Tillich: Westen weiß zu wenig über den Osten

Erstveröffentlicht: 
05.01.2016
Bundesratspräsident sieht noch viele Defizite Von Jörg Schurig

 

Dresden. Der sächsische Regierungschef Stanislaw Tillich (CDU) will als Bundesratspräsident das Verständnis der Westdeutschen für die mittel- und osteuropäischen Staaten verbessern. „Die Ostdeutschen können sich vermutlich eher in Russen hineinfühlen, die Westdeutschen sind mehr mit Westeuropa verhaftet. Ich möchte dazu beitragen, dass die 28 Länder der Europäischen Union stärker zusammenwachsen. Deshalb muss der Westen mehr über Ost- und Mitteleuropa wissen“, sagte Tillich gestern. Der Westen habe zu wenig Kenntnis über die Denkweise und die Mentalitäten im aufstrebenden Osten.

 

Tillich hatte im November den Vorsitz im Bundesrat übernommen. Schon bei seiner Antrittsrede warb er für Zusammenhalt in Deutschland und Europa. Die sächsische Präsidentschaft im Bundesrat steht unter dem Motto „Brücken bauen“. Auch in Deutschland sieht er dabei Handlungsbedarf. „Wir müssen alles dafür tun, dass das Zusammenleben der Menschen in unserer Gesellschaft funktioniert und Zuwanderer sich gut einleben können“, sagte er mit Blick auf die Flüchtlinge. Der Bundesratspräsident erinnerte dabei auch an die Feiern zum 25. Jahrestag der Deutschen Einheit. Jeder, der die zurückliegenden Jahre bilanziere, sehe neben vielen Errungenschaften auch Defizite: „Es ist noch nicht alles in dem Topf, wo es hingehört.“ Es gebe immer noch einen Teil von Westdeutschen, der nicht in den Osten komme. „Und es gibt einen großen Unterschied im Wissen über den jeweils anderen Teil des Landes und vor allem Europas. Ich stelle fest, dass die Westdeutschen relativ wenig mit Rumänien, Bulgarien oder Tschechien anzufangen wissen.“

 

Aktuell sieht Tillich viele Probleme in Deutschland durch die Flüchtlingsfrage überdeckt. Die jahrelange Null-Zins-Politik werfe beispielsweise die Frage der Alterssicherung auf. „Es wird in den kommenden Jahren wieder mehr um andere Themen gehen müssen. Was ist mit meinen Spareinlagen? Was ist mit meiner Rente? Das sind Fragen, die die Leute stellen werden.“ Man müsse aufpassen, dass auch die Brücken zwischen den Generationen nicht abbrechen.

 

„Die Flüchtlinge werden uns die Probleme der demografischen Entwicklung nicht lösen“, sagte Tillich. Wer das behaupte, liege falsch: „Dazu braucht man über Jahre hinweg eine kontinuierliche Zuwanderung.“ Benötigt werde ein Zuwachs, den die Gesellschaft verkraften könne, ohne allzu viel Lasten zu tragen und der für die Bevölkerung kaum spürbar sei.