Bundesregierung will Fahndungssystem SIS II aufgeben

Erstveröffentlicht: 
18.04.2010

76 Millionen Euro sind bisher in die Entwicklung des neuen EU-Fahnungssystem SIS II geflossen. Doch erst jetzt erkennt die Bundesregierung, dass die erheblichen Mängel des Systems eine Anwendung sinnlos machen.

 

In den 90er Jahren wurde ein zentraler Fahndungscomputer in Betrieb genommen, um die Strafverfolgung innerhalb einer Europäischen Union ohne Binnengrenzkontrollen zu gewährleisten. Das sogenannte Schengen Informationssystem (SIS) speicherte europaweit die Daten gesuchter Personen, ausländischer Bürger mit EU-Einreiseverbot, gestohlener Autos, Pässe und Banknoten.

Der geplante Nachfolger SIS II sollte biometrische Daten, Fingerabdrücke und Fotos von Gesuchten integrieren und bessere Recherchemöglichkeiten bieten. Der  Entwicklungsauftrag an die EU-Kommission erging bereits im Jathr 2001. Der Termin für die Inbetriebnahme der verbesserten Kriminaldatenbank war ursprünglich für 2006 geplant, jedoch seither immer wieder wegen Problemen in der technischen Umsetzung verschoben worden.

Lange Zeit hatte die Regierung das neue System trotz aller technischen Mängel verteidigt. Insgesamt wurden bis dato rund 76 Millionen Euro aus dem EU-Haushalt in die Entwicklung invesiert. Doch auch Berlin betrachtet das Projekt nun als gescheitert und will die weitere Entwicklung einstellen, wie Klaus-Dieter Fritsche (CSU) in seiner Antwort auf die Anfrage der Linkspartei zu SIS II angab.

Grund dieser Entscheidung war das Scheitern der Datenbank in zwei sogenannten "Meilensteintests", in denen sie sich als instabil und fehlerhaft erwies. Darüberhinaus bezeichnete Fritsche den technischen Ansatz des Systems als "veraltet" und hält das beauftragte Konsortium um Hewlett-Packard und Steria Mummert für überfordert. Daher will die Bundesregierung SIS II zu den Akten legen.

Während in SIS II mehr als das fünffache des einst geplanten Budets ohne nennenswerte Gegenleistung geflossen sind, wird das Altsystem SIS I stetig leistungsfähiger und hat seine Bezeichnung daher bereits in SIS I+ geändert. Seit 1995 ist die Anzahl der an den Server angeschlossenen Staaten innerhalb der EU auf 22 angestiegen und zählt auch die Schweiz, Norwegen und Island zu seinem Verbund.

Nun soll SIS I+ so weiterentwickelt werden, dass es die Leistungen, die SIS II schuldig bleibt, erbringen kann - ein Plan den vor allem Frankreich befürwortet. Dies würde jedoch zusätzliche 26 Millionen Euro EU-Gelder sowie weitere drei Jahre für die Entwicklung kosten. Aus Sicht der Bundesregierung stellt dies im Vergleich zur weiteren Arbeit an SIS II eine "zeitnahe und kostengünstige Lösung" dar.

Die Problematik um SIS II, die hohen finanziellen Verluste daran und die weitere Anwendung von SIS I gießen Wasser auf die Mühlen der Linkspartei, die den Ausbau des EU-Fahndungssystems generell kritisiert. Jan Korte von der Linksfraktion kommentierte dazu lakonisch: "Es ging in den letzten Jahren doch ganz offensichtlich auch so."