München will sich wehren

Kulturfest 'München ist bunt' als Protest gegen Neonazis, 2010. Bereits in Fürstenried protestierten zahlreiche Bürger gegen einen Neonaziaufmarsch.
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Erstveröffentlicht: 
11.11.2010

Protest gegen Nazi-Aufmarsch

 

München will sich wehren

 

Von Dominik Hutter und Susi Wimmer

Eine Stadt wehrt sich: Tausende Bürger wollen am Samstag gegen den Aufmarsch der Nazis demonstrieren. Auch die linksextreme autonome Szene macht im Internet mobil.

 

Eine Stadt wehrt sich: Gegen den sogenannten "Heldengedenkmarsch" von Rechtsextremisten wollen am kommenden Wochenende Tausende von Demonstranten in der Innenstadt auf die Straße gehen. Die Veranstaltungen sind zwar an unterschiedlichen Orten angemeldet - es gilt aber als wahrscheinlich, dass wie schon in vergangenen Jahren viele Münchner versuchen werden, den Neonazi-Zug zu verhindern. "Wir werden präsent sein", erklärt der Holocaust-Überlebende Martin Löwenberg. Es zähle zu den wichtigsten Lehren aus der Vergangenheit, dass man sich dem Rechtsradikalismus frühzeitig und entschlossen entgegenstellen müsse. Die Polizei schließt gewalttätige Auseinandersetzungen nicht aus und wird mit etwa 1800 Beamten im Einsatz sein.

Anders als in den vergangenen zwei Jahren hatte die Stadt diesmal gar nicht erst versucht, den "Heldengedenkmarsch" zu untersagen - mangels Aussicht auf Erfolg: Denn die Verbote waren stets vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof wieder kassiert worden, was im Rathaus für Kopfschütteln sorgt: "Mir ist das immer noch unerklärlich", sagt Grünen-Fraktionschef Siegfried Benker. Der Aufmarsch der Nazis knüpfe direkt an eine NS-Tradition an, den 1934 zum Feiertag erhobenen "Heldengedenktag". Auch Oberbürgermeister Christian Ude übte am Dienstagabend am Jahrestag der Reichspogromnacht heftige Kritik an der Haltung des Gerichts.

Zentrum der Gegendemonstration ist der Sendlinger-Tor-Platz. Dort beginnt um 12Uhr eine Kundgebung unter dem Motto "München ist bunt" - zur Teilnahme haben neben der Mehrheit des Münchner Stadtrats auch diverse Bezirksausschüsse und das Münchner Bündnis für Toleranz aufgerufen. Ansprachen halten unter anderen Christian Ude, Weihbischof Engelbert Siebler, Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler, Martin Löwenberg sowie die Stadträte Siegfried Benker, Michael Mattar und Marian Offman. Von 14Uhr an ist im "Gap" in der Goethestraße 34 ein "Kulturfest für Demokratie und Toleranz" geplant.

Die Rechtsradikalen beginnen ihre Veranstaltung am Samstag um 12Uhr am Isartorplatz, sie ziehen weiter Richtung Isar und dann durch die Prinzregentenstraße bis zur Staatskanzlei. Ursprünglich sollte der Spuk am Goetheplatz starten, was den Nazis aber, wie Benker vermutet, zu nah an der Gegendemo war. Die Münchner hatten bereits im Mai einen rechtsradikalen Umzug in Fürstenried gestoppt. Nach Auskunft Benkers wird gegen einige der damaligen Teilnehmer inzwischen wegen Nötigung ermittelt.

Gravierendere Probleme hat freilich Philipp Hasselbach, der den Marsch der Rechtsradikalen organisiert hat: Er wurde am Mittwoch vom Amtsgericht München wegen gefährlicher Körperverletzung zu einem Jahr und acht Monaten Haft verurteilt. Der 23-Jährige hatte einen Gesinnungsgenossen mit einer Bierflasche attackiert. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig - dann drohen Hasselbach zusätzlich zwei Jahre und sechs Monate Gefängnis aus einer früheren Bewährungsstrafe.

Die linksextremistische autonome Szene macht nach Angaben der Polizei im Internet mobil mit Aufrufen zum "Antifa-Actionday". Wie Polizei-Vizepräsident Robert Kopp sagt, rechne man bei einem weiteren Aufzug, der am Platz der Opfer des Nationalsozialismus startet, mit 800 Extremisten, darunter bis zu 600 Autonome. "Gewalttätige Aktionen können wir dabei nicht ausschließen", fügte er hinzu. Die Polizei wolle eine "unmittelbare Konfrontation" zwischen Rechts- und Linksextremen verhindern, "wir werden uns neutral dazwischenstellen". Was die Toleranz von Gewalt anlangt, kündigte Kopp an, werde man eine "niedrige Einschreitschwelle" an den Tag legen.