Jugendrevolte in Spanien "Wir haben keine Zukunft"

Erstveröffentlicht: 
17.05.2011

Spaniens Jugendliche und Studenten rebellieren gegen die schlechten Zukunftsaussichten. Der Protest, der in allen größeren Städten stattfindet, wird übers Netz organisiert.

 

MADRID taz | Die Facebook-Revolte ist in Spanien angekommen. Unter dem Motto "Echte Demokratie – Jetzt!" versammeln sich seit dem Wochenende in allen größeren Städten des Landes Zehntausende von Jugendlichen. In Madrid demonstrierten am Sonntag rund 40.000 Menschen, in Barcelona etwa halb so viele. In weiteren 58 Städten wurden Kundgebungen abgehalten. Selbst an britischen Universitäten kam es zu spontanen Solidaritätsaktionen spanischer Auslandsstudenten. Die Veranstalter zählten insgesamt 130.000 Teilnehmer. In Madrid wurde ein Protestcamp errichtet, das die Polizei in der Nacht zu Dienstag räumte.

 

"Wir haben keine Zukunft", heißt eine der Hauptklagen der Teilnehmer. Spanien hat eine Arbeitslosenquote von 20 Prozent. Bei jungen Menschen ist sie mehr als doppelt so hoch. Immer mehr junge, spanische Akademiker suchen ihre Zukunft im Ausland.

Nach dem Immobilienrausch der letzten Jahre, ist das Erwachen böse. Spaniens Regierung unter dem Sozialisten José Luis Rodríguez Zapatero kürzte Beamtengehälter und Sozialleistungen, um den Anforderungen der Finanzmärkte gerecht zu werden. Die konservative Opposition, die bei den Umfragen für die Regional- und Kommu8nalwahlen am kommenden Sonntag vorn liegt, wird diesen Kurs eher noch verschärfen.

 

"Wir sind keine Ware in den Händen der Politiker und Banker", beschwert sich einer der Organisatoren in Madrid. "Wir wollen nicht für ihre Krise bezahlen", lautete einer der Sprechchöre.

 

Die Verärgerung über die politische Klasse als solche ist groß. Bei den Regional- und Kommunalwahlen stellen sich über 250 Kandidaten aller Parteien zur Wahl, die wegen Korruption angeklagt oder gar schon in erster Instanz verurteilt sind. "No les votes" - "Wähle sie nicht", heißt es auf einer Internetseite, auf der korrupte Politiker mit Name, Parteizugehörigkeit, Gemeinde und den ihnen vorgeworfenen Delikten aufgelistet wird. Die meisten haben sich in den Jahren des Baubooms bereichert. Ein Wahlgesetz, das die großen Parteien begünstigt, lässt kaum Platz für neue Strömungen.

 

In Madrid errichteten die Protestierenden nach der Demonstration vom Sonntag auf dem zentral gelegenen Platz Puerta de Sol ein Camp. Um die hundert Menschen übernachteten dort. Tagsüber wuchs die Gruppe auf über 1.000 an. In ständigen Versammlungen wurde über Politik, die Unzufriedenheit und die Krise debattiert. Bürger brachten spontan Essen vorbei.

 

 

Solidaritätsadressen aus ganz Spanien und selbst aus Kairo und Tunesien laufen auf dem Twitterkanal (acampadasol) ein. Anwohner öffneten ihr Wifinetz für die jungen Menschen auf dem Platz. Diese informierten über Twitter und einen Blog in Echtzeit. Bis Dienstagfrüh: um 5:10 Uhr rückte die Polizei an und räumte den Platz. Versammlungen ab 20 Personen seien genehmigungspflichtig, lautete die Begründung.

 

Damit niemand die Polizeiaktion am Computer verfolgen konnte, wurde die Web-Cam der Stadt Madrid an der Puerta de Sol zuvor weggedreht. In youtube war die Räumung dennoch zu sehen.

 

 

Die Protestierenden wollen nicht aufgeben. "Wir gehen nicht", heißt es im Netz. Um die Mittagszeit zogen Jugendliche vor das Madrider Amtsgericht, um die Freilassung der 19 auf der Demonstration in Madrid verhafteten zu verlangen. Für heute Abend wird zu einer erneuten Versammlung an der Puerta de Sol gerufen. "Wie geht es so in Spanien? - Wir können uns nicht beklagen. - Also gut? - Nein, WIR KÖNNEN UNS NICHT BEKLAGEN!" heißt es zur Räumung auf Twitter.

 

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...jugendliche und studenten sondern auch arbeitslose, arbeiter*innen, alte, hausmänner und hausfrauen etc. 

es ist eine taktik der spanischen presse und des staatlichen(regierungs)fernsehen, dies auf eine jugendrevolte "abzumildern" - die taz macht da mit--- dabei  breiten sich die aktionen mehr und mehr aus--- geht lieber auf die seiten von "toma la calle" #spanishrevolution o.ä.