Der Fall Tröglitz: Sachsen-Anhalt setzt auf mehr Nachbarschaftsinitiativen

Erstveröffentlicht: 
12.03.2015

Bessere Willkommenskultur soll gefördert werden / Städtetag: Anfeindungen gibt es ebenfalls in Sachsen

 

Von Romy Richter


Tröglitz. Die Probleme mit Rechtsextremisten rund um die Unterbringung von Flüchtlingen in Tröglitz im sachsen-anhaltischen Burgenlandkreis beschäftigen weiter die Politik. Eine solche bedrohliche Situation, wie sie den Ortsbürgermeister Markus Nierth (parteilos) zum Rücktritt zwang, soll sich nicht wiederholen. Dabei geht es auch um die Verbesserung einer Willkommenskultur für Zuwanderer. Anfeindungen von Rechts gibt es allerdings auch in anderen Orten immer wieder.


In dem 2700 Einwohner zählenden Tröglitz muss indes innerhalb von zwei Monaten ein neuer ehrenamtlicher Ortsbürgermeister gewählt werden. Der Ortschaftsrat werde diesen aus seiner Mitte wählen, teilte der zuständige Burgenlandkreis gestern mit. Bis zur Neuwahl übernimmt der bisherige Stellvertreter die Amtsgeschäfte. Nierths Rücktritt, nachdem Rechte direkt vor seinem Wohnhaus gegen die Unterbringung von 40 Asylbewerbern demonstrieren wollten, hatte hohe Wellen geschlagen. In der ZDF-Sendung "Markus Lanz" betonte Nierth gestern, dass Tröglitz keinesfalls braun sei. Vielmehr habe die rechtsextreme NPD die Sorgen und Nöte einzelner Menschen gezielt instrumentalisiert. Es seien Demonstrationsteilnehmer aus anderen Orten "herangekarrt" worden, sagte Nierth.


Die Mobile Beratung für Opfer rechter Gewalt in Sachsen-Anhalt beobachtet die Situation zunehmend mit Sorge. Antje Arndt von der Beratungsstelle macht für die nach wie vor hohe Zahl von rechten Gewalttaten auch eine Stimmung verantwortlich, die durch offene, rassistische Diskurse noch begünstigt werde: "Oft heißt es: Das wird man doch mal sagen dürfen. Doch überall, wo Rassismus salonfähig wird, nimmt auch rassistische Hetze zu und die Gefahr von Gewalttaten steigt. Die Grenze, dann auch zuzuschlagen, ist oftmals schnell erreicht."


Demonstrationen gegen Flüchtlinge, Aufmärsche wie Pegida oder Legida beförderten "ein Klima der Angst und Gewalt", sagte Arndt in Halle. "Jeder, der sich dort mit auf die Straße stellt, macht sich mit den Rassisten gleich, selbst wenn er meint, er lehne Gewalt ab. Im Prinzip unterstützen die Demonstranten damit auch diese Straftaten."


Dass es offenbar einen Zusammenhang gibt, zeigt die Statistik rechter Gewalttaten des RAA Sachsen: 257 Angriffe zählten die Beratungsstellen 2014, im Jahr davor waren es 223. Besonders die Zunahme der Straftaten in Dresden sei dem Anschein nach auf die teils offen rassistische Stimmung, die durch die Anti-Asyl-Demos erzeugt wurde, zurückzuführen, heißt es.


Anfeindungen gibt es auch gegen Bürgermeister in Sachsen. "Als Kommunalpolitiker stellen sich Bürgermeister jeder sachlichen Kritik, aber persönliche Anfeindungen, Bedrohungen der Familie und Sachbeschädigungen sind nicht hinnehmbar," sagte der Geschäftsführer des Sächsischen Städte- und Gemeindetags, Mischa Woitschek. Staat und Gesellschaft seien hier gefragt, die Bürgermeister zu schützen. "Dazu zählen die konsequente Verfolgung von Straftaten und der sensible Umgang mit Demonstrationsrouten ebenso wie die bestmögliche Unterstützung der Kommunen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben, etwa der Asylbewerberunterbringung."


Sachsen-Anhalts Integrationsbeauftragte Susi Möbbeck sprach sich indes dafür aus, Einwohner so früh wie möglich über die Unterbringung von Flüchtlingen zu informieren. Rechtzeitige Bürgerversammlungen seien sehr wichtig. Möbbeck mahnte: "Wenn Gerüchte und Fehlinformationen erst einmal kursieren, ist das die Grundlage, auf der Populisten und Nazis ihr Süppchen kochen."


Sachsen-Anhalt will Nachbarschaftsinitiativen für Flüchtlinge künftig stärker fördern. In einem Engagement-Fonds stünden zunächst 60000 Euro bereit, Vereine und Initiativen könnten bis zu 2500 Euro erhalten, so Sozialminister Norbert Bischoff (SPD) gestern in Magdeburg. Es gehe eben nicht nur darum, Zugewanderten ein Dach über dem Kopf zu bieten, sondern auch eine neue Heimat.