''Es sind immer die Gleichen''

Ein eher seltenes Bild in Ludwigshafen: NPD-Anhänger demonstrieren. Die Aufnahme entstand im Jahr 2002.
Erstveröffentlicht: 
21.04.2010

Hintergrund: Die rechte Szene will in Ludwigshafen Fuß fassen - behauptet das linke Milieu. Dahinter steckt Propaganda - behauptet die Polizei. Beobachtet werden die Extremisten vom Verfassungsschutz. Und der fürchtet nur eines: die direkte Konfrontation der beiden Lager.

 

Wenn sich "Internationale Wanderfreunde" zu einem "Südwestdeutschen Kulturtag" treffen, klingt das zunächst einmal unverdächtig. So unverdächtig, dass sich auch der Volkshaus-Pächter in der Ludwigshafener Gartenstadt nichts dabei gedacht haben mag, wem er da für 10.April seine Räume vermietet.Dass die volkstümliche Fassade einen tiefbraunen Anstrich hat und der Wirt über die wahre Identität der "seriös" anmutenden Gäste "getäuscht" wurde, dämmerte ihm erst später. Zu spät, um das Ganze abzublasen. Ein Hausverbot wollte er jedenfalls nicht erteilen. Ihm sei versichert worden, dass es sich um keine politische Veranstaltung handelt, gab der Gastronom zu Protokoll. Doch da hatte er sich gewaltig geirrt.

Die vermeintlichen Wandergesellen entpuppten sich als Anhänger der NPD, ihrer Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) sowie der verbotenen "Heimattreuen Deutschen Jugend" (HDJ). Etwa 150 von ihnen - die Rechten sprechen im Internet ("Germanische Weltnetzgemeinschaft") von 230 - feierten mehrere Stunden ein feuchtfröhliches Fest. Bei Weißwurst und Sauerkraut, mit Märschen, Fahnen und "hessischem Walzer der JN-Kameraden". Darunter waren viele Familien mit Kindern. Dass sie dabei von den Ordnungshütern beobachtet wurden, störte sie nicht die Bohne. Im Gegenteil. Die aus dem ganzen Südwesten der Republik zusammengetrommelten Rechten genossen deren ungeteilte Aufmerksamkeit.

Für die Antifaschistische Initiative Heidelberg (AIHD), die an diesem Tag spontan eine Gegendemo durch die Innenstadt organisierte, sind diese Umstände ein Indiz dafür, dass die Rechten in Ludwigshafen Fuß fassen - und die Polizei sie gewähren lässt. "Hätte da einer ,Sieg Heil" gerufen, wären wir eingeschritten", entgegnet Bernd Römer, seit 14 Jahren Leiter der Ludwigshafener Polizeidirektion (PD). Doch die Faschisten-Fete verlief ohne Zwischenfälle.

"Die wissen genau, was sie tun dürfen, und was nicht - und haben inzwischen auch gute Rechtsberater", weiß Kriminaldirektor Manfred Holzschuh. Er leitet im Polizeipräsidium Rheinpfalz das eng mit dem Verfassungsschutz kooperierende Kommissariat 12. Aufgabengebiete: Extremismus und Terrorismus. Nackte Zahlen belegen für ihn, dass weder Rechts- noch Linksextreme hier an Einfluss gewinnen. Selbst wenn sich diese Gruppen in einschlägigen Foren damit brüsteten und sich vor Ort immer mal wieder ihre "Spielwiesen" suchten. Wie den Ebertpark, wo sich gut 20 Rechte am Ostersamstag zum "Bierschnapssuchen" versammelt hatten.

Holzschuh zufolge gab es in Ludwigshafen mit knapp 170.000 Einwohnern im Vorjahr 53 politisch motivierte Straftaten mit rechtem Hintergrund, überwiegend "Propagandadelikte" wie Hakenkreuzschmierereien. 270 waren es im Einzugsgebiet des Präsidiums, wo von der Süd- bis zur Vorderpfalz gut 900.000 Menschen leben. Ähnlich waren die Zahlen im Jahr zuvor.

Ludwigshafen und sein Umland als kommende Hochburg rechter Gewalt zu bezeichnen sei schon allein deswegen Unsinn, sagt Holzschuh in Richtung Antifa, deren Anhänger stadt- und landesweit ähnlich viele Straftaten zur Last gelegt werden wie Personen aus dem rechten Spektrum. Holzschuhs Erfahrung: "Es sind immer die Gleichen."

Damit meint er die harten Kerne beider Lager, die ihre Anhänger gezielt mobilisierten. "So gaukeln sie schlagkräftige Truppen vor", berichtet Regierungsdirektor Peter Wilkesmann aus dem Mainzer Innenministerium. Beispielhaft nennt der Mann vom Verfassungsschutz rechte und linke Aktionbündnisse im Rhein-Neckar-Raum, die Aufmärsche oder Demos perfekt organisierten: "Die leben für ihre Ideologie."

Wilkesmann geht landesweit von einem Dutzend NPD-Kameradschaften mit etwa 300 Mitgliedern aus. In Rheinland-Pfalz werden laut Verfassungsschutzbericht 1000 Personen als rechtsextrem eingestuft. Jeder Zehnte gilt als gewaltbereit und wird beobachtet, "20 bis 30 Neonazis" sind es im Raum Ludwigshafen/Mannheim. In diese Kreise würden auch Informanten eingeschleust. Das linksextreme Potenzial im Land liegt bei 700 Personen, jeder Siebte gilt als gewaltbereit.

Verglichen mit anderen Landstrichen in Deutschland seien das harmlose Zahlen: "Rheinland-Pfalz gilt als Land der Reben und Rüben", meint Wilkesmann. Während Neonazis speziell in den neuen Bundesländern auf fruchtbaren Boden stießen, seien linksextreme Zentren Metropolen wie Hamburg oder Berlin. Dort seien die politischen Strukturen ganz andere. Gefährliche werde es - unabhängig vom Ort - stets dann, wenn Anhänger beider Lager aufeinandertreffen, weil die Hemmschwelle für brutale Übergriffe sinke - auch gegenüber Polizisten.

"Graswurzelrevolution" nennt Wilkesmann die Taktik der Extremisten, die versuchten, sich in der Mitte der Gesellschaft zu verankern. "Wir können aber nur dann aktiv werden, wenn die demokratische Grundordnung gefährdet ist", sagt er. Die Republikaner, die bei der Kommunalwahl in Ludwigshafen 6,2 Prozent der Stimmen erhalten haben, werden - wie die Linkspartei - nicht als verfassungsfeindlich eingestuft und nicht beobachtet. "Das ist die Aufgabe der Gesellschaft."

Zivilcourage wünscht sich auch Polizeipräsident Wolfgang Fromm. Er lobt die Zusammenarbeit mit der Stadt. Die wenigen NPD-Demos der Vorjahre seien dank "intelligenter Auflagen" glimpflich verlaufen. Die aktuelle Forderung der Grünen nach einer Strategie gegen Rechtsextreme im Nachgang zum Volkshaus-Treffen hält er für unbegründet: "Wir bieten Extremisten keinen Freiraum, weder rechts noch links. Stadt und Polizei rudern in die gleiche Richtung."