DRadioKultur und DLF zu BurschenLeaks und "Ariernachweis"

Erstveröffentlicht: 
17.07.2011
DeutschlandradioKultur und Deutschlandfunk haben im letzten Monat mehrfach über die Burschis berichtet. Diese Sendungen könnt ihr unten anhören.


Sendezeit: 17.07.2011 23:38

Autor: Heither, Dietrich

Programm: Deutschlandradio Kultur

Sendung: Fazit

Länge: 07:40 Minuten

 


 

16.07.2011 · 06:50 Uhr Radikalisierung bei der Deutschen Burschenschaft Florian Diekmann im Gespräch mit Jürgen Zurheide

Aufgetauchte Papiere weisen auf rechtsextreme Tendenzen in der Deutschen Burschenschaft hin. Die Protokolle zeichnen das Bild eines Verbandes, der eine Minderheit an rechtsextremen Burschenschaften und Bünden überhaupt nicht in den Griff bekäme, sagt Spiegel-Journalist Florian Diekmann.

Jürgen Zurheide: Die rechtsextremen Umtriebe bei den deutschen Burschenschaften, also jener Organisationen, die an Universitäten immer noch anzufinden sind, sorgen ja immer wieder für Schlagzeilen. Kürzlich mussten wir darüber berichten, dass es sogenannte Ariernachweise in diesen Reihen geben soll oder gegeben hat. Dann kamen ja immer die Hinweise, na ja, das sind einige Verwirrte, einige Verirrte innerhalb der Burschenschaften, die den Rest der Gruppe diskreditieren. Ist das wirklich so? Die Frage kann man heute etwas intensiver stellen, denn es sind neue Papiere aufgetaucht, die hat der Kollege Florian Diekmann vom "Spiegel". Der ist jetzt bei uns am Telefon, schönen guten Morgen, Herr Diekmann!

Florian Diekmann: Guten Morgen, Herr Zurheide!

Zurheide: Ja, Herr Diekmann, was haben Sie denn da für Papiere bekommen - die werfen ja ein seltsames Licht, wenn man da drüberschaut -, was haben Sie bekommen und was steht drin?

Diekmann: Wir haben eine ganze Reihe von Papieren bekommen. Wir haben eine Unmenge von Dokumenten aus den letzten zwölf Jahren der Deutschen Burschenschaft, also des Dachverbandes mit insgesamt 120 Mitgliedsbünden erhalten, aus denen sich schon ein einzigartiges Bild zusammensetzt über das Innenleben dieser Deutschen Burschenschaft. Man kann sagen, vor allem kennzeichnet diese Protokolle und gerade in den letzten Jahren auch Strategiepapiere, die eben da uns vorliegen, das Bild eines Verbandes, der eigentlich personell ausgeblutet ist, der unter starkem Mitgliederschwund leidet und der vor allem das Problem hat, dass er eine Minderheit - es ist wirklich eine Minderheit - an rechtsextremen einzelnen Burschenschaften und Bünden eben überhaupt nicht in den Griff bekommt, sondern dass die eine dominierende Rolle im Verband ausüben.

Zurheide: Ohne das jetzt besonders ganz vertiefen zu wollen, geben Sie mal so kleine Beispiele von diesen rechtsextremen Gruppen und ich glaube, so muss man sie ja wohl bezeichnen, wenn man liest, was Sie da schreiben. Was findet man da innerhalb dieses Bundes?

Diekmann: Na ja, es hat eben sehr viel damit zu tun, was eben vor einem Monat für große Aufregung gesorgt hat, diese Anträge, die auf dem Burschentag, also dem jährlichen Parlament der Deutschen Burschenschaft, gestellt wurden, in denen es darum ging, dass eben Nachkommen von nichtdeutschen, wie sie es nennen, Eltern nicht Mitglied in der Deutschen Burschenschaft werden dürfen, und das Ganze eben dann auch begründet wurde mit eigentlich rassetheoretischen Begründungen. Und so in dieser Art finden sich einige Belege innerhalb dieser Dokumente. Das Bemerkenswerte darin ist eigentlich, dass das Entsetzen darüber und die Benennung desselben ja aus der Deutschen Burschenschaft selbst kommen. Das sind interne Dokumente, die vor allem belegen, dass einzelne Bünde und Burschenschaften immer wieder auffallen, durch richtig rassistisches und rechtsextremes Gedankengut, wie das eben wörtlich in diesen Berichten selbst genannt wird. Und es kommt mitunter eben auch zu Ausfällen auf den Burschentagen gegenüber anderen Burschenschaften selbst. Es gibt den Fall eines dunkelhäutigen Mitglieds einer Burschenschaft, der vor zwei Jahren auf dem Burschentag 2009 eben auch rassistisch diskriminiert wurde auf so einem Burschentag, und in dieser Form findet man einige Vorfälle. Im Großen gesehen, besteht eigentlich die rechtsextreme Fraktion innerhalb der Deutschen Burschenschaft vor allem aus einer Untergruppierung, die sich Burschenschaftliche Gemeinschaft nennt und die gerade ihr 50-jähriges bestehen feiert. Und das sind etwa 40 Bünde, die zur Hälfte aus Deutschland und Österreich kommen, die eigentlich nur ein Alleinstellungsmerkmal innerhalb dieses Verbandes haben, von Anfang an, das steht so in ihrem Gründungsprotokoll, nämlich die absolute Betonung des volkstumsbezogenen Vaterlandsbegriffs, und dahinter steckt nichts anderes als eben die Betonung genau dieser abstammungshergeleiteten Definition des Deutschseins. Und daraus leiten sich natürlich viele andere rechtsextreme Positionen ab.

Zurheide: Die Kollegen der "Frankfurter Rundschau" haben heute wohl in ihrer Samstagsausgabe einen Hinweis, dass in einem der Schreiben zu lesen ist, wie während eines jeden Burschentages war auch dieses Mal wieder lautes Sieg-Heil-Geschreie im Brunnenkeller zu hören. Das ist so die Diktion, in der das stattfindet?

Diekmann: Das lässt sich vermuten. Ich kann nur sagen, was aus den Dokumenten hervorgeht, und es gibt Entsetzen über das Verhalten einiger Burschenschaften und auch ganzer Bünde auch bei öffentlichen Veranstaltungen, die eben auch das Ansehen des Verbandes stark in den Schmutz ziehen, so wird das empfunden. Und das wird dann schon so ausgedrückt, dass es zum Beispiel Verhaltensweisen oder auch Redewendungen sind, die gerade noch so am Rand des Erlaubten sind und gerade noch geschickt versucht wird, solche Dinge wie wirklich offensives Sieg-Heil-Gegröle zu vermeiden, sozusagen Dinge, die ich schlecht nachprüfen kann, weil ich natürlich bei diesen Gegebenheiten nicht vor Ort war. So etwas wird aber immer wieder berichtet, und wie gesagt, die Dokumente lassen den Rückschluss zu, dass es genau Vorfälle dieser Art sind.

Zurheide: Kommen wir doch mal zu der Frage, wie der Oberverband der Deutschen Burschenschaft, von dem Sie sagen, dass die meisten das eben genau nicht wollen, versuchen, mit diesen Rechtsauslegern umzugehen. Ist das aus Ihrer Sicht ernst gemeint, dass man das eindämmen will?

Diekmann: Das ist durchaus ernst gemeint, man muss sich aber ganz genau ansehen, wer das eigentlich eindämmen möchte und wie dieser Dachverband der Deutschen Burschenschaft überhaupt organisiert ist. Man darf sich das nicht vorstellen wie ein straff zentral organisierten Verband, wenn man das vergleicht - auch wenn das natürlich ein bisschen schwierig ist - mit dem Deutschen Fußballbund, wo man eine starke Zentrale hat und wiederum Landesverbände. Die Deutsche Burschenschaft ist vielmehr eigentlich ein sehr loser Zusammenschluss der einzelnen Burschenschaften. Für ein Mitglied einer solchen Burschenschaft gibt es zuerst mal vor allem und im Vordergrund stehend die eigene Burschenschaft, und der Dachverband der Deutschen Burschenschaft, der ist für die meisten weit weg. Das ergibt sich auch aus Gesprächen, die man mit einzelnen Burschenschaftlern führt. Und es gibt eben überhaupt gar keine Organisationsform eigentlich innerhalb dieser Burschenschaft, die es ermöglichen würde, hier wirklich auch konzertiert vorzugehen. Das Problem, das die wenigen eher liberal ausgerichteten und auch hier stark engagierten Bünde haben, ist eben, dass sie sich nicht so gut organisiert haben und organisieren konnten, wie eben diese burschenschaftliche Gemeinschaft, die halt 40 Bünde umfasst. Die eine Minderheit darstellt, aber eben die dominierende Minderheit darstellt. Der Rest der Deutschen Burschenschaft ist eben eine sehr stark zersplitterte Landschaft an untereinander befreundeten Mitgliedsbünden, aber das sind oft nur Kartelle von vier oder fünf Mitgliedsbünden und nichts, was eine geschlossene Einheit eben gegen diese rechtsextremen Ausfälle darstellen kann.

Zurheide: Das heißt, wenn ich da jetzt einen Strich drunterziehe, Herr Diekmann, ist es wahrscheinlich schwierig, auch für diejenigen, die so was nicht wollen, das zu verhindern, oder?

Diekmann: Es ist ihnen bisher noch überhaupt nicht geglückt. Es ist sehr aufschlussreich, wenn man in das Strategiepapier der sogenannten Stuttgarter Initiative guckt, beziehungsweise in Protokolle und deren Sitzungen. Die Stuttgarter Initiative ist eben ein Zusammenschluss von einer Handvoll - das sind fünf, sechs, sieben Bünde, die sich eigentlich dieser starken rechtsextremen Minderheit der Burschenschaftlichen Gemeinschaft entgegenstellen möchten. Und in diesen Protokollen springt einem eigentlich die Hilflosigkeit entgegen. Man ist fassungslos über das, was eben gefordert wird, über das, was in Anträgen begründet wird, man ist vor allem aber fassungslos darüber, dass das im Rest des Verbandes bei den anderen Mitgliedsbünden, die eben weder der Burschenschaftlichen Gemeinschaft angehören noch der Stuttgarter Initiative, dass das keinen Aufschrei erzeugt.

Zurheide: Das war Florian Diekmann, Kollege beim "Spiegel", über rechtsextreme Umtriebe in einem Teil der Deutschen Burschenschaft. Ich bedanke mich für das Gespräch! Auf Wiederhören, tschüss!

Diekmann: Danke, tschüss!

 


 

17.06.2011 
Billig wohnen, trinken, unterordnen
Beratungstelefon "Falsch verbunden" für Burschenschaftler Asta-Mitarbeiterin im Gespräch mit Manfred Götzke

Viele Studenten rutschen über günstige Zimmerangebote in eine Verbindung "und sind dann überrascht, was da noch alles passiert", berichtet eine Mitarbeitern des Beratungstelefons "Falsch verbunden" des Asta Göttingen.

Manfred Götzke: Dass die deutsche Burschenschaft alles andere als - sagen wir mal - linksliberal ist, ist ja kein Geheimnis. Jetzt hat dieser Dachverband von 120 Burschenschaften aber etwas ins Spiel gebracht, das selbst erzkonservativen Studenten zu rechtsradikal ist: eine Art Arier-Nachweis. Nur noch Studierende deutscher Abstammung, also Kinder deutscher Eltern, sollen in Zukunft Mitglied werden, wenn dieser Antrag auf dem Burschentag in Eisenach tatsächlich verabschiedet werden sollte. Das ist wie gesagt auch für viele Burschenschaftler zu viel und könnte zur Spaltung des Verbandes führen, und so manchen dürfte das auch zum Austritt aus seiner Studentenverbindung bewegen. Allerdings fällt es Burschenschaftlern nicht leicht, denn eine Verbindung ist schließlich so eine Art Lebensbund. Der Asta der Uni Göttingen bietet deshalb ein Beratungstelefon für Verbindungsstudenten an mit dem passenden Namen "Falsch verbunden!". Und mit einer Mitarbeiterin, die namentlich nicht genannt werden möchte, möchte ich jetzt sprechen. Warum ist es für Burschenschaftler so schwer, auszusteigen? Weil der Herr Vater als "alter Herr" auch in der Verbindung mitmischt?

Asta-Mitarbeiterin: Das kann durchaus auch ein Grund sein, dass einfach die Familie da auch eingebunden ist und natürlich dementsprechend negativ reagieren würde. Andere Gründe können aber auch einfach sein, dass das soziale Umfeld hauptsächlich in der Verbindungsszene organisiert ist, und man dann einfach plötzlich ohne Freunde da steht. Es gibt ganz verschieden Gründe, die das ganze erschweren.

Götzke: In jedem Fall ist es ein harter Schritt.

Asta-Mitarbeiterin: Ja, das würde ich schon sagen. Nicht für jede Person, das würde ich gar nicht behaupten, aber es gibt auf jeden Fall Leute, denen das schwerfällt und die da Unterstützung gebrauchen können.

Götzke: In manchen Studienfächern - Jura oder Medizin - sind ja recht viele Studierende oder auch Absolventen in einer Verbindung, und oft sind das ja auch die Leute, die im Berufsleben einen gewissen Einfluss haben. Ist das auch ein Grund für Mitglieder, sich den Austritt dreimal zu überlegen.

Asta-Mitarbeiterin: Ich denke schon, dass das mit reinspielt. Man kann dadurch auf jeden Fall bevorzugt werden oder kann durch Kontakte bestimmte Positionen erreichen. Ich denke schon, dass das mit reinspielt, wenn sich Leute überlegen, ob sie austreten oder nicht.

Götzke: Aus welchen Gründen wollen die Burschenschaftler, mit denen Sie reden, denn aussteigen?

Asta-Mitarbeiterin: Es gibt gar nicht unbedingt so viele Leute, die wirklich direkt aussteigen wollen. Es ist ja auch kein wirkliches Ausstiegstelefon, sondern erstmal nur ein Beratungsangebot. Oft sprechen wir mit Leuten, die halt erst mal nur ihre Probleme, die sie in den Verbindungen haben, mit uns reflektieren wollen und dort erst mal Lösungen suchen. Wir raten auch nicht sofort zum Ausstieg, sondern das muss die Person schon selber entscheiden. Wir treffen keine Entscheidung zur Person, sondern helfen ihnen zu reflektieren, ob das eine richtige Lösung wäre.

Götzke: Was sind das denn für Probleme, die Sie da zu Ohren bekommen?

Asta-Mitarbeiterin: Das ist schon, wie wir uns das vorher durch kritische Auseinandersetzung mit Verbindungen erarbeitet haben, solche Sachen wie das konservative Weltbild, zum Teil patriarchale Frauenbilder, zum Teil auch Homophobie. Sachen, die wir auch schon zu hören bekommen haben, ist natürlich der übermäßige Alkoholkonsum, straffe Hierarchien, dass man sich einfach gerade in den ersten zwei Jahren sehr unterordnen muss. Und damit kommen halt auch nicht alle zurecht, die da durch - zum Beispiel - billige Wohnangebote erst mal reingerutscht sind.

Götzke: Wieso sind denn so viele Verbindungsstudenten falsch verbunden? Wissen die nicht, worauf man sich einlässt, wenn man in eine Verbindung eintritt?

Asta-Mitarbeiterin: Nein, das ist wahrscheinlich zum Teil erst mal ganz nett. Grade diese Wohnanzeigen, bei zum Beispiel wg-gesucht, einem Internetportal, die schreiben darüber zum Beispiel gar nichts. Da geht es einfach nur darum, dass man nett zusammenwohnt, dass es recht billig ist, dass man zum Teil eine Bibliothek oder einen Billardraum zur Verfügung gestellt bekommt, und dann ist man zum Teil überrascht, was da noch eigentlich alles passiert.

Götzke: Und was ist das, was da noch alles passiert?

Asta-Mitarbeiterin: Wie zum Beispiel solche Trinkgelage wie die Kneipe, oder in manchen Verbindungen werden ja auch Mensuren gefochten, zum Teil sogar verpflichtend, und damit kommen nun mal nicht alle zurecht.

Götzke: Was jetzt aus dem Dachverband deutsche Burschenschaft an die Öffentlichkeit gekommen ist, der Skandal um den Arier-Nachweis, das ist ja wirklich sehr erschreckend und auch extrem. Wenn Sie mit den Burschenschaftlern sprechen, hören Sie da häufiger von solchen rechtsradikalen Ausfällen?

Asta-Mitarbeiterin: Davon haben wir noch nicht so viel gehört. In Göttingen gibt es auch nur zwei Burschenschaften, die im Dachverband der deutschen Burschenschaft drin sind. Aber es kann natürlich durchaus sein, dass sich die Leute einfach noch nicht gemeldet haben.

Götzke: Jetzt muss man ja zur Ehrenrettung sagen, es sind ja bei weitem nicht alle Studentenverbindungen rechts oder rechtsradikal. Wie finde ich denn heraus, wenn ich mich für eine Verbindung interessiere, was für eine Gesinnung die hat?

Asta-Mitarbeiterin: Die haben ja oft auf ihren Homepages auch stehen, in welchen Dachverbänden sie drin sind. Und wenn man sieht, dass die zum Beispiel im Coburger Konvent oder in der Deutschen Burschenschaft organisiert sind, dann kann man sich schon seinen Teil denken, meistens. Es gibt durchaus andere, die aber trotzdem ein konservatives Weltbild vermitteln, wo zum Teil auch rechte Tendenzen zu finden sind, die aber nicht so rechtsradikal sein müssen wie zum Beispiel die Deutsche Burschenschaft.

Götzke: Wie können Sie denn weiterhelfen, wie beraten Sie?

Asta-Mitarbeiterin: Wir helfen erstmal dabei, wirklich Probleme, die die Studierenden haben, mit ihnen zu reflektieren, zu besprechen, arbeiten aber auch zum Teil mit anderen Beratungsorganisationen zusammen, zum Beispiel in Göttingen mit der psychosozialen Beratungsstelle, und leiten dann auch an diese weiter, zum Teil auch an die Rechtsberatung vom Asta, weil wir erst mal wirklich nur ein Erstkontakt sind, und Sachen, die dann schwerwiegender sind oder wo wir dann nicht mehr weiterhelfen können, da verweisen wir halt an andere Organisationen.

Götzke: Also, wenn Sie in einer Burschenschaft sind und damit nicht so glücklich - es gibt das Beratungstelefon "Falsch Verbunden!" und die Nummer lautet 0551 39 222 68, zu erreichen jeden Montag von 11 bis 12 Uhr.

 


 

17.06.2011 
"Keine Abgrenzung nach rechts"
Politikwissenschaftlerin: Rechtsextreme Aktivitäten bei sehr vielen Burschenschaften Alexandra Kurth im Gespräch mit Christoph Heinemann

In der Deutschen Burschenschaft gibt es nach Ansicht der Gießener Politikwissenschaftlerin Alexandra Kurth rechtsextreme Positionen. Der Verband, dem Studentenverbindungen in Deutschland und Österreich angehören, habe Mitglieder aus der NPD, die er obendrein in der Verbandszeitschrift über Seiten hinweg zu Wort kommen lasse.

Christoph Heinemann: Ariernachweis, dieses Wort klingt nach einer Zeit, die Vernunft begabte und zum Mitleid fähige Menschen niemals wieder erleben oder niemals erleben möchten. Dieser Begriff ist nun aufgetaucht im Zusammenhang mit der Kritik an Zuständen in der Deutschen Burschenschaft. Es geht um eine Studentenverbindung, die zur sogenannten Deutschen Burschenschaft gehört, zu diesem Dachverband, und um den Versuch, diese Mannheimer Verbindung aus diesem Dachverband auszuschließen, weil sie einen chinesisch-stämmigen Studierenden aufgenommen hatte. Nach Angaben der Deutschen Burschenschaft ist das Bekenntnis zur deutschen Kultur, zur deutschen Staatsangehörigkeit und die Abstammung eine entscheidende Anforderung an Bewerber. Der Nachweis deutscher Eltern soll allerdings doch keine zwingende Voraussetzung für eine Mitgliedschaft sein. Das gab der Sprecher der Burschenschaft zu Beginn der Mitgliederversammlung in Eisenach bekannt.

Am Telefon ist jetzt die Politikwissenschaftlerin Alexandra Kurth von der Universität Gießen. Sie hat über Studentenverbindungen gearbeitet. Guten Morgen!

Alexandra Kurth: Guten Morgen!

Heinemann: Frau Kurth, gibt es in diesem Verband extremistische Positionen?

Kurth: Ja! Es gibt in der Deutschen Burschenschaft extremistische Positionen, zumindest wenn man die herkömmliche Definition von Extremismus zugrunde legt. Die Deutsche Burschenschaft interpretiert das anders. Die Deutsche Burschenschaft fasst ganz offenkundig die Positionen der NPD nicht als extremistisch auf. Das ist schon relativ lange so, schon Anfang der 1970er-Jahre gab es einen Antrag von liberalen Burschenschaften, die Mitgliedschaft unter anderem in der NPD für unvereinbar zu erklären mit der Mitgliedschaft in der Deutschen Burschenschaft. Dafür gab es keine Mehrheit auf dem damaligen Burschentag, ...

Heinemann: Und da gibt es Schnittmengen?

Kurth: ..., wohl aber eine Mehrheit für einen Antrag, der beschloss, dass die Mitgliedschaft in extremistischen Vereinigungen mit der Mitgliedschaft in der Deutschen Burschenschaft unvereinbar ist.

Heinemann: Michael Schmidt, wir haben ihn gerade gehört, der sagt, der Name Deutsche Burschenschaft ist nicht geschützt und politisches Engagement ist Sache jedes Einzelnen.

Kurth: Diese Aussage von Herrn Schmidt habe ich ehrlich gesagt nicht so wirklich verstanden, weil die Deutsche Burschenschaft ist ja ein Verband, und es ist ja nicht so, dass andere Organisationen unter dem Etikett Deutsche Burschenschaft extreme Positionen vertreten, sondern das sind ja Mitgliedschaften der Deutschen Burschenschaft.

Heinemann: Wie definieren Sie Extremismus und wie legt die Deutsche Burschenschaft diesen Begriff fest?

Kurth: Der Begriff extremistisch ist ja ein Begriff des Verfassungsschutzes und nach dem Verfassungsschutz sind extremistische Positionen solche, die sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung richten, und die NPD als Partei wird jährlich im Verfassungsschutzbericht [aufgeführt], folglich ist es eine extremistische Partei. Und wenn die Deutsche Burschenschaft Mitglieder aus der NPD hat, die sie obendrein in ihrer Verbandszeitschrift über Seiten hinweg zu Wort kommen lässt, dann werden doch selbstverständlich extremistische Positionen in der Deutschen Burschenschaft vertreten.

Heinemann: Aber sind diese Positionen auch Zielsetzung der Deutschen Burschenschaft?

Kurth: Die Deutsche Burschenschaft ist jetzt keine Organisation, die eine parteipolitische Festlegung hätte. Sie ist ein politischer Verband, sie ist parteipolitisch formal neutral, aber sie ist ein Verband, der eben keiner Abgrenzung nach rechts folgt.

Heinemann: Gibt es denn einzelne Verbindungen in diesem Dachverband, einzelne Studentenverbindungen, denen man ganz klar verfassungsfeindliche Ziele nachweisen kann?

Kurth: Wir haben ja eine ganze Reihe von Skandalen gehabt, beispielsweise in München bei der Danubia München, aber auch in Österreich, weil ja auch österreichische Burschenschaften Mitglied in der Deutschen Burschenschaft sind. Beispielsweise die Burschenschaft Olympia Wien war zeitweilig in Österreich sogar verboten wegen NS-Wiederbetätigung, wurde dann wieder zugelassen, ist Mitglied in der Deutschen Burschenschaft, hat jetzt auch quasi beim jetzigen Burschentag einen Antrag gestellt. Wenn wir in Hamburg gucken, die Burschenschaft Germania, in Köln die Burschenschaft Germania, hier in Gießen die Burschenschaft Dresdensia-Rugia. Also es gibt quasi in sehr, sehr vielen Städten entsprechende Skandale um rechtsextreme Aktivitäten von Burschenschaften. Das heißt nicht, dass es bei allen Burschenschaften der Fall ist, aber bei sehr, sehr vielen.

Heinemann: Wir müssen aber jetzt zur Ehrenrettung sagen: Diese Deutsche Burschenschaft, das ist ein Dachverband, und es gibt viele andere, in denen wiederum andere Studentenverbindungen organisiert sind. Nicht jede Studentenverbindung ist per se irgendwie extremistisch, rechtsradikal, konservativ oder sonst was.

Kurth: Nein! Nein, damit würde man den anderen sehr, sehr Unrecht tun, wenn man das behaupten würde. Die Deutsche Burschenschaft ist ein Verband, sie ist ein großer Verband. Aber es gibt eine ganze Reihe von anderen Verbänden, die nicht rechtsextrem sind. Von den Verbänden hört man manchmal sehr, sehr wenig, manche äußern sich sehr klar, zum Beispiel die Neue Deutsche Burschenschaft, eine Abspaltung der Deutschen Burschenschaft, die sich jetzt dieses Wochenende hier in Gießen zu ihrem Burschentag trifft und die heute eine Presseerklärung vorgelegt hat, wo sie sich ganz klar distanziert von der Deutschen Burschenschaft und dem Rechtsextremismus in der Deutschen Burschenschaft. Das würde man sich von noch mehr Verbänden wünschen. Die Corps haben das auch gemacht, sehr, sehr klar. Viele andere Verbände halten sich bedeckt und geraten dadurch ein Stück weit mit in diese Kritik, weil man sie im Prinzip nicht als eigenständig wahrnimmt.

Alexandra Kurth ist Politikwissenschaftlerin an der Uni Gießen und Autorin des Buches "Männer - Bünde - Rituale. Studentenverbindungen seit 1800".

 


 

16.06.2011
Burschenschaften und ihr Rechtsruck Von Blanka Weber, Landesstudio Thüringen

Bei ihrem Treffen in Eisenach wollten die Deutschen Burschenschaften über einen Antrag zum Ausschluss eines Mitglieds mit chinesischen Eltern abstimmen. Das sorgte für Empörung, der Antrag ist inzwischen vom Tisch, doch das öffentliche Ansehen der Burschenschaft hat gelitten.

"Die Deutsche Burschenschaft versteht sich sicherlich als Vertreter des Deutschen Volkes. Dass die Nation für uns ein positiver Bezugspunkt darstellt, als ordnungspolitische Einheit, ist unbestritten. Nationalistisch sicherlich nicht, deutsch-national würde wohl ein Begriff sein, der bei uns unbefangen in den Mund genommen wird, wenn er denn anständig erklärt wird."

Michael Schmidt ist zuständig für den Kontakt zur Presse, seit gestern in Eisenach. Das Telefon stand nicht still. Kein Kommentar gestern, man wollte sich erst mit der Verbandsratssitzung, dem obersten Gremium der Deutschen Burschenschaft, beraten.

Heute nun, angesichts des öffentlichen Interesses, ein Bemühen um Klarheit. Der umstrittene Antrag zur Abstammung eines Mitgliedes wird nicht debattiert. Das Thema ist jedoch nicht vom Tisch. Stein des Anstoßes: Ein Mitglied deutscher Staatsbürgerschaft - allerdings mit chinesischen Eltern - sollte ausgeschlossen werden. Begründung: Die Abstammung.
Ein heikles Thema nach wie vor bei den Burschenschaften, auch wenn darüber in Eisenach nicht öffentlich abgestimmt werden soll. Michael Schmidt:

"Die Abstammung ist aber nicht das alleinige Merkmal. Unter Abstammung verstehen wir, dass sie von deutschen Volksangehörigen abstammen, und identifizierendes Merkmal ist heute überwiegend natürlich die deutsche Staatsbürgerschaft."

Dies trifft bei dem intern umstrittenen Fall zu. Das öffentliche Ansehen der Burschenschaft hat gelitten, auch wenn der Fall des chinesisch-stämmigen Mitgliedes nun vom Tisch scheint:

"Die Burschenschaft Hansea zu Mannheim hat genau solch einen Menschen aufgenommen und der Antrag auf Ausschluss wurde zurück genommen und die Burschenschaft Hansea Mannheim, das ist auch festgestellt durch den Rechtsausschuss, hat diesen chinesisch-stämmigen Mann, der sich zu Deutschland bekennt, aufgenommen, und das ist rechtens, der ist Mitglied in einer Mitgliedsvereinigung der Deutschen Burschenschaft und das ist unbestritten."

Unbestritten ist auch, dass die Burschenschaften in ihren eigenen Reihen stark rechtsorientierte Mitglieder haben. Der Name sei leider nicht geschützt, sagt Michael Schmidt, gegen die Haltung einzelner Gruppierungen könne man nichts machen. Es gebe jedoch ein ausdrückliches Bekenntnis gegen Rechts. Aber auch das politische Engagement - wo auch immer - ist Sache des Einzelnen:

"Wir werden das nicht bewerten, weil das in die Meinungsfreiheit des Einzelnen gehört. Für uns ist wichtig: Extremistische Positionen haben im Verband nichts verloren und keine Mehrheit und Sie werden dahin gehend auch nichts finden."

Der Verfassungsschutz blickt auf einzelne Gruppierungen, wie im Thüringischen Jena. Die Burschenschaft Normannia ist kein Mitglied der bundesweiten Vereinigung "Deutsche Burschenschaft" - und wird seit Jahren vom Verfassungsschutz beobachtet. Gründe gebe es genug, sagt Thomas Sippel, Präsident des thüringer Verfassungsschutzes:

"Die Gesamtheit der vorliegenden Erkenntnisse rechtfertigt diese Einschätzung. Erstens: Die Mitgliedschaft aktiver Rechtsextremisten in der Burschenschaft Normannia. Zweitens das Auftreten von rechtsextremistischen Referenten bei Veranstaltungen dieser Burschenschaft und drittens auch die Nutzung einer rechtsextremistischen Anlaufstelle in Jena."

Spannend werde jetzt sein, wie sich die Deutsche Burschenschaft öffentlich zum Thema Menschenrechte und Rechtsstaatsprinzip äußert. Erst dann werde man aktiv, sagt der Thüringer Verfassungsschützer:

"Ich denke, dass zunächst die Burschenschaft selbst erstmal klären müssen, wie sie mit dem Umstand umgehen wollen, dass sie die Aufnahme in die Burschenschaften von der Herkunft abhängig machen wollen. Das ist eine Frage der internen Verfasstheit. Das ist eine Frage, die sie selbst klären müssen. Es ist natürlich auch eine Frage, die unsere Gesellschaft insbesondere berührt, nämlich, ob es gerechtfertigt ist, bestimmte Personen, von der Teilnahme an gesellschaftlichen Aktivitäten auszuschließen und die dritte Frage, die zu entscheiden wäre, ob denn tatsächlich dann auch die Beobachtungsvoraussetzung für den Verfassungsschutz vorliegen."

Bis Sonntag wollen die Burschenschaften in Eisenach debattieren, mit Boykott ist am Rande zu rechnen.