Gambias Countdown zur Eskalation

Erstveröffentlicht: 
13.01.2017

Machthaber Jammeh hat die Präsidentenwahl verloren, aber weigert sich, sein Amt an den Oppositionskandidaten, Barrow, zu übergeben. Die afrikanischen Staaten versuchen, eine Krise in letzter Minute abzuwenden.

 

Banjul/Wien. Sind dies die vorerst letzten friedlichen Tage im westafrikanischen Staat Gambia? Weniger als eine Woche bleibt, um einen Konflikt zu lösen, der das Zwei-Millionen-Einwohner-Land ins Chaos stürzen könnte. Am Mittwoch nächster Woche endet die Amtszeit von Langzeitmachthaber Yahya Jammeh, der die Präsidentenwahl im Dezember verloren hat. Am Donnerstag soll der Wahlsieger, Oppositionskandidat Adama Barrow, vereidigt werden. Nur: Jammeh weigert sich abzutreten.

Die westafrikanische Staatengemeinschaft Ecowas ist höchst alarmiert. Um eine Eskalation in letzter Minute abzuwenden, reiste am Freitag zum insgesamt zweiten Mal eine Vermittlermission mit dem nigerianischen Präsidenten, Muhammadu Buhari, an der Spitze in die gambische Hauptstadt Banjul – mit dem Ziel, Jammeh zum Einlenken zu bringen. Mit dabei: John Mahama, bis vor Kurzem Staatschef von Ghana, der selbst im Dezember die Präsidentenwahl verloren und das Amt bereits an seinen Nachfolger, Nana Akufo-Addo, übergeben hatte.
 
Die Anfechtung muss warten

Auch der seit 22 Jahren brutal regierende Jammeh erkannte seine Niederlage zunächst an – nur um dies wenig später zu revidieren. Die Regierungspartei Allianz für Patriotische Reorientierung und Aufbau (APRC) focht das Wahlergebnis vor dem Obersten Gericht an. Aber wegen Richtermangels (Jammeh entließ im vergangenen Jahr mehrere Richter) muss das Gremium auf Juristen aus anderen Ländern zurückgreifen. Der vorsitzende Richter aus Nigeria sei außerdem bis Mai nicht verfügbar, wie es hieß. Die Entscheidung über die Klage werde warten müssen. Jammeh will bis dahin weiterregieren, Barrow aber besteht darauf, nächste Woche sein Amt anzutreten. Nun hat Jammeh beim Obersten Gericht noch eine einstweilige Verfügung beantragt – mit der Forderung, die Vereidigung Barrows zu verbieten.

Die Position der westafrikanischen Staaten ist klar: Seit Wochen fordern sie Jammeh dazu auf, das Wahlergebnis anzuerkennen. Der Staatenblock ist offenbar auch bereit, den Machtwechsel mit einem Militäreinsatz zu erzwingen. Truppen von Gambias Nachbarstaat Senegal sollen bereitstehen, um die Amtsübergabe nächste Woche abzusichern. Um Jammeh den Abschied zu erleichtern, hat Nigerias Parlament dem Staatschef am Donnerstag sogar Asyl angeboten.

Doch bisher hinderte den Machthaber selbst die Gewissheit, ganz Westafrika gegen sich zu haben, nicht daran, auf eine Wiederholung der Wahl zu bestehen. Armeechef Ousman Bajie stellte klar, den Staatschef zu unterstützen: „Die Streitkräfte stehen zu Präsident Jammeh.“

Angesichts der drohenden Krise schaltete sich die Afrikanische Union ein. In einem Statement stellte die Organisation am Freitag klar, Jammeh ab dem 19. Jänner nicht mehr als Präsidenten anzuerkennen. Auch das westliche Ausland beobachtet die Lage nervös. Die USA und mehrere europäische Staaten forderten ihre Bürger auf, das Land zu verlassen. (raa)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.01.2017)