Abschluss der Schwarzfahr-Aktionstage: Prozess in Gießen am 5.3.2015 ... wie jetzt weiter???

2.3.2015: Offenes Schwarzfahren, Gespräche und Flyern unterwegs von Kempten nach München

30 Stunden Daueraktion gegen Strafen für Schwarzfahren und für einen Nulltarif im öffentlichen Nahverkehr: Start in Kempten, Aktions-Zugfahrt nach München, dort Aktionen, Demos und ein Strafprozess, dann die aufreibende Aktions-Zugfahrt nach Frankfurt, am 3.3. der zweite Tag mit Aktionszugfahrt nach Gießen und dem Prozess dort und eine weitere Aktionszugfahrt ab Göttingen (Überblick über alles). Hier folgt der genauere Bericht des vorläufig letzten Teils dieser Aktion, nämlich den 5.3.2015 in Gießen.

 

8.30 Uhr im Raum 15 des Landgerichts Gießen

 

Das war heute sehr kurz. Der Angeklagte Jörg Bergstedt stellte sofort einen Befangenheitsantrag gegen Richter Nink. Das ist der, der ihn für eine Feldbefreiung sechs Monate hinter Gitter schickte und die hohe Strafe unter anderem mit der staatskritischen Einstellung des Aktivisten begründete. Er hörte sich den Befangenheitsantrag an und sagte dann, dass er zu 50% Prozent damit gerechnet hätte, das genau so etwas kommt. Zu den anderen 50% Prozent äußerte er sich nicht, formulierte aber noch, dass er davon ausginge, dass noch einige Überraschungen kommen werden. Sodann brach er den Prozess, den er zusammen mit einer Schöffin und einem Schöffen leitet, ab. Der Staatsanwalt distanzierte sich noch von der Unterstellung, der § 265a StGB sei ein Nazi-Paragraph. Es sei jedenfalls kein nationalsozialistisches Gedankengut in ihm (dass er 1935 beschlossen wurde, konnte er ja nicht leugnen). Das eigentlich Spannende passierte nach dem offiziellen Ende. Richter und Angeklagter gerieten in eine politische Debatte, deren Hintergrund der politische Schlagabtausch aus dem Jahr 2009 mit acht Verhandlungstagen um die Feldbefreiung war. Auch hatte Richter Nink seine Beteiligung an der sogenannten Federballaffäre überprüft. Bouffier und Umfeld wollten Bergstedt damals mit erfundenen Straftaten aus dem Weg räumen - viele Richter_innen machten mit und deckten die Aktion mit ihren Beschlüssen, darunter auch einmal Nink. So entsponn sich eine politische Debatte um Sinn und Unsinn von Strafe, Justiz, Gefängnissen usw. Manch Einwurf aus dem Publikum würzte das Geschehen. Alle Beteiligten waren der Auffassung, dass dieser Prozess noch einigen Raum für "anarchistische Winkelzüge" (in Anlehnung an den etwas seltsamen taz-Kommentar) bieten würde.

 

Als nächster Termin ist der 18. März um 9 Uhr wieder im Landgericht Gießen festgelegt. Wenn Richter Nink Recht behalten sollte, dürften alle, die dort hinkommen, noch rechtzeitig zu den Blockupy-Protesten weiterreisen können - dem "anarchistischen Winkeladvokaten" sei Dank?

 

Als Ausgleich, dass vom heutigen Tag nicht soviel zu berichten ist, gibt es jetzt noch ein paar Bilder der vergangenen Tage - Screenshots der vielen offenen oder verdeckten Filmmitschnitte (hat deshalb etwas gedauert). Das Wichtigste aber: Das war die Aktionswoche. Eine Chance hat sie nur dann, wenn die Sache erst richtig auflodert: Aktionen, Schwarzfahren mit Schild und Flyern, offensive Gerichtsprozesse, Ticketteilen ...

 

Wäre schön, wenn auch Umweltverbände, Rechtshilfegruppe, sozialpolitische Initiativen aus ihrer Versenkung auftauchen - beim Prozess in Gießen fehlten sie (wie leider üblich) mal wieder.

  • Informationen, Gesetzestexte und -kommentare, Urteile und Studien zum Nulltarif unter www.schwarzstrafen.de.vu.
  • Und wer sich nochmal das Mobilisierungsvideo angucken will ... hier
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da dieser unangenehme zeitgenosse jörg b. da offenbar eine größere rolle spielt, dürfte zumindest keine massenbewegung entstehen. die meisten aktivist*innen, die zu einem solchen thema was machen könnten, dürften keinerlei lust haben, irgendwie mit jörg b. zusammenzuarbeiten.

 

https://linksunten.indymedia.org/de/node/51444

Da der "unangenehme Zeitgenosse Jörg B." neben anderen Aktivitäten (welchen auch immer) nicht müde wird die dogmatischen und autoritären Verhaltensweisen innerhalb der linken Eliten zu kritiseren, stellt sich die Frage, inwiefern hier versucht wird unbequeme Meinungen unter den Teppich zu kehren und emanziperte Leute mundtot zu machen.

... es scheint mir doch immer sinnvoll, sich auf die Inhalte und die Botschaft zu konzentrieren. Welche Menschen miteinander sich zu welchen Aktioen zusammenfinden entscheidet doch jeder selber für sich. Das ist es doch was uns beflügelt, dass wir aus unserem Inneren heraus gestalten. Ich wünsche mir, dass wir einander achten mit der jeweils einzigartigen Botschaft und den wichtigen Puzzleteilen die jeder einzelne beiträgt. Ich finde die Freifahraktionen sehr wertvoll und mutig, sehr einsatzbereit, konsequent und ich ziehe meinen Hut vor Euch.

alleine die tatsache, dass aktionsfotos offenbar prinzipiell unverpixelt veröffentlicht werden, so wie unter dem artikel oben, dürfte aktivist*innen dazu bewegen, der geschichte mit einer gewissen distanz gegenüberzustehen.

Wir nehmen ja gerne Kritiken an und neue Vorschläge, aber mitunter ist eine Begründung sinnvoll. Die Aktivistis sind gefühlt 100x kontrolliert, permanent von der Polizei verfolgt, gekesselt, festgenommen und fotografiert, wieder freigelassen und wieder verhaftet worden. Zudem sind die Aktivistis in Zeitungen mit Fotos zu sehen usw. - warum verpixeln? Es war ja eine extrem öffentliche Aktion und die Beteiligten fanden die Veröffentlichung ohne Verpixelung auch okay. Dass Szeneregeln über dem Selbstbestimmungsrecht der Aktiven stehen, ist zwar verbreitet - aber muss deshalb gar keine Begründung mehr geliefert werden? Wenn Menschen eine Aktion machen und nicht verpixeln wollen, kann dann irgendein Szene-ZK das geißeln? Und wer Aktionen mit Verpixeln machen will, soll das dann doch genauso tun - von uns wird daran keine Kritik geübt werden, denn Selbstbestimmung ist die Grundidee der Emanzipation. Wer allerdings gar keine Aktion macht, kann dann die nicht vorhandenen Fotos auch nicht verpixeln ...