Sachsens Rechtspopulisten im Wartestand

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 Gleich mehrere rechte Splitterparteien wollen bei der Landtagswahl 2014 die Fünf-Prozent-Hürde überspringen. Einige haben sich zu “Pro Sachsen” zusammengeschlossen. Die “Humanwirtschaftspartei” gehört zum selben Klüngel, taktiert aber noch und setzt in der Zwischenzeit auf ordinären Antisemitismus, bei ihren Parteiversammlungen wird eine weitere Radikalisierung gefordert. Der Kurs führt geradewegs in die braune Szene. 


Mit Grass kann man punkten, und sei es nur in einem Leserbrief: “Günter Grass ruft das Volk zum Durchbrechen der politisch korrekten Schweigemauer auf”, spreche “der deutschen Volksseele aus dem Herzen” und rette “die Ehre einer ganzen Dichtergeneration”. Das hat Peter Zimmermann geschrieben. Die Leipziger Volkszeitung (LVZ) veröffentlichte seinen obskuren Meinungsbeitrag am 16. April nebst diesem Schluss: “Wenn das Antisemitismus ist, sind wir alle Antisemiten. Danke, Günter Grass!”


Antisemitischer Aufmerksamkeitstäter


Den Schluss weggelassen hat eine Woche später der SPIEGEL, dort erschien Zimmermanns ansonsten identischer Leserbrief nämlich auch. Ebenso in der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen (HNA), der Braunschweiger Zeitung und der Lausitzer Rundschau. Seinen Leserbrief hatte Zimmermann gleich in dutzendfacher Ausfertigung an Redaktionen zwischen Chiemgau und Hannover geschickt. Wo immer der Text abgedruckt wurde, landete er – wie auch bei LVZ und SPIEGEL – gleich ganz oben.

 

Dabei ist Zimmermann kein Unbekannter. Der Drucker aus Ottendorf-Okrilla, geboren in Dresden, ist ein umtriebiger Autor eines aussterbenden Genres: Seit Jahren produziert er am laufenden Band Leserbriefe, kommentiert darin besonders gern die israelische Politik, Finanzkrise und Staatsschulden. Überhaupt nicht vom Aussterben bedroht ist aber Zimmermanns Ansicht, dass all das eng zusammenhängt und das Werk von Juden sei:

 

“Goldman-Sachs-Chef Lloyd Blankfein selbst gab uns den entscheidenden Hinweis, als er unlängst verkündete, nur ‘Gottes Werk’ zu verrichten. Damit würde ein Blick ins Alte Testament genügen, um die Beweggründe des Festhaltens am Zinsgeldsystem zu erfahren” – der SPIEGEL druckte das vor zwei Jahren, bei der HNA konnte der Sachse kurz darauf präzisieren: “Goldman Sachs hatte schon immer größten Einfluss auf Wirtschaft und Politik. Maximale Spekulationsgewinne sind oberstes Ziel dieser talmudisch inspirierten Gottes-Banker.” Und: “Goldman wird geopfert, damit das Goldene Kalb ‘Zinswirtschaft’ weiterleben kann.” Das Hamburger Abendblatt entschied sich für den Abdruck desselben Textes, der abschließend vor dem “Würgegriff der Zinsknechtschaft” warnt.

 

Mini-Partei mit Tarnkappe


“Zinswirtschaft” und “Zinsknechtschaft” sind seit je die Stichworte einer rechten Kapitalismuskritik und Zimmermanns Lieblingsthema. Mit freilich entschärftem Vokabular brachte er seine Tiraden selbst in der TAZ unter. Abgesandt hatte er seine Zeilen jedes Mal aus der Landesgeschäftsstelle des hiesigen Landesverbandes der Humanwirtschaftspartei, kurz: HWP. Diese Mini-Truppe, der mittlerweile der Parteienstatus entzogen wurde, nennt sich selbst “sozialliberal”.

 

Doch das ist eine Tarnkappe, die HWP propagiert Silvio Gesells so genannte Freiwirtschaftslehre. KritikerInnen monieren daran nicht nur die sozialdarwinistischen Einschläge sowie die einseitige und verkehrte “Kritik”, die sich gegen das “Zinssystem” richtet, während die “Marktwirtschaft” ausdrücklich empfohlen wird. Mehr noch stützte sich der 1930 verstorbene Gesell auf explizit antisemitische Annahmen, indem er “Geldbesesitzer” als Grund allen Übels mit Juden identifizierte. Aus seinem Werk lässt sich auch die NS-typische Unterscheidung von “raffendem” und “schaffendem Kapital” herauslesen. Heutige Gesellianer leugnen das oft, und im Falle der HWP gibt es so wenige Hinweise auf eine kritische Auseinandersetzung wie Zweifel an Zimmermanns judenfeindlicher Expertise. Sie hat ihm jedenfalls genügt, um Landesgeschäftsführer der HWP zu werden.

 

Nominell ist die HWP völlig unbedeutend. Bundesweit soll sie mehr als 300 Mitglieder haben, doch in Sachsen gibt es nur etwa 20 Aktive, deren Parteitage – zum hiesigen Landesverband gehören Sachsen-Anhalt und Thüringen schon dazu – an einen Küchentisch passen. Zur Landtagswahl 2009 schickte die sächsische HWP dennoch einen Direktkandidaten ins Rennen.

 

Bekanntheit erlangte die Partei aber wenn, dann nur über den Umweg des Antisemitismus. So war der Schlagersänger, Esoteriker und Verschwörungstheoretiker Christian Anders der bisher einzige namhafte HWP-Unterstützer. 2005 geriet der wirre Barde in die Schlagzeilen, weil er auf seiner Website den Holocaust verharmlost und die “Protokolle der Weisen von Zion” zur Vorlage eines Liedes gemacht hatte. Kurz darauf verkündete Anders, in die Politik zu gehen – eben zur HWP, weil ihm Gesells Lehren eingeleuchtet hätten.

 

“Radikalere Losungen”


Der HWP brachte das offenbar nichts. In der sächsischen Parteikasse waren vor knapp einem Jahr nicht mal 1000 Euro (unverzinst) hinterlegt, auch deshalb sieht der HWP-Vorstand den geplanten Landtagswahlkampf 2014 in Gefahr. Den möchte namentlich Zimmermann am liebsten nicht mehr mit der HWP, sondern unter dem Dach von “Pro Sachsen” ausfechten. So ist im Protokoll des sächsischen HWP-Sonderparteitags vom 26. November 2011, das GAMMA vorliegt, vermerkt, dass über eine “aktive Mitarbeit in Pro Sachsen mit der Aufgabe des Ziels der eigenständigen Wahlteilnahme” diskutiert worden sei – und ein geschlossener Rückzug der Sachsen aus der HWP angedacht wurde.

 

Zimmermann brach dabei eine Lanze für “Pro Sachsen” und führte aus, “dass der Kampf ums eigene Land mittlerweile nur mit einem solchen Bündnis möglich ist”. In der Diskussion setzten sich dann allerdings “Bedenken wegen schlechter Außenwirkung” durch. Dennoch wolle man künftig auf “radikalere Losungen” setzen. Im Gegenzug zum weiteren Verbleiben in der HWP wolle man aber der Bundespartei “signalisieren, dass wir vor allem deren finanzielle Unterstützung für den kommenden Wahlkampf benötigen.”


Dies umso mehr, weil ein bisher gewichtiger Spender nichts mehr gibt: Georg Otto ermöglichte 2009 den Wahlantritt. Der Altgesellianer wurde 1928 im sächsischen Großenhain geboren, er war später einer der Mitbegründer der Grünen und in den 1970er Jahren zudem Funktionär des “Weltbundes zum Schutz des Lebens” — in einer Zeit, in der die deutsche Sektion dieses Verbandes von Holocaustleugnern, Alt- und Neonazis angeführt wurde. In der Öffentlichkeit positioniert sich die HWP zu solchen Themen freilich nicht.

 

Hinter geschlossenen Türen aber spricht man Klartext: Am letzten Landesparteitag im Juni 2011 nahmen auch Vorständler von “Pro Sachsen” teil, die ihre Kollegen auf den Kampf gegen – wörtlich – “Volksverräter”einschworen, vorzugsweise “unter dem Dach der ‘Pro Sachsen’-Bewegung”. Getroffen wurde der Beschluss, “Deutschland soll alle überstaatlichen Organisationen zum frühestem [sic] möglichen Zeitpunkt verlassen”. Zudem wurden die Deligierten informiert, dass “fruchtbare” Gespräche “mit Wojna, dem Frontmann der Politpopgruppe ‘Die Bandbreite’” stattgefunden hätten; die Band werde künftig auch für die HWP auftreten. Bekannt ist “Die Bandbreite” vor allem in der verschwörungstheoretischen “Truther”-Szene, in der sie wegen nationalistischer, antizionistischer und antiamerikanischer Statements gehypt wird.

 

Ehrung für “300 deutsche Volkssturmmänner”


Wohin die Reise der sächsischen HWP geht, zeigt ihre jüngste Aktion: Am 12. Februar fand “auf Initiative der Humanwirtschaftspartei” eine Kranzniederlegung auf dem Dresdner Heidefriedhof statt. Daran beteiligten sich nach eigener Darstellung auch der DSU-Kreisverband Görlitz, die Freiheitliche Partei Deutschlands (FP), die Sächsische Volkspartei (SVP), Pro Sachsen, das “Bündnis für Freiheit und Demokratie” sowie die Schlesische Jugend Görlitz.

 

Aufschlussreich sind die Details dieses eigenwilligen Bündnisses: Der FP-Vorsitzende Johannes Hertrampf ist bekannt als einstiges DVU-Mitglied und früherer Autor der einschlägigen Zeitschrift “Nation und Europa”; 2006 waren zwei NPD-Landtagsabgeordnete zur FP übergelaufen. Die SVP wurde im selben Jahr von Mirko Schmidt, einem weiteren NPD-Dissidenten, gegründet. Schmidt steht der Partei noch immer vor und ist stellvertretender “Pro Sachsen”-Chef. Die Schlesische Jugend wiederum propagiert eine Revanche gegen Polen und ist in der Hand von Neonazis.

 

Berührungsängste hat die HWP offenbar nicht – im vergangenen Jahr verbreitete sie auf ihrer Website sogar noch die geschichtsrevisionistische und heute ausschließlich von Neonazis vertretene Behauptung, bei der Bombardierung Dresdens im Februar 1945 seien “über 250 000 Einwohner”getötet worden. Die FP zitierte dazu ergänzend den bekannten Geschichtsrevisionisten David Irving.

 

Hinsichtlich des Geschichtsbildes gibt es im “Pro Sachsen”-Netzwerk keine Differenzen – und erst recht keine Abgrenzung nach rechtsaußen. Zuletzt hatte “Pro Sachsen” zu einer Gedenkveranstaltung in Niederkaina bei Bautzen am 23. April eingeladen. Dort ehrte man gemeinsam mit der “Schlesischen Jugend” und dem ebenfalls revanchistischen “Zentralrat der vertriebenen Deutschen” ernstlich“300 deutsche Volkssturmmänner”.

 

Gemeinsam gegen die “Neue Weltordnung”


Mittlerweile kündigt die HWP ihren nächsten Streich an, eine Demonstration am 1. Mai in Dresden. Im vergangenen Jahr folgte einem ähnlichen Aufruf nur eine Handvoll Leute. Dabei wurden illustrierte Postkarten verteilt, “welche uns der bekannte Dresdner Comiczeichner Mamei vom Beatcomix-Label gefertigt hat”. Die Postkarte zeigte eine klassische antisemitische Karrikatur: Ein Banker mit Hakennase verbrennt Geld, an seinem Revers prangt ein “Illuminaten”-Emblem. Eindeutiger geht es kaum.

 

Beziehungsweise: Doch, es geht. Es war wieder Peter Zimmermann, der vor zwei Jahren als politisches Vorbild “unsere ungarischen Freunde” – die neofaschistische Bewegung in Ungarn und die antidemokratische Orban-Regierung – gelobt hat: “ohne großartige Rücksichten auf oppositionelle Kreise zu nehmen” könne dort “die ungarische ‘nationale Revolution’ und der Ausbruch aus dem zinsbasiertem Schuldgeldsystem gelingen”, vermerkte er auf der HWP-Website. Wenn das nicht klappt, empfiehlt die HWP einen roll-back ins Mittelalter, denn der damalige “Lebensstandard der einfachen Menschen, der Tagelöhner und Hilfsarbeiter war beeindruckend”. Die Sächsische Zeitung übernahm in einem Jubel-Bericht über die HWP vom 25. September 2010 nicht nur diese zweifelhafte Einschätzung ohne Kommentar, sondern auch den Schluss, dass “die Macht der Finanzoligarchie […] gebrochen werden muss”.

 

Unlängst hat Peter Zimmermann auf der Website von “Pro Sachsen” die “Neue Weltordnung” als gemeinsamen Feind an die Wand gemalt. “Pro Sachsen” sorgt sich auch, dass “die Überfremdung ungehemmt gefördert und damit auf weitere Sicht der Volkstod herbeigeführt wird” – “natürlich” wegen der “bisher gehätschelten ‘Einwander’”, wegen “Vorderorientalen”“Überfremdungspolitik”und dergleichen aus der rechten Mottenkiste.

 

Angestammte Rassisten


Nach einer längeren Ruhephase profiliert sich “Pro Deutschland” immer deutlicher mit rassistischen Positionen, auch die Vernetzung schreitet voran. Vor einem Monat traf sich Manfred Rouhs, Bundesvorsitzender von “Pro Deutschland”, anlässlich einer DSU-Veranstaltung in Löbau zu einem“konstruktiven Gespräch” mit “Pro Sachsen”-Vertretern. In Görlitz ist kurz darauf die “Regionalgruppe Ostsachsen/Niederschlesien der Bürgerbewegung Pro Sachsen” gegründet worden, nach eigenen Angaben mit 37 Mitgliedern. Im Mai soll eine Dresdner Regionalgruppe folgen und Ende Juni steht ein “Pro Sachsen”-Treffen in Leipzig an, eingeladen wurden auch Vertreter von “Pro Bayern”.

 

Falls eigene Erfolge ausbleiben, gibt es noch den Notnagel NPD. Bereits Ende 2011 schrieb “Pro Sachsen” einen Brief an den “sehr geehrten Herrn Apfel”:

“Es darf nicht um die Größe der Partei gehen, sondern es muß die Erhaltung Deutschlands in seiner angestammten Eigenart im Vordergrund stehen!”

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