Nach Freital? Nein, danke.

Erstveröffentlicht: 
18.07.2015

Freital macht Schlagzeilen. Das Bild, das durch die Anti-Asyl-Proteste entsteht, hat Folgen – vor allem für den Tourismus.

Den Ruf der Stadt wiederherstellen – das war das Ziel von Freitals Erstem Bürgermeister Mirko Kretschmer-Schöppan auf der Bürgerversammlung Anfang Juli. Durch die Anti-Asyl-Proteste droht die Stadt Schaden zu nehmen. Über die teils gewalttätigen Proteste vor dem Asylbewerberheim im ehemaligen Leonardo berichteten inzwischen überregionale Medien von den ARD-Tagesthemen und das Heute-Journal des ZDF bis zur Süddeutschen Zeitung, der Wochenzeitung Die Zeit und Spiegel Online.

 

Über „Vergleiche mit Hoyerswerda und Rostock“, wo Rechtsradikale in den 1990er-Jahren Anschläge auf Asylheime verübten, wurde geschrieben, von „Pogromstimmung“ war die Rede und davon, dass in den Gesichtern „die Lust auf Lynchen“ glühe. Sogar in internationalen Medien wie der britischen Tageszeitung The Independent erschien ein Artikel über die Proteste in Freital. „Der Hype baut wahrscheinlich auf dem auf, was in der jüngeren Vergangenheit in Dresden passiert ist“, sagte Wolfgang Donsbach vom Institut für Kommunikationswissenschaft an der TU Dresden dem MDR. „Durch die Ereignisse rund um Pegida wurde ein bestimmter Nachrichtenwert erzeugt, was den Umgang mit Asylbewerbern angeht.“

 

Noch könne man nicht konkret sagen, welche Auswirkungen das auf den Tourismus in der Region habe, sagt Kerstin Rosenbaum, Sprecherin des Tourismusverbands Sächsisches Elbland. Die aktuellsten Zahlen sind von April und „spiegeln nicht die momentane Situation wider“. Nach Angaben des Statistischen Landesamtes kamen von Januar bis April dieses Jahres 1 706 Gäste nach Freital, die 3 939 Übernachtungen buchten – nur fast halb so viele wie im gleichen Zeitraum 2014.

 

Bereits im zweiten Halbjahr 2014 gingen die Touristenzahlen zurück. Grundsätzlich färben die Trends für Dresden auf das Umland ab. „Wenn es in Dresden negative Zahlen im Vergleich zum Vorjahr gibt, sind auch im Elbland ähnliche Entwicklungen erkennbar“, sagt Kerstin Rosenbaum. „Ein Zusammenhang mit Pegida ist aber nicht zwingend.“

 

Spürbar sind die Folgen der Anti-Asyl-Proteste trotzdem bereits. Für die Hotelbranche in Freital seien die Proteste „sehr schlecht“, sagt Anne Gliemann vom Freitaler Hotel Zur Linde. „Wir hatten bisher zwei Absagen.“ Ein Gast habe seinen geplanten 14-tägigen Aufenthalt storniert, weil seine Frau aus Kroatien stamme und Angst habe. „Ein anderer sagte, es sei gruselig, was berichtet wird, er werde erst einmal nicht nach Freital kommen.“

 

„Die größten Auswirkungen werden dort zu verzeichnen sein, wo durch die deutschlandweite Berichterstattung über konkrete Ereignisse ein allgemeines Negativbild entsteht“, sagt Kerstin Rosenbaum. Das betrifft vor allem Freital und Meißen. In der Touristeninformation in Meißen seien nach Angaben des Tourismusverbandes vereinzelte Anrufe und E-Mails wegen der ausländerfeindlichen Einstellung eingegangen, in denen es heißt, dass von einem Besuch der Stadt derzeit Abstand genommen werde. „Gebuchte Zimmer sind in Meißen bisher nicht storniert worden“, so Kerstin Rosenbaum.

 

In Meißen verübten Unbekannte Ende Juni einen Brandanschlag auf geplante Flüchtlingswohnungen. Am vergangenen Wochenende rief die Organisation „Initiative Heimatschutz“, die durch rassistische, menschenverachtende und antisemitische Beiträge bei Facebook auffällt, zu einer Kundgebung auf. Etwa 200 Teilnehmer kamen, darunter auch Mitglieder der sogenannten „Bürgerwehr FTL/360“, einige trugen schwarze Fahnen mit der Aufschrift „Freital“.

 

In der Touristeninformation in Freital gab es ebenfalls Anrufe und E-Mails zu den Protesten. „Das hat aber keine konkreten Auswirkungen“ sagt Stadtsprecherin Inge Nestler. Ihr sei nichts dergleichen bekannt. „Einige Hoteliers und Vermieter, mit denen wir in Kontakt stehen, sind voll ausgelastet.“

 

Auch für Dippoldiswalde verzeichnet der dortige Tourismusverband aktuell noch keine Einbrüche in den Buchungen – obwohl dort ebenfalls seit Monaten Anti-Asyl-Proteste stattfinden. „Für uns ist es eine der wichtigsten Aufgaben, das Erzgebirge nach außen hin als eine attraktive und weltoffene Reiseregion zu präsentieren“, sagt Doreen Burgold, Sprecherin des Tourismusverband Erzgebirge.

Für Anne Gliemann vom Freitaler Hotel Linde ist die Berichterstattung über die Stadt „fast Rufmord“.

 

Es werde so dargestellt, dass alle Freitaler gegen Ausländer sind. „Wir sind hier der Buhmann für alle anderen Städte.“ Die Inhaberin des Hotels Linde ist froh, dass viele ihrer Gäste geschäftsmäßig in Freital zu tun haben. „Würden wir nur von Urlaubern abhängig sein, wären unsere Einbrüche noch größer.“ Es brauche dringend eine Aufwertung der Region.