Vortrag: Von Bomben zum „Schutz der Bevölkerung“ zum Sturz Gaddafis - Bilanz einer „humanitären Aktion“

Von Bomben zum „Schutz der Bevölkerung“ zum Sturz Gaddafis

Bilanz einer humanitären Aktion

Wann: Donnerstag, 29. September, 19.30 Uhr

Wo: Karlsruhe, Werderstraße 28, Planwirtschaft

Flyer

 

Die offizielle Begründung der Bombardierung Libyens durch die NATO lautete: der libysche Staatschef Gaddafi massakriert sein Volk. Jedem ist sofort klar: Das darf der nicht. Zivilisierte europäische Staatschefs können nicht zulassen, dass ein nordafrikanischer Potentat Bomben wirft und Menschen tötet, da müssen sie schleunigst hin und selbst Bomben werfen, natürlich um Menschenleben zu retten. Die Leichen, die bei ihrer Rettungsaktion selbstverständlich anfallen, zählen entweder zu den Bösen, denen es recht geschieht, oder sie fallen unter Kollateralschäden an Unschuldigen, die halt nicht zu vermeiden sind, wenn Bomberflotten die Freiheit bringen.

Gegen einen „Verrückten“ wie Gaddafi ist – um der Menschlichkeit willen – eben alles erlaubt: Der soll nichts anderes im Sinn gehabt haben, als sein Volk auszulöschen – wollte er etwa, nach vollbrachter Tat, ganz alleine in seiner Wüste auf dem Öl sitzen? So absurde Zielsetzungen lasteten die kriegführenden NATO-Staaten und ihre Medien der libyschen Führung an, die einen bewaffneten Aufstand bekämpfte: Gaddafi wollte siegen und die von ihm geschaffene öffentliche Ordnung wiederherstellen. Dieses Ziel sollte Machtmenschen wie Sarkozy und Kollegen weder verrückt noch verbrecherisch vorkommen: Sie selbst bestehen doch bei jeder Regung von Unwillen im Volk darauf, dass der Staat sich den Forderungen „der Straße“ nicht beugen darf. Und wenn sie ihre Polizisten in den Banlieues um Paris die Aufstände randalierender Jungendlicher niederschlagen oder in Deutschland Jahr für Jahr den fälligen Castor-Transport durchkämpfen lassen, dann produzieren die nur deshalb selten Tote, weil sie keine bewaffneten Kämpfer, sondern bloß ausgegrenzte und verwahrloste Jugendliche bzw. demonstrierende Demokraten in Schach zu halten haben.

Inzwischen wurden, wie in jedem Krieg, die ursprünglichen Rechtfertigungen immer unwichtiger. Solange die aus der Luft bekämpften libyschen Truppen nicht besiegt waren, bewiesen alle Akte ihres Widerstands gegen die Koalition der europäischen Eindringlinge ihr Unrecht, und alle Leichen, die durch Kriegshandlungen anfallen, die Unmenschlichkeit des Feindes.

  •  Bloß – warum wollten die Westmächte Gaddafi, mit dem sie doch jahrelang gute Öl- u. a. Geschäfte gemacht haben, der ihnen bei der Abwehr der Elendsflüchtlinge aus Afrika und, wie man jetzt hört, als Subunternehmer von CIA und MI-5 behilflich war, unbedingt stürzen?

Erklärungsbedürftig ist auch die Art und Weise, wie die Interventionsmächte diesen Krieg vorbereitet und geführt haben. Da gehen Frankreich und Großbritannien erst zur UNO und drängen wochenlang darauf, endlich die Erlaubnis zum Schießen vom UNO-Sicherheitsrat zugestanden zu bekommen. Sobald die USA, die zunächst ablehnen mitzumachen, umschwenken und das Plazet geben, schmieden sie mit ihnen eine Koalition der Willigen. Im sofort darauf begonnenen Krieg leisten die USA mit ihrer überlegenen Militärmacht den wichtigsten Teil des Zerstörungswerks: Sie vernichten Luftabwehr und Luftwaffe des angegriffenen Staates und überlassen den Gegner, der nun im Prinzip gegen die NATO-Mächte wehrlos ist, den Briten und Franzosen. Für ihre Dienste verlangen die hilfreichen Amerikaner freilich, dass die europäischen Kriegstreiber ihr Projekt unter das Dach der NATO stellen. Die aber will gar nicht. Deutschland vor allem, Frankreichs engster weltpolitischer Partner und selbst eine bedeutende Militärmacht im Bündnis, hält von der ganzen Sache nichts und verweigert sogar die weltpolitische Legitimierung des Krieges im Sicherheitsrat. Die NATO, die dann doch will, ist aber nicht bereit, die Aufständischen zum Sieg zu bomben, sondern will nur die Zivilbevölkerung vor Angriffen mit schweren Waffen schützen.

 

Warum organisieren die NATO-Staaten ihre Bombardements gemeinsam und leisten sich daneben zugleich einen heftigen Konkurrenzkampf um die Fragen,  

  • wer von ihnen in diesem Krieg die Führung übernimmt,  
  • wer die Kriegsziele definiert,      
  • wie viel Gewalt genau nötig ist und wer sie einsetzen soll und darf,    
  • wer von ihnen eine libysche Nachkriegsordnung maßgeblich zu bestimmen hat?

Und warum wird hierzulande die Frage der „Verlässlichkeit“ deutscher Außenpolitik diskutiert?