Hamburg im Ausnahmezustand

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Erstveröffentlicht: 
22.11.2016

Protest gegen »illegitime Organisation«: Linksfraktion in der Bürgerschaft will den G-20-Gipfel in der Hansestadt verhindern

Von Kristian Stemmler

 

Mit einem spektakulären Antrag sorgt die Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft dafür, dass in der Stadt weiter über den geplanten G-20-Gipfel im Juli 2017 gestritten wird. Am 1. Dezember, an dem Tag, an dem Deutschland den Vorsitz des Zusammenschlusses der 19 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer sowie der EU übernimmt, will die Fraktion in der Plenarsitzung der Bürgerschaft folgendes beantragen: Hamburg soll den für den 7. und 8. Juli geplanten Gipfel absagen und sich im Bund für eine Debatte über eine Auflösung der G 20 einsetzen.

 

In einer Presseerklärung wiesen die Vorsitzenden der Linksfraktion, Sabine Boeddinghaus und Cansu Özdemir, darauf hin, dass der Gipfel »Hamburg in den Ausnahmezustand stürzen wird«. Man lehne die G 20 aber nicht einfach nur ab, sondern fordere, der »rot-grüne« Senat solle sich im Bund für eine Debatte über den Zusammenschluss als »illegitime Organisation« und den »Beginn der Überführung der von den G 20 beanspruchten Entscheidungskompetenzen in die Strukturen der Vereinten Nationen« einsetzen.

 

Angesichts der erdrückenden bürgerlichen Mehrheit in der Bürgerschaft ist der Antrag chancenlos. »Natürlich wird er nicht angenommen«, sagte Sabine Boeddinghaus gegenüber jW. »Aber uns ist es wichtig, dass der G-20-Gipfel in Hamburg nicht einfach so hingenommen wird, sondern dass sich auch die Bürgerschaft damit auseinandersetzt, wer da eigentlich warum nach Hamburg kommt, für welche Veranstaltung Hamburg zur Bühne gemacht wird.«

 

Nötig sei eine starke, an den Interessen der weltweit sieben Milliarden Menschen orientierte internationale Koordinierung. »Für entscheidende globale Probleme wie Umweltzerstörung, sozia­les Gefälle, Hunger und Tod, Kriege und Konflikte und die internationalen Wirtschafts- und Finanzmarktkrisen kann es nur internationale Lösungen geben«, so Boeddinghaus. Die Vereinten Nationen seien bei allem Reformbedarf »immerhin eine Plattform, auf der zumindest nominell alle Staaten gleichberechtigt sind«.

 

Bereits am Donnerstag hatten Boed­dinghaus und Özdemir die geplante Großdemo gegen G 20 begrüßt. »Wir freuen uns auf eine bunte und unüberhörbare Demonstration am 8. Juli!« erklärten sie. Der Senat setze »angeblich völlig willenlos Merkels Befehl um, richtet den G-20-Gipfel mitten in Hamburg aus, baut dafür Gefängnisse und kauft Panzer«. Da freue man sich darüber, »dass sich die Zivilgesellschaft nicht von diesem Versuch einer Vorabkriminalisierung einschüchtern lässt und eine Massenkundgebung plant«.

 

Scharf kritisierten die Fraktionsvorsitzenden die Informationspolitik des Senats zum G-20-Gipfel. »Alles wird ganz problemlos laufen, es gibt fast keine Einschränkungen für die Hamburger, das Ganze wird die Stadt nicht viel kosten, und außerdem wird alles total transparent – mit solchen Parolen versucht der Senat jetzt schon seit Monaten, den Bürgern sein nächstes Großprojekt unterzujubeln«, so Boeddinghaus. In Wirklichkeit gebe es keine Transparenz. Bei Fragen nach den Kosten und anderen Folgen des Gipfels mauere der Senat, »teilweise weiß er angeblich nichts, teilweise will er einfach nichts sagen«.

 

Die Reaktionen der bürgerlichen Parteien in der Bürgerschaft auf den aktuellen Antrag der Linksfraktion muteten teilweise grotesk an. So verstieg sich SPD-Fraktionschef Andreas Dressel laut NDR 90,3 zu der Äußerung, Versammlungsfreiheit gelte auch für Staatschefs, nicht nur für die Gegendemonstranten. Der Antrag sei ein weiterer Beleg für die fehlende Regierungsverantwortung der Hamburger Linken. Antje Möller vom »grünen« Koalitionspartner ließ immerhin eine gewisse Distanz erkennen. »Mein Gipfel ist das auch nicht«, erklärte sie. Aber man müsse die Realitäten anerkennen, und dazu gehöre, dass der Bund und nicht Hamburg über den Austragungsort entscheide.

 

Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit. Zwar hat der Bund Hamburg vorgeschlagen, bei einem klaren »Njet!« aus der Hansestadt hätte sie sich aber mit Sicherheit einen anderen Austragungsort suchen müssen. Nach Informationen von junge Welt war die Zustimmung zum Berliner Vorschlag eine einsame Entscheidung von Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), die weder bei seiner Partei noch bei den Grünen Begeisterungsstürme entfacht hat.

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Niemand kann wollen, dass internationale Gipfel nur noch in Orten wie Elmau oder Heiligendamm (oder gar auf Inseln oder Flugzeugträgern) möglich sind. Wir brauchen eine Gesellschaft, in der die Menschen trotz aller Unterschiede friedlich zusammenleben - und das sollten wir gerade auch in unseren Großstädten vorleben! Ich bin gegen Gewalt, in jeder Ausprägung (Meine Kinder schlage ich auch nicht.)