Urteil mit Beigeschmack

Erstveröffentlicht: 
11.08.2017

Das Gericht des Nordostdeutschen Fußballverbands will sich nicht mehr mit der Strafe für den SV Babelsberg 03 nach den Vorfällen beim Regionalliga-Derby gegen Energie Cottbus beschäftigen. Auch die irritierende Begründung bleibt bestehen, weil sich an einer Formalie festgebissen wird.

 

Niederlage für den SV Babelsberg 03. Das Verbandsgericht des Nordostdeutschen Fußballverbandes (NOFV) hat den Kiezklub wegen der Vorkommnisse während des Regionalligaspiels gegen den FC Energie Cottbus am 28. April zu einer Geldstrafe von 7000 Euro verurteilt sowie ein Spiel unter Ausschluss der Öffentlichkeit angedroht, falls es bis Ende des Jahres erneut zum Fehlverhalten der Fans kommt. Damit bestätigte das NOFV-Vorgericht das zuvor vom Sportgericht gefällte Urteil und lehnte die Berufung des SVB ab. 

 

Berufung von den Cottbusern hatte Erfolg


Anders verhielt sich das Verbandsgericht gegenüber dem FC Energie Cottbus: Die zuvor vom Sportgericht ausgesprochene Strafe eines Geisterspiels war aufgehoben worden, stattdessen darf der Lausitz-Klub zu seinem nächsten Auswärtsspiel gegen den SVB keine Fans mitbringen. Zudem wurde die zunächst verhängte Geldstrafe von 10.000 Euro reduziert, indem nunmehr 4000 Euro zur Bewährung ausgesetzt sind.

 

Hintergrund der Urteile: Während des Regionalligaspiels Ende April in Babelsberg wurde in beiden Fanblöcken Pyrotechnik abgebrannt, Gäste aus dem Cottbuser Block – nachweislich Anhänger der rechtsextremen Szene – stürmten das Spielfeld, skandierten fremdenfeindliche Parolen und zeigten den Hitlergruß. Das Spiel musste zweimal unterbrochen werden. 

 

Unverhältnismäßig harte Senktionen


Was in der Konsequenz für Cottbus möglich war, schließt der NOFV für Babelsberg aus. Beide Vereine hatten gegen das Urteil Berufung eingelegt. Bereits in einer Stellungnahme zum Urteil des Sportgerichts in erster Instanz hatte der Nulldrei-Vorstand auf eine Unverhältnismäßigkeit der Strafe hingewiesen, da diese sich in ihrer Höhe nicht von den finanziellen Sanktionen unterscheidet, die millionenschwere Bundesligavereine wegen des Abbrennen von Pyrotechnik durch ihre Fans auferlegt bekommen.

 

Auch die Urteilsbegründung hatte irritiert: Während das Sportgericht die rassistische Hetze im Energie-Block nicht einmal erwähnte, erklärte es den Ruf „Nazischweine raus“ eines SVB-Fans für strafbar. Es folgte ein mediales Echo voller Verwunderung: Man werde wohl doch noch sagen dürfen, was offensichtlich ist, wunderte sich etwa das Fußball-Magazin „11Freunde“. 

 

Vermeintlich formale Berufungsmängel


Doch werden weder der SVB noch alle anderen Interessierten vom obersten Gericht des Nordostdeutschen Fußballverbandes eine Antwort bekommen, warum es strafbar ist, wenn man einer Gruppe „Nazischweine raus“ zuruft, die lautstark rechtsradikale Gesänge angestimmt und den Arm zum Hitlergruß hebt. Denn damit hat sich das NOFV-Gericht gar nicht mehr beschäftigt, weil es den Berufungsantrag des SVB wegen vermeintlich formaler Mängel abgelehnt hat. Die Begründung: Der Berufungsschrift fehle die Unterschrift. Sie ist unterzeichnet worden mit der Grußformel: „Mit blauweißbunten Grüßen, SV Babelsberg 03 e.V. Vorstand.“ Das genüge nicht. „Die Gerichte wollen wissen, wer namentlich Verantwortung trägt. Das soll verhindern, dass unberechtigt handelnde Menschen Kosten und Handlungen auslösen“, sagt Jürgen Lischewski, Vorsitzender des NOFV-Gerichts, auf PNN-Anfrage.

 

Nun hat der SVB laut seines Vorstandes auch in der Vergangenheit mit dem Verband korrespondiert, ohne jedes Mal die Schriftstücke namentlich zu unterzeichnen. Eigens dafür nutzt der Verein ein digitales Postfach beim Verband. Dieses ist nur durch ein Passwort zugänglich, und die ausschließliche Verwendung durch den SV Babelsberg 03 hinterlässt eine sogenannte digitale Signatur. Diese Praxis sei in der Vergangenheit nie moniert worden. NOFV-Richter Lischewski könne das allerdings nicht bestätigen. Zudem sehe er im digitalen Postverkehr „keinen Beweis, dass die Berufungsschrift des SVB ausschließlich von einem legitimierten Vertreter des Vereins in dem elektronischen Postfach hinterlegt wurde, der über das dafür nötige Passwort verfügt“. Zwar unterstelle er nicht, dass jemand dem SVB mit der Berufungsschrift schaden wolle. „Aber wir brauchen Namen“, sagt er. 

 

Verbandsurteil ist auch nicht unterzeichnet


Statt in mündlicher Verhandlung von Angesicht zu Angesicht inhaltliche Argumente auszutauschen und die teilweise irritierenden Urteilsbegründungen des Sportgerichts zumindest zu erklären oder gar zu korrigieren, wappnet sich das NOFV-Gericht mit formalrechtlichen Auslegungen.

 

Der inzwischen vom SVB beauftragte Anwalt bezeichnet die Ablehnung der Berufung als reine Willkür, die den SVB in seinen elementaren Rechten auf Gehör verletze. Auch sei in der Rechts- und Verfahrensordnung des NOFV eine Unterschrift nicht vorgesehen, wenn der Schriftverkehr auf digitalem Weg erfolgt. Das praktiziert das Gericht selbst so: Das Urteil gegen den SVB ist nicht namentlich unterzeichnet, am Ende stehen in Druckbuchstaben die Namen des Richters und der beiden Beisitzer. Das wiederum erklärt Lischewski für ausreichend: „Es muss nicht handschriftlich unterschrieben werden.“ Nach dieser Auslegung hätte es genügt, unter die Berufungsschrift des SVB statt „Vorstand“ den Namen von SVB-Präsident Horlitz zu setzen, weil es offenbar adäquat genügt, unter das Urteil die Namen der Richter und Beisitzer zu setzen. Warum das zulässig und ausreichend ist, das andere jedoch nicht, mag für den juristischen Laien schwer nachvollziehbar sein. Ohnehin erscheinen die vermeintlich formalrechtlichen Diskurse und Kontroversen müßig. Es bleibt der Eindruck, dass sich das NOFV-Gericht aber gerade dahinter verstecken will, um sich nicht noch einmal inhaltlich mit dem Urteil des Sportgerichts zu beschäftigen. 

 

SVB benatragt die Aufhebung des Urteils


Dass es Korrekturbedarf gibt, hat schließlich das reduzierte Strafmaß für den FC Energie Cottbus gezeigt. Zwar hat sich das Verbandsgericht im Rahmen einer Strafmaßberufung nicht mehr mit dem Sachverhalt, sondern nur mit der Höhe der Strafe beschäftigt, diese aber deutlich gemildert. In der Causa SVB „nehmen wir den vom Sportgericht festgestellten Sachverhalt hin“, sagt Lischewski. Samt Begründung, „ob es uns gefällt oder nicht“. Somit lässt das Gericht des NOFV im Namen seiner mehr als 635.000 Mitglieder auch unberührt, dass „Nazischweine raus“-Rufe angeblich strafbar sind und Viertliga-Vereine wegen Abfackelns von Pyrotechnik genauso viel zahlen müssen wie Bayern München & Co.

 

Abfinden will sich der SVB damit nicht. Er hat eine Gegenvorstellung erhoben und eine Aufhebung des Urteils durch das NOFV-Präsidium beantragt.