Fehlende Pässe und Atteste: Warum Abschieben so schwer ist

Erstveröffentlicht: 
26.10.2015
Sachsen hat 2015 erst 812 Asylbewerber zurückgeschickt

VON THOMAS HARTWIG-BAUMANN UND ANDREAS DEBSKI

 

Dresden. Manchmal liegt es schlicht am Wetter. Es ist Nebel. Das Flugzeug kann nicht starten. Die Abschiebung von Asylbewerbern ist zunächst geplatzt. In diesem Jahr hat es die Zentrale Ausländerbehörde Sachsen (ZAB) bis Ende August geschafft, 812 Asylbewerber mit abgelehntem Asylantrag abzuschieben, teilt Mandy Taube von der Landesdirektion Sachsen auf Anfrage mit. Daneben verließen 647 Flüchtlinge den Freistaat freiwillig, da ihr Asylantrag ohne Chance auf eine Bewilligung gewesen war. Ende August gab es in Sachsen 4913 ausreisepflichtige abgelehnte Asylbewerber.

 

„Diese Zahlen sollen deutlich erhöht werden“, gab Innenminister Markus Ulbig (CDU) vor Kurzem als Maßgabe vor. So werde es nach dem organisatorischen Umbau der Zentralen Ausländerbehörde auch ein Referat geben, das sich speziell mit Rückführungen – ob nun freiwillig nach einer Beratung oder per Zwang – beschäftigt. „Ziel ist, dass wir uns intensiver um diejenigen Menschen kümmern können, die Schutz brauchen und eine Bleibeperspektive haben.“ Auch Thüringens Innenminister Holger Poppenhäger (SPD) hat ein härteres Vorgehen gegen abgelehnte Asylbewerber angekündigt. Da in diesem Jahr erst 161 abgeschoben wurden, sei „noch Luft nach oben“.

 

Laut Landesdirektion gibt es vielfältige Gründe für den „Nichtvollzug einer Abschiebung ausreisepflichtiger Personen“. Häufigstes Problem: Die Ausländer besitzen keine Reisedokumente. Etliche Heimatländer weigern sich, neue Pässe auszustellen. Was paradox klingt, ist zum Beispiel in den Fällen Iran oder Irak nahezu die Regel, auch Balkanstaaten kooperieren kaum. Momentan laufen dazu Gespräche auf hoher politischer Ebene. Häufig seien bei Abschiebungen die Hände gebunden, weshalb in den entsprechenden Flugzeugen schon Hunderte Plätze frei bleiben mussten.

 

Oft können Asylbewerber auch nicht abgeschoben werden, weil sie ärztliche Atteste vorlegen, die eine Reiseunfähigkeit bescheinigen. Wenn in einer fünfköpfigen Familie ein Mitglied reiseunfähig ist, werden auch die anderen nicht in die Heimat zurückgeführt. Das gilt auch für Asylbewerber, deren Antrag abgelehnt wurde, wenn bei anderen Familienangehörigen das Verfahren noch läuft. Geduldet werden auch Angehörige eines Minderjährigen, der im Besitz einer Aufenthaltsgenehmigung ist.

 

Eine Abschiebung wird auch dann ausgesetzt, wenn die Anwesenheit des Betroffenen in einem Strafverfahren als Täter, Opfer oder Zeuge notwendig ist. Einige Asylbewerber haben nach der Ablehnung ihres Antrages einen neuen, sogenannten Folgeantrag gestellt. Solange dieser vom Bundesamt nicht entschieden ist, werden sie nicht abgeschoben. Steht bei einem Betroffenen eine Hochzeit mit einer oder einem Deutschen bevor, muss die Abschiebung ausgesetzt werden. Das gilt auch für Väter von Kindern, deren Aufenthalt nur im Bundesgebiet möglich ist. Eine Abschiebung muss auch ausgesetzt werden, wenn der Betroffene einen Antrag bei der Sächsischen Härtefallkommission gestellt hat.

 

Das BAMF versucht wegen der hohen Hürden für eine Abschiebung, finanzielle Anreize für eine freiwillige Rückkehr zu setzen. So können Reisebeihilfen von 200 Euro pro Erwachsenen und 100 Euro für Kinder gezahlt werden. Starthilfen von 300 bis 750 Euro pro Erwachsenen und 150 bis 375 Euro pro Kind je nach Herkunftsland sollen die Bereitschaft der Betroffenen fördern, Deutschland freiwillig zu verlassen. Die Kosten sind deutlich geringer als bei einer Unterbringung beziehungsweise fälligen Abschiebung.