Aktion gegen Polizeigewalt und IPOMEX

Aktion gegen Polizeigewalt und IPOMEX 1

Münster - Aktion gegen Polizeigewalt und IPOMEX Vom 14. - 16.04.2015 findet in Münster die internationale Polizeifachmesse "IPOMEX" in ihrer 7. Auflage statt. In diesem Jahr wird sie erstmals zusammen mit der NATO-Beschaffungsmesse "Defense Expo" ausgerichtet. Unter einem Dach werden sich also Vertreter_innen von Polizei, Militär, Rüstungs-/Sicherheitsfirmen und den Geheimdiensten in der Halle Münsterland treffen. Auf dem Programm stehen neben der Ausstellung aktueller Repressions- und Militärtechnik auch Vorträge und Symposien Schulung und zur informellen Vernetzung der Teilnehmer_innen.

Die tödlichen Folgen dieser Aufrüstung und Vernetzung werden auf der IPOMEX nicht thematisiert. Dabei gehört Gewalt durch Angehörige der sogenannten "Sicherheitsbehörden" für viel zu viele Menschen zum Alltag. Um darauf aufmerksam zu machen, wurden am Samstag an verschiedenen Stellen in der Münsteraner Innenstadt Kreideumrisse und erklärende Infotafeln angebracht. Jeder dieser Umrisse steht symbolisch für Opfer und Betroffene von Polizeigewalt.

Bei der Polizei stieß die deutliche Kritik erwartungsgemäß auf wenig Verständnis. Mehrere Beamt_innen einer Hundertschaft verbrachten ihren Vormittag damit, die in der ganzen Innenstadt verteilten Infotafeln und das angebrachte Absperrband abzuräumen. Dabei waren sie allerdings nicht allzu erfolgreich, denn aufmerksame Beobachter_innen können noch Kreideumrisse und Infotafeln entdecken.


Die Infotafeln:
- Tödliche Zusammenarbeit vor den Toren Europas
- Oury Jalloh - das war Mord!

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Tödliche Zusammenarbeit vor den Toren Europas

Dieser Umriss steht symbolisch für einen der vielen tausend Menschen, die in den letzten Jahren auf der Flucht vor Krieg, Folter und Armut an den Außengrenzen der europäischen Union ums Leben gekommen sind. [1] Ihr Tod wird nicht nur seit Jahren billigend in Kauf genommen, er ist ein ganz offenes Kalkül und soll der Abschreckung dienen. So hatte sich der deutsche Innenminister Thomas de Maiziere kürzlich für ein Ende der italienischen Seenotrettungsmission "Mare Nostrum" stark gemacht, da er sie als "Brücke nach Europa" ansah. Seit der Einstellung der Mission starben wieder deutlich mehr Menschen vor den europäischen Küsten. [2]

Die deutschen Polizeibehörden beteiligen sich seit geraumer Zeit aktiv an den Missionen der EU-Grenzschutzagentur FRONTEX, welche mit immensen Mitteln die Einsätze an den EU-Außengrenzen unterstützt und koordiniert. Neben zahlreicher personeller Unterstützung wird der Verwaltungsrat von FRONTEX seit 2013 von Ralf Göbel, einem CDU-Politiker und Beamter im deutschen Innenministerium, geleitet. Die operative Leitung aktueller Missionen liegt beim ehemaligen Bundespolizisten Klaus Rösler. [3]

Neben dem Einsatz für FRONTEX beteiligen sich deutsche Polizeien auch an den gemeinsamen internationalen Polizeieinsätzen der EU, die teilweise unter Kontrolle von FRONTEX, teilweise unter dem Label "European Union Border Assistance Mission" firmieren. [4] Diese Missionen dienen vor allem dem Ausbau des Grenzschutzes in den Anreinerstaaten der EU. Auf diese Weise soll die Bekämpfung illegalisierter Migration weiter weg von den EU-Außengrenzen verlagert werden. Die Verantwortung für die schmutzige Arbeit der Grenzschutzagenturen sollen dann andere auf sich nehmen.
Bei der Auswahl der Kooperationspartner zeigt sich die EU auch entsprechend tolerant, so wurden in den letzten Jahren der libysche Grenzschutz ausgebildet [5], die Bundespolizei trainierte zusammen mit den mittlerweile zu trauriger Berühmtheit gelangten ukrainischen "Berkut"-Einheiten [6] und den Milizen des weißrussischen Regimes [7]. Arbeitsabkommen mit Ägypten und Marokko sind in der Verhandlung. Menschenrechtliche Standards spielen dabei keine Rolle, was zählt sind Abschreckung und effiziente Sammelabschiebungen in das Elend.
Die InnenministerInnen der EU arbeiten derweil weiter daran, den erstmalig von Otto Schily eingebrachten Vorschlag, Lager für Asylsuchende in Afrika einzurichten, als "Willkommenszentrum" zu vermarkten. [8]
 
Diese Politik wird auch in Münster betrieben. Vom 14. bis 16. April findet in Münster die 7. Auflage der internationalen Polizeifachmesse "IPOMEX" statt. Die Rüstungsschau wird auch in diesem Jahr von einem Rahmenprogramm begleitet, in welchem sich die Anwesenden ganz informell auf dem kurzen Dienstweg austauschen und vernetzen können. Das diesjährige Symposium steht unter dem Motto "Auslandseinsätze der Polizei". [9] Dort werden Vertreter und Vertreterinnen von Polizei & Militär gemeinsam über die Zukunft der Auslandseinsätze der (Bundes)Polizei diskutieren. Sie gestalten dabei auch die tödliche Festung Europa mit.

Tear down the walls of Fortress Europe! Migration is not a crime!

Quellen:
[1] http://www.proasyl.de/de/news/detail/news/flucht_ueber_das_mittelmeer_ue...
[2] http://www.deutschlandfunk.de/fluechtlinge-italien-beendet-rettungsaktio...
[3] http://jungle-world.com/artikel/2015/09/51501.html
[4] http://eeas.europa.eu/csdp/missions-and-operations/index_en.htm
[5] http://eeas.europa.eu/csdp/missions-and-operations/eubam-libya/index_en.htm
[6] http://www.heise.de/tp/artikel/43/43963/1.html
[7] http://www.tagesspiegel.de/politik/ausbildungshilfe-der-deutschen-polize...
[8] http://www.tagesspiegel.de/politik/ausbildungshilfe-der-deutschen-polize...
[9] http://www.ipomex.de/de/rahmenprogramm   

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Oury Jalloh -  das war Mord!

Am 7. Januar 2005 starb Oury Jalloh im Polizeigewahrsam auf dem Polizeirevier Dessau. Die Umstände seines Todes sind bis heute nicht abschließend geklärt. Oury Jalloh wurde in den frühen Morgenstunden alkoholisiert in Dessau festgenommen. Ein Arzt stufte ihn als gewahrsamsfähig ein, daraufhin wurde er von den Beamten in eine Zelle gebracht und dort an Armen und Beinen fixiert. Gegen 12 Uhr brach in der Zelle ein Brand aus und Oury starb in den Flammen.
Wie es zu dem Brand kam wurde nicht aufgeklärt, da sich die Staatsanwaltschaft schon früh auf die Hypothese festlegte, dass Oury, obwohl er an Armen und Beinen gefesselt und vorher durchsucht worden war, die schwer entflammbare Matratze selbst in Brand gesteckt habe.

Das Landgericht Dessau sprach Andreas S., den Dienstgruppenleiter der Wache, in erster Instanz trotz belastender Aussagen einer Kollegin frei. Nach der Aufhebung des Urteils in der Revision wurde S. schließlich in zweiter Instanz vom Landgericht Magdeburg wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe in Höhe von 10.800 Euro verurteilt. Dieses Urteil ist mittlerweile rechtskräftig.
Trotz zahlreicher Widersprüche, Ermittlungsfehler und neuen Hinweisen auf mögliche Tatbeteiligte bedurfte es eines Gutachtens durch einen unabhängigen Brandgutachter, um die Staatsanwaltschaft Dessau im April 2014 zur erneuten Aufnahme von Ermittlungen zu bewegen. Dass institutioneller Rassismus ein Problem deutscher Ermittlungsbehörden ist und man von diesen keine lückenlose Aufklärung in den eigenen Reihen erwarten kann, zeigt nicht zuletzt das Versagen der Behörden bei der Aufklärung der Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU). Es besteht also wenig Grund, auf eine Aufklärung des Mordfalls Oury Jalloh zu hoffen.

Vom 14.-16. April findet in Münster die Polizeifachmesse IPOMEX statt. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit können an drei Tagen Angehörige internationaler Polizeien, des Militärs und der Geheimdienste die neueste Ausrüstung bestaunen. Institutioneller Rassismus, unabhängige Aufsichtsstellen für die Polizeien oder Anlaufstellen für Opfer von Polizeigewalt stehen hingegen nicht auf dem Rahmenprogramm.

Weitere Informationen zu finden unter:
- http://nichtdieguten.noblogs.org
- https://initiativeouryjalloh.wordpress.com/
- http://www.wdr5.de/sendungen/dok5/ouryjalloh110.html