Am 4. Juni 2016 wollen Neonazis unter dem Motto „Tag der deutschen Zukunft“ in Dortmund aufmarschieren. Doch gegen dieses Vorhaben regt sich vielfältiger Protest.
Bis zu 1.000 Neonazis werden für den Aufmarsch in der Ruhrgebietsstadt erwartet. Der „Tag der deutschen Zukunft“ ist eine regelmäßig stattfindende bundesweite Nazi-Demonstration. Ins Leben gerufen wurde diese 2009 von der rechtsextremen „Initiative gegen Überfremdung“, hinter der die beiden norddeutschen Neonazi-Kader Thomas Wulff und Dieter Riefling stehen. Die ersten fünf Aufmärsche fanden daher regional beschränkt in Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Hamburg statt. 2014 wurde der Aufmarsch erstmals im sächsischen Dresden veranstaltet, im letzten Jahr war Neuruppin Ort des Geschehens. Der Aufmarsch zum „Tag der deutschen Zukunft“ ist also eine Art Wanderpokal der freien Kameradschaftszene und damit auch einer der wenigen noch regelmäßig stattfindenden Großaufmärsche. Thematisch wird auf die rassistische These der „Überfremdung“ Deutschlands Bezug genommen. Dem gegenüber propagieren die Neonazis ihre völkische Ideologie der „nationalen Volksgemeinschaft“.
Warum Dortmund?
Dass der Aufmarsch dieses Jahr in Dortmund stattfinden, hat mehrere Gründe. Zum einen ging mit dem 2012 ausgesprochenen Verbot des „Nationalen Wiederstand Dortmund“ (NWDO) auch der bis dahin regelmäßige Aufmarsch zum „Antikriegstag“ Anfang September verloren. Dieser hatte eine große Anziehungskraft und lockte Zeitweise auch Neonazis aus dem europäischen Ausland nach Dortmund. Zum anderen ist zu beobachten, dass die Dortmunder Neonazi-Szene unter Druck gerät. Viele ehemalige Führungskader haben sich aus der aktiven Arbeit zurückgezogen, nicht wenige Neonazis aus Dortmund müssen demnächst aufgrund unterschiedlicher Delikte Haftstrafen antreten.
Dies macht sich auch im Auftreten bemerkbar: parteipolitisch ist vom „Die Rechte“ Kreisverband nur wenig zu hören und auch die Aktionen im Vorfeld des Aufmarsches sind rar geworden und stellen keinen Vergleich zu dem dar, was Dortmunder Neonazis noch vor einigen Jahren organisiert haben. Lediglich zwei schlecht besuchte Versammlungen in Dortmund und Hamm vergangenes Wochenende sowie einzelne Werbeaktionen auf anderen Naziaufmärschen konnten bisher verzeichnet werden. Dass der „Tag der deutschen Zukunft“ nun nach Dortmund geholt wurde, könnte als Versuch gewertet werden, den Mythos der vermeintlich Nazihochburg wieder festigen zu wollen.
Breiter und kreativer Protest geplant
Die Ankündigung des Aufmarsches hat allerdings auch viele Nazigegner auf den Plan gerufen. Der antifaschistische Arbeitskreis „NoTddZ“ ruft dazu auf, den Naziaufmarsch „zu blockieren, zu sabotieren und zu verhindern“. Nach eigener Aussage soll dabei auf verschiedene Aktionsformen zurückgegriffen werden. Man sei mit „allen solidarisch, die mit sinnvollen und zielgerichteten Mitteln gegen den Naziaufmarsch agieren.“ Der Zusammenschluss hat bereits in mehreren deutschen Städten Mobilisierungsveranstaltungen abgehalten.
Das zivilgesellschaftliche Bündnis „Blockado“, welches aus linken Gruppen und Parteien besteht, ruft ebenfalls zur Verhinderung des Aufmarsches auf. Das Bündnis mobilisiert deutlich zu „Menschenblockaden, bei denen alle mitmachen können“.
Ein außergewöhnliches Mittel zur Blockade bereitet derzeit das Künstlerkollektiv „Tools for Action“ mit einer sogenannten „Spiegelbarrikade“ vor. Engagiert vom Schauspielhaus Dortmund bauen die Künstler gemeinsam mit Dortmunder Bürgern und Schülern zahlreiche aufblasbare und reflektierende Würfel gebaut, die am 4. Juni die Route des Aufmarsches blockieren sollen. Initiator Artur van Balen will damit den Neonazis, aber auch dem Rassismus in der Gesamtgesellschaft „den Spiegel vorhalten“.
Kritik an Strategie der Polizei
Wie in vielen Fällen zuvor auch, hat die Polizei Dortmund bisher nicht mitgeteilt, wo die rechte Demonstration genau stattfinden wird. Fest steht nur: die Dortmunder Nordstadt wird es nicht werden. Der migrantisch geprägte Stadtteil sollte nach Wunsch der Neonazis als Kulisse für den rassistischen Aufmarsch herhalten. Dem machte die Polizei allerdings einen Strich durch die Rechnung: Mit Blick auf Blick auf die Gefahrenprognose, die durch die zu erwartenden Gegenproteste bestehe, wurde laut einer Pressemitteilung „durchgesetzt, dass die Veranstaltung in Außenbereiche der Stadt verlagert wird“.
Mehr als dies vage Ortsbeschreibung lässt die Polizei derzeit allerdings nicht verlauten. Die drei Anti-Nazi Bündnisse „Blockado“, „Bündnis Dortmund gegen Rechts“ und der „Arbeitskreis NoTddZ“ kritisieren bei einer Pressekonferenz dieses Vorgehen. Auf diese Weise würde nicht nur der Protest erschwert werden, sondern auch die Grundrechte von Anwohnern beschnitten, da die betroffenen Stadtviertel ohne Vorwarnung entsprechend abgeriegelt würden. Blockado forderte den Polizeipräsident Gregor Lange daher auf, den Aufmarschort offen zu legen. „Die Anwohnerinnen und Anwohner müssen sofort über den Naziaufmarsch informiert werden, nicht erst wenige Stunden vor der faktischen Abriegelung ihres Stadtviertels und der Aushebelung ihrer Grundrechte“, heißt es von Seiten des Bündnis. Der Arbeitskreis „NoTddZ“ befürchtet zudem, dass der Aufmarsch dennoch in einem Viertel stattfindet, in dem viele Migranten wohnen: „Wir gehen davon aus, dass sich Polizei und Nazis darüber einig geworden sind, dass der Aufmarsch in einem anderen migrantisch geprägten Stadtteil in Dortmunds Norden stattfinden wird. Andernfalls hätten die Nazis gegen die Verlegung Klage eingelegt“, vermutete Sprecher Tobias Schmidt.
Unabhängig davon, wo die Neonazis aufmarschieren werden, zeichnet sich ab, dass am 4. Juni in Dortmund viel los sein wird. Durch den Bekanntheitsgrad des „Tag der deutschen Zukunft“ haben bereits viele antifaschistische Gruppen aus dem Bundesgebiet die Reise nach Dortmund angekündigt. Ob die Verhinderung gelingt, hängt allerdings stark davon ab, wie die verschiedenen Protestformen am Tag selber zusammen funktionieren werden.