Weiber und Wasserwerfer

50 Mal Freiburg - Was man hier alles erleben kann
Erstveröffentlicht: 
21.09.2010

Weiber und Wasserwerfer

BZ-SERIE (TEIL 33): Demonstrieren gehört hier zum guten Ton.

Es ist eine kühne Behauptung, aber sie sei gewagt: Wer in Freiburg lebt, hat schon mal an einer Demonstration teilgenommen. Oder ist zumindest beim Einkauf auf der Kaiser-Joseph-Straße in eine reingeraten. Denn Gelegenheit dazu gibt es reichlich – seit Jahrhunderten. Eine kleine Freiburger Demo-Typologie.


Die Mutter aller Demos: 1757 wurden zwei Mehlhändler beim Wildern erwischt. Ein Haufen Weiber solidarisierte sich mit ihren empörten Ehefrauen, trommelte mit Löffeln, Blechen, Töpfen, zog zum Gefängnis in der Turmstraße und stemmte kurzerhand die Tür mit einem Balken auf. Man beachte: Eine der ersten Freiburger Demos – nicht angemeldet, gewaltbereit, vielleicht sogar vermummt.

Die Alt-68er: Von 1971 bis 1987 wurden in Freiburg rund 40 Häuser besetzt, darunter Dreisameck, Schwarzwaldhof und Autonomes Zentrum: große Krawalle. 1972 lud die Frauenbewegung zum "Go In" ins Münster: große Empörung. Und 1968 endete eine Aktion gegen die Fahrpreiserhöhung mit einer Straßenschlacht: großer Wasserwerfereinsatz. Im März 2010 wurde übrigens im Andenken an die Straßenschlacht noch einmal öffentlich schwarz gefahren: diesmal für die Einführung eines Sozialtickets.

Die Klassiker: Im Jahreskalender gibt es sie noch, die zuverlässigen Demotermine. Am 1. Mai: für Arbeitnehmerrechte auf dem Stühlinger Kirchplatz. Am 1. September: gegen Krieg am Mahnmal für die Opfer der Naziherrschaft (beide Ereignisse gehören zur Unterkategorie "Latschdemo"). Nach EM- und WM-Fußballspielen: im Autokorso um den Innenstadtring – na gut, das ist ein eher moderner Klassiker.

Die Problematischen:
244 Demos zogen 2008 durch die Straßen; 25 davon waren nicht angemeldet. Sowas ist verboten; allerdings gibt es eine traditionell liberale Freiburger Linie der Polizei (in zahlreichen Kundgebungen seit 1968 erfochten), um die immer wieder gerungen wird. Manchmal buchstäblich.

Die Wiedergänger: Sie kommen immer wieder vor: Sit-Ins gegen Atomkraft oder Trommelzüge gegen die Räumung von Wagenburgen. Und natürlich die Piusbruderschaft, die gegen Abtreibung protestiert und die Autonome Antifa, die gegen die Piusbrüder demonstriert.

Freiburgs Liebste:
Am 16. September 2002 protestierten 15 000 Freiburger gewaltfrei gegen einen NPD-Aufmarsch. Sie kesselten die Rechtsextremen ein und zwangen sie zur Abreise. Danach wurde gefeiert bis tief in die Nacht.

Demotermine auf den Terminseiten der Badischen Zeitung. Und sonst? Sie ist Freiburgs kleinste, aber in diesem Jahr fand sie bereits zum 300. Mal (!) statt: die Montagsdemo. Jeden Montag um 17.30 Uhr, abwechselnd auf dem Rathausplatz und an der Bertoldstraße/Ecke Niemensstraße.

Alle Folgen der Serie auf http://www.badische-zeitung.de/50-freiburgtipps