Harter Polizeieinsatz bei mehrmals verzögertem Legida-Trauermarsch

Erstveröffentlicht: 
24.09.2015

Knapp 500 rechtsextreme Legidaanhänger marschierten heute mit einem Sarg durch Leipzig. Begleitet wurden sie erneut von einem Großaufgebot der Polizei und mehreren hundert Gegendemonstranten. Diese zeigten sich so mobil wie selten zuvor und zwangen den Aufzug mit Hilfe zahlreicher Sitzblockaden zu mehreren Pausen.

 

Diesmal wollte Legida keine Reden halten, sondern nur spazieren gehen und dabei die Versammlungsfreiheit und den Rechtsstaat vor dem Rathaus symbolisch beerdigen. Dementsprechend verlief der Aufzug ruhiger als gewöhnlich. Aus den Lautsprechern dröhnten abwechselnd Trauermusik und die Hymne der DDR. Mehrere hundert Versammlungsteilnehmer waren dem organisierten rechtsextremen Spektrum zuzuordnen. Ihr Anteil an der Gesamtzahl der Teilnehmer war wohl noch nie so hoch wie heute.

 

Noch vor Beginn der Demonstration hatten No-Legida-Aktivisten auf der Goethestraße mehrere Sitzblockaden errichtet – die größte mit etwa 150 Personen. Zeitgleich strömten Gegendemonstranten auf die Ritter- und die Nikolaistraße, um mögliche Ausweichrouten ebenfalls zu blockieren. Die Polizei führte den Legida-Aufzug direkt an den Sitzblockaden auf der Goethestraße vorbei. Zum Teil mussten die Rechtsextremen mitsamt ihres Fahrzeuges den Fußweg nutzen.

Weiteren Protest in Rufweite gab es auf dem Augustusplatz. Auch hier bildeten eine Handvoll Aktivisten eine kleine Sitzblockade, die für den Demozug von Legida jedoch kein Hindernis darstellten. Deutlich schwieriger gestaltete es sich auf dem Ring neben dem Gewandhaus, wo auf beiden Fahrbahnseiten Gegendemonstranten Platz genommen hatten. Die Polizei führte Legida schließlich auf der äußeren Fahrbahn an etwa 100 Sitzenden vorbei. Bevor es zum Endziel Burgplatz ging, legten die Trauermarschierer am Wilhelm-Leuschner-Platz eine letzte Pause ein. Knapp 100 Personen hielten den Burgplatz besetzt, so dass Legida lediglich bis zum Ende der Hugo-Licht-Straße zog.

 

Dort ergriff Siegfried Däbritz, Mitglied des Pegida-Orgateams in Dresden, kurz das Wort. In erster Reihe lauschte ihm Stephane Simon, der noch vor drei Wochen von der Polizei abgeführt worden war und am Samstag auf der rechten Demo der „Offensive für Deutschland“ reden möchte. Im Publikum versammelten sich außerdem diverse NPD-Kader. Den Rückweg organisierte die Polizei über die City-Tunnel-Station am Wilhelm-Leuschner-Platz.

 

Zeitgleich befanden sich noch mehrere hundert No-Legida-Protestierer, die sich neben dem Gewandhaus an einer Sitzblockade beteiligt hatten, in einem Polizeikessel. Sie hätten diesen erst verlassen dürfen, nachdem ihre Personalien festgestellt worden wären. Laut Polizeibericht wurde diese Maßnahme vollzogen, „da in Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft Leipzig die strafrechtlich relevante Frage zu klären war, ob eine Verhinderungsblockade vorlag und das Vorbeiführen unter Umständen eine hierdurch erzwungene Streckenänderung darstellte.“

 

Einige gingen auf das Angebot der Polizei ein, andere wurden gewaltsam aus der Menge herausgegriffen. Direkt neben dem Kessel formierte sich eine mehr als 100 Personen starke Soligruppe, die versuchte, direkt am Ort eine Veranstaltung anzumelden. Nach etwa einer Stunde durften Journalisten den Gekesselten eine Kiste mit Nahrungsmitteln und Getränken überreichen, „um die Lage zu entspannen“, wie es von Seiten der Polizei hieß.

 

Die Landtagsabgeordnete Juliane Nagel (Die Linke) äußerte gegenüber den Einsatzkräften Zweifel, ob die Gekesselten während ihrer Blockade überhaupt dreimal zum Verlassen aufgefordert worden waren. Geklärt werden konnte dies im Laufe des Abends nicht mehr. Kurz nach 21 Uhr kam die Polizei zu der Erkenntnis, dass es sich nicht um eine Verhinderungsblockade handelte, und ließ die Aktivisten gehen.

 

Es war nicht die einzige fragwürdige Polizeimaßnahme des Abends. Während es zwischen Legida- und No-Legida-Demonstranten wohl zu keinen Zwischenfällen kam, agierte die Polizei sowohl gegenüber Protestierenden als auch Pressevertretern äußerst aggresiv. So wurde dem Autor im Laufe des Abends gezielt ins Gesicht gegriffen, ein Ellenbogen in den Oberkörper gerammt und mehrmals die Arbeit durch ausgedehnte Inspektion seines Presseausweises erschwert. Auch andere Journalisten klagten über offenbar gezielte Behinderungen ihrer Arbeit. So wurde einem von ihnen etwa verweigert, eine Sitzblockade, in die er geraten war, zu verlassen. Als er auf der Ausübung seiner Pressefreiheit bestand, wurde er einfach in die Sitzenden hineingestoßen. Andere anwesende Journalisten, die sich klar als solche zu erkennen gaben, wurden ebenfalls zurückgedrängt.

 

Noch schlimmer erging es einigen der Gegendemonstranten. Zwar duldete die Polizei die meisten der insgesamt etwa ein Dutzend Sitzblockaden. Jedoch wurden einige weitere Versuche brutal unterbunden. Die Aktivisten wurden durch die Gegend geschleudert; teilweise warfen sich Polizisten einfach in sie hinein oder auf sie drauf. Am Gewandhaus schlug eine junge Frau mit dem Kopf auf dem Asphalt auf und erlitt dabei augenscheinlich starke Schmerzen. Insbesondere der Sinn einer Räumung einer kleineren Blockade neben dem Gewandhaus erschließt sich nicht – schließlich nutzte Legida sowieso die andere Fahrbahn.

 

Das Vorgehen der Polizeikräfte steht insbesondere im krassen Gegensatz zum ausschließlich friedlichen Agieren der Gegendemonstranten. Noch am Abend übten das Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ und die Initiative „No Legida“ harsche Kritik am Einsatz der Beamten.

 

Im Bericht zum Versammlungsgeschehen heißt es am Ende dennoch: „Die Polizeidirektion Leipzig zieht ein positives Einsatzfazit. Zwar blieben Blockadebestrebungen und beiderseitige Verbalattacken nicht aus, doch im Gegensatz zu vormaligen Erfahrungen waren mit jetzigem Wissensstand keine Gewalttätigkeiten zu verzeichnen.“