Machtkampf in der AfD - Wollen Höcke-Unterstützer Petry stürzen?

Erstveröffentlicht: 
24.02.2017

Der Machtkampf in der AfD nimmt offenbar Fahrt auf. Unterstützer des Thüringer Landeschefs Höcke wollen nun per Mitgliederentscheid vorgezogene Neuwahlen des Bundesvorstandes erreichen. Das geht aus einem Aufruf an die Mitglieder hervor, der WDR und NDR vorliegt.

 

Von Sebastian Pittelkow, NDR, und Katja Riedel, WDR

Der Aufruf wurde am Donnerstagabend per Mail als Petition verschickt. Die Initiatoren wollen erreichen, dass 1000 AfD-Mitglieder unterschreiben, um so einen Mitgliederentscheid  über vorgezogene Bundesvorstandswahlen zu erreichen. Regulär würde wohl erst nach der Bundestagswahl im Herbst gewählt, die Amtszeit endet offiziell im Juli. Die Initiatoren wollen das beschleunigen. Sie halten den Zeitpunkt offenbar für günstig, um Parteichefin Frauke Petry zu stürzen. 

 

Zwei Lager stehen sich gegenüber


Seit gegen den Thüringer Landeschef Björn Höcke ein Parteiausschlussverfahren mit vier zu neun Stimmen beschlossen wurde, stehen sich im Bundesvorstand um Frauke Petry und Jörg Meuthen zwei Lager noch feindlicher gegenüber als schon zuvor: Ein äußerst konservatives, rechtsnational gesinntes Lager um den ehemaligen hessischen CDU-Spitzenpolitiker und jetzigen Brandenburger Fraktionschef Alexander Gauland auf der einen Seite. Und auf der anderen ein eher pragmatischeres und machtpolitischer ausgerichtetes, aber ebenfalls regelmäßig nach rechts ausschwenkendes Lager um Petry. Letzteres hat im Führungsgremium derzeit die Mehrheit. Doch diese Mehrheit scheint zu bröckeln: Denn seit die Streitereien und der bizarre Machtkampf an der Spitze in aller Öffentlichkeit ausgefochten werden, verliert die Partei in Umfragen. 

 

Gauland will Höcke-Beschluss zurücknehmen


Im Bundesvorstand dringt Gauland nach Informationen von WDR und NDR darauf, den Höcke-Beschluss zurückzunehmen. In den Geschäftsstellen der Landesverbände und des Bundesverbandes waren in den ersten Tagen nach der Entscheidung bereits Tausende Mails eingegangen. Ein Drittel davon sollen Höcke offen unterstützen, ein Drittel Petry, ein weiteres Drittel soll sich zugunsten der Einigkeit der Partei und besorgt um deren Zukunft gezeigt haben. 

 

Partei droht die innere Spaltung - mal wieder


Auch ohne äußere Einflüsse der Konkurrenzparteien droht der Partei eine innere Spaltung - nicht zum ersten Mal in ihrer noch jungen Parteigeschichte. Im Sommer 2015 hatte Petry Parteigründer Bernd Lucke gestürzt - mit den Stimmen des ultrakonservativen Flügels um Höcke, dessen Unterstützung Lucke abgelehnt hatte. Mit eben diesem Flügel liegt sie jetzt im Streit.

 

Wie tief das innere Zerwürfnis die Führungsspitze zurzeit spaltet, zeigt ein E-Mail-Wechsel zwischen Alexander Gauland und dem Münchner Bundesvorstandsmitglied Dirk Driesang, einem Vertreter des Petry-Lagers. Die Mails stammen aus dieser Woche. Driesangs Schreiben, das er mit dem Betreff "Gretchenfrage und Tacheles" versieht, zerlegt den Bundesvorstand nicht nur in verschiedene Lager, sondern kritisiert viele Mitglieder auch charakterlich. 

 

Angriffe werden persönlich


So wirft Driesang Gauland vor, ein "CDU-U-Boot" zu sein, das die Union vor sich hertreiben wolle, mit immer radikaleren Positionen. Auch Petrys Co-Parteisprecher Jörg Meuthen, ein Höcke-Unterstützer, sei von einer starken Antipathie gegenüber Petry und deren Ehemann, NRW-Landeschef Marcus Pretzell, getrieben. Meuthen halte in politischer Unklugheit und Verblendung Petry für gefährlicher als Höcke, schreibt Driesang.

 

"Wir haben in dieser Situation ein quasi CDU U-Boot mit ganz eigener Strategie (sorry!) als Vize, einen auf 'Rachejagd' befindlichen und m E (Anmerkung der Redaktion: gemeint ist "meines Erachtens") irrlichternden Sprecher (sorry!2) , eine Sprecherin der man aber auch wirklich alle Schandtaten unterstellt“, schreibt Driesang. Hinzu kämen "zwei Damen" im Bundesvorstand, Alice Weidel und Beatrix von Storch, "die nach meinem Eindruck gerade ab und zu von ihren Emotionen dominiert werden und nicht immer einen klaren Kopf behalten (sorry! 3 und 4)". Es sei notwendig,  "in diesen Gemischtwarenladen widerstreitender Interessen eine einheitliche Linie zu bringen." 

Unter dem Dach der AfD gebe es zwei Parteien, die nicht nebeneinander bestehen könnten. 

 

Gauland befürchtet Absinken auf vier Prozent


Auf die Mail Driesangs konterte Gauland:

"Sie entwickeln allmählich eine Höckephobie und kontaminieren damit Ihr ganzes Weltbild. Nein, ich finde Höckes Rede nicht 'widerlich', allenfalls unklug, was er ja inzwischen selbst einräumt. Und ich führe auch keinen privaten Rachefeldzug gegen die CDU. Dass mir unsere Chefin das unterstellt, wundert mich gar nicht, aber auf Ihr politisches Urteil gebe ich wenig."

Gauland weiter:

"Ist es denn wirklich so schwer zu verstehen, dass einige - nicht nur Höcke und ich - die Aufgabe der AfD in einer konsequenten Oppositionspolitik sehen und gegen vorschnelle Anpassungen Misstrauen hegen?“

Er schließt:

"Lieber Herr Driesang, geht es nicht ein bisschen kleiner? Ich kann Ihnen nur wünschen, dass Ihre 'Analyse' ein Solitär bleibt. Denn sollte sie Schule machen, werden Sie einen Sturm der Spaltung ernten statt eines linden Lüftchens innerparteilicher Kritik. Wenn Sie so weitermachen ist der Bundestag für uns in weiter Ferne. Mit 4% kann man schließlich auch 'bürgerliche Reformpartei' sein. In einem allerdings haben Sie recht. Wenn das die Zukunft ist, hätte ich auch in der CDU bleiben können."