[Berlin] 22.05.2017: Solikundgebung gegen DNA-Abnahme

22.05.2017: Solikundgebung gegen DNA-Abnahme

Am Morgen des 28. Februar 2017 durchsuchten Beamte des Berliner Staatsschutzes mindestens zwei Wohnungen in Kreuzberg und Berlin-Mitte und versuchten dabei zwei Beschlüsse zur DNA-Entnahme zu vollstrecken. Im Raum steht der Vorwurf der gemeinschaftlichen gefährlichen Körperverletzung. Laut Durchsuchungsbeschluss soll der Sänger einer Neonaziband im Dezember 2015 in Berlin-Kreuzberg »diverse Prellungen« erlitten haben. Auch eineinhalb Jahre nach der Konfrontation haben die Behörden keinerlei Beweise gegen die Beschuldigten zur Hand: So geht aus den Ermittlungsakten hervor, dass ein DNA-Abgleich nicht dazu geeignet ist, die Frage der Täterschaft zu klären. Trotzdem bestehen die Behörden weiterhin auf diesen erheblichen Grundrechtseingriff, mit fadenscheiniger Begründung.

 

Wer hat Angst vorm Alibi?

Ein Betroffener ist nun seit zwei Monaten untergetaucht. Er verweist darauf, dass die Ermittlungsbehörden ein Alibi seiner Arbeitsstelle seit geraumer Zeit ignorieren und spricht von einem gezielten Versuch, Aktivist*innen der sozialen Bewegungen durch die Erfassung ihrer DNA nachhaltig einzuschüchtern. Das anhängliche Verfahren gilt dabei nur als Vorwand, um vollendete Tatsachen zu schaffen.

 

DNA-Entnahmen verweigern!

Denn die Chancen sich rückwirkend gegen eine DNA-Entnahme zu wehren, stehen schlecht: Selbst wenn sich Verdachtsmomente als haltlos erweisen, ein Alibi wasserdicht ist und das Verfahren später eingestellt wird, verbleiben bereits entnommene DNA-Proben bei einer Verfahrenseinstellung in den polizeilichen Datenbanken. Umso wichtiger ist es deshalb, diese DNA-Entnahmen nicht einfach hinzunehmen. Es ist wichtig, dass wir unsere Leute in so einer Situation unterstützen und zeigen, dass wir ihre Repression nicht einfach hinnehmen. Unsere Öffentlichkeit setzt die Behörden unter Druck und unser Interesse macht den Betroffenen klar, dass sie nicht allein sind! Deshalb fordern wir die Einstellung der Verfahren und rufen zur Kundgebung auf!

 

Montag | 22. Mai 2017 | 12 Uhr | Amtsgericht Tiergarten, Turmstr. 91

 

Hintergründe:


13.4.2017: DNA – Worthless or Almighty? – Zur Kritik am „genetischen Fingerabdruck“

Anlässlich eines aktuellen Falles zweier DNA-Entnahmen gegen Antifaschisten aus Berlin, möchten wir uns in dem folgenden Beitrag näher mit den gesellschaftspolitischen und kriminalistischen Hintergründen, den Dunkelfeldern der Debatte und dem repressiven Potential dieser vergleichsweise noch recht jungen Ermittlungsmethode auseinandersetzen. Immerhin machen unterschiedlichste Behörden mittlerweile schon reichlich davon Gebrauch, und die kritische Debatte hierüber führt abseits traditioneller Antirepressions- und Bürgerrechtsstrukturen noch immer ein Schattendasein.

 
27.3.2017: DNA um jeden Preis – Ermittlungsbehörden verschleppen Alibi

Einen Monat nach den Durchsuchungen bei Berliner Antifaschist_innen ist die zuständige Staatsanwaltschaft noch immer keinen entlastenden Spuren nachgegangen. Statt das Alibi eines Beschuldigten zu überprüfen, hält sie daran fest, weitere Zwangsmaßnahmen zu initiieren. Um sich vor weiteren Übergriffen zu schützen, musste sich der Betroffene dem behördlichen Zugriff zwischenzeitlich bis auf Weiteres entziehen. Vier Wochen nach dem Bekanntwerden der Ermittlungen, geben wir nun einen aktuellen Überblick zum Stand des Verfahrens.

 
15.3.2017: DNA-Entnahme verweigert - Interview mit einem Beschuldigten

Am Morgen des 28. Februar drangen Beamte des Berliner Staatsschutzes in mindestens zwei Wohnungen in Mitte und Kreuzberg ein. Neben Durchsuchungsbeschlüssen wurde auch eine DNA-Entnahme umgehend vollstreckt, eine weitere scheiterte daran, dass der Beschuldigte zum Zeitpunkt der Durchsuchung nicht zu Hause war. Den Betroffenen der polizeilichen Maßnahmen wird vorgeworfen im Dezember 2015 in Berlin-Kreuzberg in eine Auseinandersetzung mit einem Neonazi verwickelt gewesen zu sein. Wir haben mit einem der Beschuldigten im jüngsten Verfahren gesprochen. Er schildert seinen Umgang mit den bisherigen Ermittlungen und legt dar, weshalb er den Aufforderungen zur DNA-Entnahme bis auf Weiteres nicht nachkommen wird.


28.2.2017: Nach Auseinandersetzung mit Neonazi - Hausdurchsuchungen in Berlin
Heute morgen drangen Beamte des Berliner Staatsschutzes in mindestens zwei Wohnungen in Kreuzberg und Mitte ein. Im Raum steht der Vorwurf der gemeinschaftlichen gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil des Neonazis Peter Brammann. Brammann, Sänger der Neonaziband Deutsch, Stolz, Treue (D.S.T.), soll laut Durchsuchungsbeschluss im Dezember 2015 in der Köpenicker Straße »mittels eines gefüllten Strumpfes (…) diverse Prellungen« erlitten haben.


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aus DNA – Worthless or Almighty? – Zur Kritik am „genetischen Fingerabdruck“:

... Die Akteneinsicht zeigt im vorliegenden Fall, dass die Ermittlungsbehörden in den vergangenen eineinhalb Jahren auf der vermeintlichen Suche nach Täter*innen mit großem Aufwand Strukturen und Einzelpersonen durchleuchtet haben. Obwohl sie am Ende der nun mehrere hundert Seiten füllenden Ermittlungsakte kaum etwas Verwertbares in den Händen halten, drängen sie zum Schluss noch einmal mit Nachdruck darauf, dass zwei Betroffene ihre DNA abgeben. In einem Fall wurde diese Forderung bereits unter Zwang durchgesetzt, in einem anderen konnte sich der Betroffene bis dato dieser Maßnahme erfolgreich entziehen.

Dieser aktuelle Fall zweier Antifaschisten aus Berlin repräsentiert ein klassisches Szenario politisch motivierter Verfahren. Einerseits haben die Ermittlungsbehörden kaum mehr als einen Anfangsverdacht, andererseits versuchen sie, umfangreiche und im Falle einer DNA-Entnahme auch anhaltende Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen zu legitimieren. Dass es den Ermittlungsbehörden dabei noch um die Aufklärung einer konkreten Straftat gehen soll, glaubt nur ein Idiot.

Denn der vorliegende Fall ist an sich klar: Nach eineinhalb Jahren umfangreicher Ermittlungsarbeit, unzähligen Zeug*innenbefragungen, Lichtbildvorlagen und drei zum Teil unter Einsatz eines SEKs durchgeführten Hausdurchsuchungen haben die Ermittelnden keinerlei stichhaltige Beweise gegen die Beschuldigten zur Hand. So wird auch die nun vermeintlich Licht ins Dunkel bringende Analyse und Speicherung ihrer DNA weder zur Aufklärung einer Straftat, noch zur Entlastung der momentan Beschuldigten etwas beitragen können.

Denn entgegen ihrem Ruf als ultimatives und aussagekräftiges Beweismittel, lässt sich anhand eines Abgleichs entnommener DNA, mit einer vermeintlichen DNA-Spur vom Tatort, weder mit Gewissheit auf eine Anwesenheit zur Tatzeit schließen, noch lässt sich dadurch eine unterstellte Täterschaft in irgendeiner Weise derart widerlegen, dass die Ermittlungsbehörden sich veranlasst sehen würden, Ruhe zu geben. Obwohl die Entnahme und Speicherung von DNA selbst im Falle einer Übereinstimmung zweier Proben keinerlei weitere Ermittlungsansätze liefern würde, werden damit weitere Grundrechtseingriffe in Kauf genommen. Dahinter steht weder ein dummer Zufall noch ein Veräumnis, sondern das Interesse einer umfassenden Ausforschung und Kontrolle unliebsamer Aktivsten und die erhoffte Einschüchterung ihres Umfelds.

Dass gerade jener Beschuldigter, der seit nunmehr fünf Wochen gezwungen ist sich dem behördlichen Zugriff und einer sonst drohenden DNA-Entnahme zu entziehen, für die angegebene Tatzeit ein Alibi vorweisen kann, entzieht dem repressiven Schauspiel jeden Rest an Glaubwürdigkeit. Zum einen rechnet kaum jemand damit, dass dieses seit eineinhalb Jahren mit großem Aufwand geführte Ermittlungsfahren jemals zu einer Anklage, geschweige denn zu einer Verurteilung führt. Andererseits können die Betroffen darauf wetten, dass die Behörden im Nachhinein erbitterten Widerstand leisten werden, wenn sie nach Abschluss dieses politisch motivierten Verfahrens die Vernichtung und Löschung bereits entnommener DNA-Proben und -Profile einfordern.

 

[...]

 

Zum einen handelt es sich bei der Speicherung eines genetischen Fingerabdrucks um einen schwerwiegenden Eingriff in die informelle Selbstbestimmung, zum anderen ist im Hinblick auf das, was Politik und Behörden mit dieser Technologie offensichtlich vorhaben, noch lange kein Ende der Fahnenstange erreicht. Angesichts immer schneller anwachsender Datenbanken halten wir eine breite gesellschaftliche Debatte über den Umgang mit DNA für längst überfällig. Ebenso sind wir der Auffassung, dass es keiner weiteren Erklärungen mehr bedarf, wenn Menschen sich hier und jetzt gegen die Entnahme und Speicherung Ihrer DNA zur Wehr setzen.

whentheykick.blogsport.de, 13. April 2017