warum muss ich dann gerade auf dem tcsd Händchen haltend mit meiner Freundin spazieren gehen? Und: ich spreche den Menschen Heterosexualität zu, weil sie sich selbst als hetero beschreiben. Hetero und queer schließt sich meiner Meinung nach aber aus. Hetero-Menschen können queere Politik machen, aber das macht si noch nicht zu Queers. Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole, es geht mir hier um die Herrschaftsverhältnisse. Die Diskussion hat viel mit dem Schutzraum-Gedanken zu tun.

In einem FLT-Bereich (welcher als Schutzraum für Selbige fungiert) können z.B. nicht einfach alle Menschen mit der Argumentation, dass es ja keine Geschlechter mehr gebe und weiblich/männlich nur soziale Konstruktesein, rein. Ich höre dann häufiger die Antwort "Aber als trans kann sich doch jede_r definieren". Das ist ansich richtig, aber trans bezeichnet nun mal Personen, die dies auch leben.

Es sollte dabei bedacht werden, dass der Schutzraum erhalten bleiben muss, d.h. wenn ich dort als äußerlich-wahrnahmbarer Mann reingehe und behaupte meine Identität sei aber nicht männlich, dann wahre ich diesen Schutzraum eben halt nicht mehr.

Ich teile deinen Intersektionalitäts-Ansatz vollkommen. Wir sind alle von verschiedenen Herrschaftsverhältnissen betroffen. Aber genau das ist es ja, worauf ich hinaus will. Menschen, die hetero leben, sich aber queer labeln, sind nicht dem gleichen Herrschaftsverhältnissen unterworfen wie jene, die queerleben (unabhängig davon, ob diese sich nun auch queer nach außen zeigen oder nicht).

Ich glaube, dass es notwendig ist, ein handlungsfähiges Kollektiv herzustellen, wenn es darum geht, sich gegen Unterdrückung zu wehren. Und dieses Kollektiv macht gemeinsame Ausgrenzungserfahrungen, welche "die anderen" (nicht-Queers) halt nicht machen.

Es gibt keinen wesenhaften Unterschied zwischen homo und hetero, zwischen trans und cis, aber es sind die Verhältnisse, die zu den Unterschieden führen.

Wenn ich als Queer in queere Räume gehe, dann will ich neben dem Schutzraum auch auf queere Menschen treffen. Wenn ich stattdessen aber viele Menschen treffe, die eine diffuse queere Identität haben, dann verringert es die Wahrscheinlichkeit, dass ich Menschen meines Begehrens kennen lerne. Deshalb gibt es Lesben/Schwulen-Bars und dort sind Hetero-Menschen halt nur die mitgebrachten FreundInnen und mehr nicht.

LGBTI machen vollziehen in der heteronormativ geprägten Gesellschaft IMMMER ein Coming-Out (inneres und/oder äußeres Coming-Out), ob sie es als poltische Aktionsform wollen oder nicht....

und darin liegt einer der wesentlichen Unterschiede zu den heterosexuellen Menschen. Dass wir letztlich alle queer sind (dass also nichts aus biologischen Konstanten abzuleiten ist), davon bin ich überzeugt, aber eben erst wenn wir in einer queeren Gesellschaft leben. Da wir dies aber nicht tun, ist es sinnvoll, LGBTI von anderen abzugrenzen, da nur diese dem Coming-Out unterworfen sind.

outing ist nicht gleich outing: es macht nen unterschied zu sagen "ich bin [passende  Identität bitte einsetzen]" oder dem offenen umgang mit unnormierten lebensweisen. ersteres ergibt sinn für identitätspolitische maßnahmen um eine bestimmte eigene position zu stärken, letzteres ist subversiver, vielleicht auch schwerer wahrnehmbarer, aber bietet dafür eine möglichkeit ohne zuschreibungen und festlegungen der heteronormativität die tränen in die augen zu treiben.

 

ich versteh einfach nicht, weshalb es irgendein merkmal geben muss, aus dem es sinnvoll ist LGBTI von heteros abzugrenzen (auf der politischen ebene, klar, beim daten spielt es für die meisten ne rolle), außer der betroffenheit von diskriminierungserfahrungen (was sich wenig an identität festmachen lässt, ich kenne auch genug cis/heteros die homo- oder transphobe sprüche abgekommen haben, und LGBTIs, die noch nie damit konfrontiert wurden) - was oft abhängig von umfeld, lebensumständen, etc. ist - und meiner meinung nach viel wichtiger für politik: die gemeinsame zielsetzung heteronormativität auflösen zu wollen.

Du stellst schon die richtigen Fragen.  Meine Frage an dich wäre, warum es dein Ziel ist, Heteronormativität aufzulösen, und was du genau darunter verstehst.  Denn dann könnten wir uns darüber unterhalten, ob wir das selbe wollen.  Für mich ist Heteronormativität nur einer von vielen Herrschaftsverhältnissen.  Ob ich gegen Sexismus, das Patriachat, Heteronormativität, Diskriminierung von Schwulen und Lesben oder die Einengung meiner Identität auf eine von zwei Geschlechtern bin, hat alles viel mit einander zu tun, setzt aber verschiedene Akzente.  Heteronormativität kann das alles meinen, oder nur einen Teilaspekt davon, je nachdem, wer das Wort benutzt und was damit meint.  Heteronormativ ist so ein großes, viel bemühtes Wort, dass es manchmal gar nichts mehr meint, weil es irgendwie alles meint, ohne irgendetwas zu benennen.  

Mein Ziel ist es vor allem, Herrschaftsverhältnisse zu beenden, und zwar alle.  Eine Stärkung der Person oder der Position, die darin  unten steht und darunter leidet, ist für mich  zunächst eine sinnvolle Maßnahme.  Du schreibst selbst, dass dies eher den Strategien der "Identitätspolitik" zuzuschreiben ist.  Und das ist meine Antwort auf deine Frage. Ich brauche in manchen Kontexten eine Abgrenzung von LGBTIs von heteros, da heteros auf der priviligierten Seite des Machtverhältnisses stehen, das mensch Heteronormativität nennen kann.  Es ist etwas kompliziert zu denken, aber es ist für mich tatsächlich kein Widerspruch, in der einen Situation die Identitätskategorien zu bemühen, an denen Unterdrückung funktioniert, und in einer anderen Situation deren Abschaffung zu wollen. 

Den wirklich großen Widerspruch haben wir beide in dem Verständis der Rolle von Identität in Diskriminierungserfahrungen.  Ich glaube dir, dass es heteros gibt, die schon mit homophoben Sprüchen konfrontiert wurden, und ich glaube auch, dass es Männer gibt, die von Frauen vergewaltigt wurden.  Diese Erfahrungen sind aber nicht Ausdruck eines strukturellen Machtverhältnisses.  Für die einzelne Person, die diese Gewalt erlebt, macht das keinen Unterschied, es ist genauso schlimm, und nichts liegt mir ferner, als das Leid dieser Menschen abwerten zu wollen.  Für eine politische Perspektive sind diese Einzelerfahrungen aber kein Gegenbeweis für eine priviligierte Position von Heterosexuellen und Männern in unserer Gesellschaft und auch in linken Szenen.  Eine strukturelle Dimension heißt für mich, dass diese Gewalt nicht nur durch eine asymmetrische Beziehung zwischen zwei Mensch in einer bestimmten Situation entstehen kann, in der es mehr oder weniger "Pech" oder "Zufall" ist, wer gerade unten steht,  sondern dass nicht-Heterosexuelle und nicht-Männer systematisch fast immer unten stehen, und dies ermöglicht wird durch ein ausgesprochen komplexes Gebilde, bestehend aus Diskursen, Gesetzen, Bildern von Männlichkeit, Weiblichkeit und romantischer, heterosexueller Liebe und Begehren, dem reproduzieren und der Zuschreibung von Identitäten usw.  Dieses komplexe Gebilde meine ich, wenn ich Heteronormativität sage. 

Den von dir propagierte "offene Umgang mit unnormierten lebensweisen"  kann ich als einen Versuch verstehen, dieses Gebilde in deinem engen Lebensumfeld außer Funktion zu setzen, als einen von vielen kleinen Angriffen auf dieses Gebilde, die es hoffentlich irgendwann soweit unterhölen, dass es in sich zusammenfällt.  Wenn du ungefähr das meinst, dann wollen wir das selbe.   Für mich ist das aber nur eine mögliche Strategie, die langfristig auf das Ganze zielt und ebend nicht bei Unterdrückungserfahrungen ansetzt, sondern abstrakter bei der Reproduktion des Systems in einem kleinen Umfeld (im Gegensatz zum "großen" Umfeld der ganzen Gesellschaft).  Für diese Strategie ist eine gemeinsame Unterdrückungserfahrung nicht nötig, sie ist offen und braucht auch die Menschen, die keine strukturellen Unterdrückungserfahrungen haben, um zu funktionieren. 

Eine andere, ältere Strategie, die du Identitätspolitik nennst, setzt halt mehr bei diesen Unterdrückungserfahrungen an, die anhand von Identitätskategorien funktionieren, und kommt von diesen individuellen Erfahrungen idealerweise zu der Erkenntnis, dass diese eine strukturelle Dimension haben, eben nicht Zufall oder Pech sind, sonder Ausdruck dieses Heteronormativitätsgebildes. Daher macht es auch Sinn, die Gemeinsamkeit und das verbindende Element in der Identitätskategorie zu sehen, anhand der Unterdrückung funktioniert. Ich glaube, für Menschen, die wirklich mit diesen Erfahrungen zu kämpfen haben, ist es die effektivere Strategie, da sie direkt bei den eigenen Erfahrungen ansetzt, durch eine kollektive Organisierung auch eine Möglichkeit zur gemeinsamen Bewältigung und Selbstermächtigung bietet, halt auch ein wenig Selbsthilfe und "jetzt hier und gleich besser" ist.   Idealerweise kommt sie am Ende am selben Punkt an:  Das Heteronormative Gebilde anzugreifen, vielleicht an einer anderen Stelle und mit anderen Mittel als die andere Strategie.  Richtig ist, dass man dabei verdammt aufpassen muss, wo man die Grenzen zieht, welche kreuzenden Herrschaftsstrukturen man dabei übersieht und reproduziert, in wessen Namen man spricht und dadurch anderen die Stimme nimmt, dass diese Identitäten nicht zu starr und als natürlich gesehen werden.  Es gab viel richtige Kritik an Identitätspolitik, aber die Konsequenz, sie deshalb komplett abzulehnen, halte ich als einzig mögliche Antwort für falsch. Richtig ist auch, dass diese Strategie an manchen Stellen weniger offen für Menschen ist, die durch die Identität, die sie leben und die ihnen zugeschrieben wird eher auf der priviligierten Seite stehen, dass sie Ausschlüsse produziert um Schutzräume zu schaffen.  Diese Ausschlüsse sehe ich aber nicht als Problem an, es ist eine zeitlich und räumlich eng begrenzte, direkte Aufhebung der Machtverhältnisse.  Von Menschen, die von diesen Ausschlüssen betroffen sind und für einen Moment die Privilegien verlieren, an die sie gewohnt sind, erwarte ich, dies freiwillig und gerne zu akzeptieren, wenn sie meinen, doch eigentlich dasselbe zu wollen. 

Die eigene Position stärken, ein Antidiskriminierungsgesetz einführen oder im eigenen, kleinen Lebensumfeld mit unnomrierten Lebensweisen offen umgehen:  nichts davon wird das Gebilde alleine und morgen zu Fall bringen, nichts davon hält keine Sackgassen bereit, in denen man steckenbleiben kann. 

Wenn du die Betroffenheit von der Herrschaft dieses Systems, die anhand von Identitäten funktioniert,  aber nicht mehr als Teil dieses Systems verstehst, als eigentlicher Grund, warum es überhaupt notwendig ist, das Gebilde abzuschaffen und Identitäten aufzulösen, dann meinen wir mit Heteronormativität nicht dasselbe, und dann ist das auch nicht unser gemeinsames Ziel, auch wenn wir vielleicht die selben Wörter benutzen.  Denn dann schleicht sich ganz unbemerkt durch die Hintertür die selbe alte Scheiße wieder ein:  die, die immer schon strukturell unten standen, unsichtbar gemacht und zum Schweigen gebracht wurden werden es wieder, nur diesmal unter dem Vorwand, doch eigentlich dasselbe zu wollen. 

ja, genau beim daten und das ist gar nicht so unentscheidend. und zwar kann ich aufgrund der heteronormativität ja  fast immer davon ausgehen, dass mein umfeld hetero ist (ich sollte es nicht tun, weil ich damit die heteronormativität nur verstärke), d.h. das ich mich ständig in hetero-frauen verliebe (weil sie halt in meinem umfeld sind). ein grund warum ich glaube, dass viele lesben sich irgendwann sehr viel in der lesbenszene bewegen und fast nur noch lesbische freund_innen haben. weil es in solchen räumen nämlich dann eine homo-normativität gibt und ich halte es überhaupt nicht für sinnvoll, diesen raum aufzubrechen, weil wir dann am Ende auch wieder einen überwiegend heterosexuell-geprägten Raum erzeugen. Versteh mich nicht falsch... es geht nicht darum, dass ich sämtliche heterosexuelle Menschen aus LGBTI-Räumen raus haben will, sondern dass diese sich in so nem Fall zurück halten sollten. Wieso müssen Hetero-Paare auf dem tcsd zeigen?

 

Und: in einer heteronormativen Gesellschaft ist ein offener Umgang mit unnormierten Lebensweisen bereits ein Coming-Out. Das brauche ich dann nicht groß zu inszinieren, das wird dann insziniert.

 

du verstehst nicht, warum es sinnvoll ist heteros von LGBTIs abzugrenzen? Reichen die Herrschafts- und Unterdrückungsverhältnisse nicht? Findest du es auch nicht sinnvoll zwischen Frauen und Männern zu unterscheiden (also Frauenquote, Frauenplena, Frauen-Räume, Frauenhäuser).

 

Nach den bipolaren Differenzlinien (Leiprecht/Lutz) gibt es grob gesagt immer zwei Kategorien, die sich gegenüberstehen, wobei die eine die andere Kategorie dominiert:

 

Geschlecht: männlich- weiblich

Sexualität: heterosexuell- homo/bi/panseuell

Hautfarbe: weiß- schwarz

Nation/Staat: Angehörige- Nicht-Angehörige

...

 

linke Spalte dominiert rechte Spalte. Die linke Spalte kann Solidarität ausüben, sollte aber der rechten Spalte bei ihren solidarischen Aktionen genügend Raum zur Selbstbestimmung einräumen.

...ist für mich immer noch ein kapitalistisches Markensymbol welches (unter anderem) diejenigen Personen als Zielgruppe hat die vermutlich das Unemanzipierteste sind, was unsere Gesellschaft zu bieten hat. Irgendwie kann ich aus diesem Grund keine Helly-Kitty-Katze als politisches und vor allem linkes Statement anerkennen....

erstens steht "Hello Kitty" hier stellvertretend für auch alle anderen rosa-Pony-Figuren und zweitens entwickelt Szene und Mode eigene Codes und Styles, die aus der "normalen" welt kopiert sind (siehe auch mifi)

 

http://www.youtube.com/watch?v=j28YJ41cR8Q&feature=results_main&playnext...

ja, du hast schon recht, normalerweise kann ich mit Hello Kitty aus sehr vielen Gründen so wirklich gar nichts anfangen.  Da ist zum einen die Bedeutung als kapitalistisches Markensymbol, also ein weiteres Herrschaftsverhältnis, das die anderen kreuzt und die  ganze Sache noch komplizierter macht.  Da es hier aber eine ungewöhnlich differenzierte Diskussion um Identitätspolitik, Herrschaftsverhältnisse, Schutzräume, Unterdrückungserfahrungen und sinnvollen Arten damit Politik zu machen gibt, stört es mich gerade nicht so sehr wie sonst. 

Zum anderen steht es für mich für eine klischeehafte Form von Weiblichkeit, deren Zuschreibung auf meine Person ich immer als Zumutung empfunden habe. Ich hasse Hello Kitty.  Für mich ist es ein Symbol eben jener Ordnung, die mir die Luft zum atmen nimmt und die Vorraussetzung für extrem schmerzhafte Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt bedeutet. 

Es fällt mir schwer zu akzeptieren, dass es für andere das genaue Gegenteil symbolisiert, zumal ich an die politische Strategie, die dahinter steckt, nicht wirklich glaube. 

Zur Erinnerung: Keine Patente an Farbtönen!

 

https://de.wikipedia.org/wiki/Farbmarke

http://maennerschwarm.de/Verlag/htdocs/queer_zur_norm.html

 

..Queer ist in vieler Munde - vielleicht auch, weil jede und jeder darunter etwas anderes versteht. Anfangs war dieses US-amerikanische Wort nur als abwertender Begriff für zumeist schwule Männer gebräuchlich, später, in den 1990er Jahren, fand er Eingang in die Wissenschaft als Gegenbegriff zur Heteronormativität und wurde in diesem Sinne von Aktivist_innen positiv angeeignet. Damit nahm der Begriff eine ähnliche Wandlung wie z.B. gay oder schwul. Doch so leicht ist es mit queer nun auch wieder nicht. Es konkurrieren verschiedene, zum Teil widersprüchliche Verwendungsweisen (!) und Definitionen des Begriffs. Zum einen wird der Begriff als Sammelkategorie für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle, Transgender und Intersexuelle (kurz und damit um so unverständlicher: LSBT*I) benutzt, ist also eine Art Oberbegriff für alle nicht heterosexuellen-heteronormativen Sexualitäten und Geschlechter und kann auch als Bezeichnung eines Lifestyles gelten. So erhielt beispielsweise das Berliner Stadtmagazin Siegessäule den Untertitel Queer Berlin. Zum anderen wird der Begriff mit einer theoretischen und politischen "Aufladung" verwendet. Queer wird als Kampfbegriff verstanden, der grundlegend die heteronormative Gesellschaftsordnung infrage stellt. In diesem Sinne kennzeichnet er eine Form des Aktivismus (Queer politics) und ein Forschungsfeld und -projekt (Queer theory).

Ich hab eine (wirklich ernst gemeinte) Frage an die Autor_innen. Im Text heißt es, »queer« sei ein »Sammelbegriff für all jene [...], die sich außerhalb der Norm bewegen: Und das sind immer noch Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle, Transgender und Intersexuelle (LGBTI).« Meinem Verständnis nach fallen unter den Begriff ›Transgender‹ z.B. auch Drag Queens, Drag Kings, sowie Menschen, die Cross Dressing betreiben. Was ist nun, wenn Transgender heterosexuell leben? Sind sie dann nicht queer, weil sie hetero sind?

was mich hier stört, ist die Tatsache, dass jemensch hier sagt: das ist queer und das ist nicht queer. Der Reiz dieses Begriffes liegt doch gerade darin, dass er nicht wieder eine bestimmte diskriminierte Gruppe gegen eine andere abgrenzt und damit zwangsläufig Menschen ausschließt, sondern darin, dass sich unter Queer ALLE Diskriminierten versammeln können.

Hetero/a wird nicht strukturell diskriminert, da gebe ich den Autor_innen Recht. Aber zu Queer gehören auch alle anderen, die wegen Geschlecht/Sexualität/... ausgegrenzt werden.

In eurer Feststellung, dass queer nicht hetero/a ist, schließt ihr leider den fatalen Fehlschluss, dass Queer nur lesbischwultrans ist.

 

ihr vergesst u.a. , wie Tante Dagobert schon erwähnt hat, drag queens & kings, aber auch Polyamorie (ja, dass gehört dazu. Das als klassisch "männlich" gewertete Verhalten, mit möglichst vielen Frauen zu shclafen, hat nämlich nicht viel mit Poly zu tun. Polyamorie bedeutet, mensch kann mehrere Menschen lieben - und dass klassische "Macker-Fick-Verhalten" schließt ja Emotionen weitgehend aus. ) und andere aufgrund ihrer sexuellen Vorlieben diskriminierte Menschen wie z.B. BDSM-Leute, Fetisch, ... aber auch Sexarbeiter_innen...

Jede Form von Körpergeschlecht, Geschlechterrolle und einvernehmlich gelebter Sexualität, die nicht der Heteronormativen Matrix ("Mann über Frau, hetero, Steckernummer als einzig wahrer Sex, ..." entspricht, gehört selbstverständlich zu queer.

* ich habe pansexuell/-sensuell vergessen...

Nochmal ich: und, ja, Schutzräume sind Räume, in denen eine "normalerweise herschende" Gruppe keinen Zugang hat, weil dort ein Rückzugsraum für die ist, die im Alltag ständig den normierenden oder vielleicht auch unmittelbaren Druck dieser Gruppe spüren müssen. Es sollte selbstverständlich sein, dass mensch diese Rückzugsräume respektiert und dort nicht eindringt.

 

Andererseits würde ich einen Schutzraum auch nie "queer" nennen, da dieser Begriff so viele unterschiedliche Bedeutungen hat, sondern eben als "Frauen"-Schutzraum, "LesBiSchwulen" Schutzraum oder als FrauenLesbenTrans*(Inter)-Schutzraum bezeichnen, das vermeidet Missverständnisse.

ich würde sagen, dass alls das queer ist, was heteronormativität nicht zulässt, also würden transgender da eindeutig drunter fallen

schon mal nen Trans*mann mit seiner Freundin gesehen? die evtl ein ehemals lesbisches Pärchen sind?

Ebenso könnte es doch sein, dass ein männlich aussehender Mensch und ein weiblich aussehender Mensch einander lieben, ohne sich als Mann und Frau zu verstehen. Vielleicht sind beide weder*noch*trans und werden einfach nicht so gelesen, weil diese Kategorie in den Köpfen der Menschen in der Regel nicht vorkommt. usw usw usw

solche Paare als hetero zu lesen, ist denkbar, verkürzt aber.

Paare, die so aussehen, als wären sie hetero, auszuschließen, könnte sich also als trans*phob erweisen...

Ich wäre mit Fremdzuschreibungen ja vorsichtiger. 

Ich hab mich ausschließlich auf Menschen bezogen, die ich kenne und nicht irgendwelchen Menschen irgendeine Sexualität zugeschrieben....

Ich kann die Argumente des Artikels gut nachvollziehen, sehe es aber in einigen Punkten etwas kritisch.

 

Queer sein in der Theorie geht doch eigentlich erstmal davon aus, dass wir alle von den herrschenden Geschlechtervorstellungen betroffen sind. Auch ein Macker wurde durch die Gesellschaft sozialisiert und hat in bestimmten Bereichen bestimmte Verhaltensweisen angenommen (ich will diese Menschen nicht durch ein "wurden so sozialisiert" aus der eigenen Verantwortung heraus nehmen), in wie weit sich dieser in seiner Rolle wohl fühlt ist eine ganz andere Frage. Wir können Genderrollen, Genderstereotype und zweigeschlechtliche Muster nutzen um die bestehenden Herrschaftsverhältnisse zu beschreiben, solten aber doch selbst versuchen in eine andere Richtung zu denken. Eine Person, welche sich eher als heterosexuell sieht, Hosen trägt, einen Penis besitzt, aber "sehr nah am Wasser" gebaut ist, ist auch von diskriminierung und ausgrenzung betroffen. Ich möchte diese nicht gleichsetzen mit Jahrhunderte langer unterdrückung der Frau durch patriachiale Zustände oder die Diskriminierung und Hetze gegen Homo-/Bisexuelle oder Transgendern, dennoch finde ich es wichtig zu Begreifen, dass es die strukturellen Verhältnisse sind, die auf allen Ebenen Rollenbilder und Rollenstereotype (re-)produzieren unter denen Menschen leiden.

 

Was ist nun ein queerer Mensch? Wenn wir davon ausgehen, dass es sich nicht nur um Oberflächlichkeiten wie Hello Kitty Haarspangen geht, geht es dann generell nicht um die Kleidung? Ein Typ der ab und zu mal ein Kleid trägt weil er es lustig findet? Eine Merkel die im Anzug auftritt ist sicherlich nicht Queer. Macker  gibt es auch in Homosexuellen Strukturen. Sind diese dann unter Queer zu fassen? Reproduzieren sie nicht auch patriachiale Zustände bzw. patriachial ähnliche Strukturen, wenn sie etwas schmächtigere oder "eher feminine" genauso behandeln, wie Frauen in heterosexuellen Discotheken behandelt werden? Ist die Akzeptanz und das Bilden neuer Stereotype - wie z.B. der "schwule Friseur" - und das bedienen dieser Queer?

 

Ist Queer nicht eher das Grundlegende Verständnis dafür, dass wir alle durch bestehende Herrschaftsstrukturen in Rollenbilder, welcher Art auch immer, reingepresst werden. Diese Stereotype würde ich ungern nur durch Äußerlichkeiten oder Sexuelle Orientierung definiert sehen. Es sind auch Charaktermerkmale und alles andere über welche Dinge sich eine Person definieren lässt. Es geht halt um das Verständnis, dass wir eigentlich alle ein bischen alles sind und nicht biologisch determiniert in bestimmten Rollen feststehen. Es geht dabei um das Verständnis, dass der Mensch selbst die Definitionsmacht über sich hat und sich auch jedentag und jede Stunde selber neu Erfinden darf. Und das alle anderen diesen Menschen immer als Menschen zu respektieren haben.

 

Das innerhalb dieser homophoben, patriachalen Welt für bestimmte Menschen Schutzräume bestehen müssen, aus denen sich auch andere Menschen - so solidarisch sie auch sein mögen - rauszu halten haben, steht für mich außer Frage. Aber diese Schutzraum praktik hat in meinen Augen nichts mit Queer zu tun, sondern ist eine pragmatische Reaktion auf die gegebenen Umstände.