Landesregierung Sachsen-Anhalt Streit um Afghanistan-Abschiebungen

Erstveröffentlicht: 
24.02.2017

Seit Dezember werden abgelehnte Asylbewerber aus Afghanistan in ihre Heimat zurückgeschickt. Zwischen den Bundesländern herrscht über diese Praxis Streit. Manche haben die Abschiebungen ausgesetzt. Sie verweisen auf die hohen Zahlen verletzter und getöteter Zivilisten. Andere Bundesländer folgen der Einschätzung des Bundes. Einige Regionen in Afghanistan seien sicher genug. Mitte der Woche gab es die dritte Sammelabschiebung. Darunter waren auch die ersten Fälle aus Sachsen-Anhalt. von Vera Wolfskämpf, MDR AKTUELL

 

Am Mittwochabend saßen zwei Männer im Flugzeug nach Kabul, die in Sachsen-Anhalt auf Asyl gehofft hatten. Innenminister Holger Stahlknecht erklärt: "Das sind junge Afghanen, für die kein Schutzbedürfnis anerkannt wurde. Sie hätten Deutschland freiwillig verlassen müssen. Das haben sie nicht getan. So sind sie abgeschoben worden." 

 

Stahlknecht verweist auf Auswärtiges Amt


In einigen Bundesländern gibt es jedoch einen Abschiebestopp, weil sie Afghanistan für zu gefährlich halten. CDU-Politiker Stahlknecht kritisiert diese Praxis. Laut Auswärtigem Amt und Bundesinnenministerium sei es zumutbar, dass zumindest junge, alleinstehende Männer nach Afghanistan abgeschoben werden: "Daran haben wir uns zu halten. Diese Rechtslage sieht nicht vor, dass man sie monatelang nicht anwendet."

 

Die mitregierenden Grünen sehen das anders. Theoretisch könnten sie sich für einen Abschiebestopp auf Landesebene einsetzen, wie es die rot-rot-grüne Regierung in Thüringen handhabt. Aber das würde den Koalitionsfrieden mit der CDU riskieren. Die sachsen-anhaltischen Grünen haben stattdessen einen Brief an Bundesaußenminister Sigmar Gabriel verfasst. 

 

Grüne fordern: Abschiebung bundesweit aussetzen


Auch die grüne Ministerin Claudia Dalbert hat den Appell unterschrieben, die Abschiebungen bundesweit auszusetzen: "Afghanistan ist unseres Erachtens kein sicheres Land. Wir haben den aktuellen Fall, dass DRK-Mitarbeiter in einem vermeintlich sicheren Gebiet umgekommen sind. Das Rote Kreuz hat seine Arbeit dort eingestellt. Das ist mit ein Anlass, der Bundesregierung zu sagen: Überprüft die Sicherheitschecks."

 

Die Fraktionschefin der Grünen geht sogar noch weiter. Cornelia Lüddemann fordert ein Moratorium. Für drei Monate solle Sachsen-Anhalt niemanden nach Afghanistan abschieben und in dieser Zeit auf den Bund einwirken. 

 

SPD hält aktuelle Praxis für fragwürdig


Was sagt die SPD als dritter Partner in der Koalition? Fraktionschefin Katja Pähle hält nichts von einem Flickenteppich in Deutschland, in dem jedes Bundesland anders handelt. Der Bund müsse seine Einschätzung überprüfen. Die SPD-Politikerin würde dann einen generellen Abschiebestopp begrüßen: "Ich fände es gut, wenn man sich nach der Abwägung der unterschiedlichen Argumente dazu durchringen könnte. Aber wir müssen leider auch anerkennen, dass Abschiebungen Regierungshandeln sind. Wir können nur auf unser Argument, dass es sowieso eine hohe Anerkennungsquote gibt, hinweisen. Der Innenminister muss sich das nochmal anschauen."

 

Doch Innenminister Stahlknecht hat da eine ganz klare Position: "Ich sehe überhaupt keinen Grund, warum von dieser Linie abgewichen werden soll. Ich würde die Anweisung eines solchen Moratoriums als einen politischen Eingriff in ein Amt sehen, das streng nach Recht und Gesetz ausgeführt werden muss." Über Abschiebungen nach Afghanistan spricht Sachsen-Anhalts schwarz-rot-grüne Koalition also nicht mit einer Stimme, sondern mit mindestens drei verschiedenen.