"Die Eisenbahnstraße ist nicht kriminell"

Erstveröffentlicht: 
15.09.2014

Anwohner und Händler diskutieren im Rabet

Von Frank Schubert


Zu den 20 "Freiräumen" entlang der Eisenbahnstraße, die sich am Sonnabend zum Auftakt des mehrwöchigen "Ost-Lichter"-Festivals präsentierten, gehört auch der Stadtteilpark Rabet. Hier veranstaltete die Initiative "Rassismus tötet" zusammen mit dem Verein Roter Baum einen antirassistischen Kulturtag. Hip-Hop-Musik, Infostände, Siebdruck-Angebote, Graffiti-Wand und Workshops gegen die einseitige Wahrnehmung des Stadtteils als Problemviertel und kriminelle Parallelgesellschaft mit hohem Migrantenanteil.


Trotz hartnäckiger Regenschauer war die Veranstaltung den ganzen Tag über gut besucht. Besonders großes Interesse gab es an einer Podiumsdiskussion mit dem provokanten Titel "Die Eisenbahnstraße - gefährlichste Straße Deutschlands?!" Ein großes Banner mit der Aufschrift "Kriminell ist nicht die Eisenbahnstraße, sondern kriminell ist das System" verdeutlichte unmissverständlich die Position der antirassistischen Aktivisten. Ganz so systemkritisch und verbal-radikal ging es auf dem Podium zwar nicht zu. Trotzdem erteilten die eingeladenen Anwohner und Geschäftsinhaber dem Ruf der Straße als Kriminalitätsschwerpunkt eine einhellige Absage.


Rolf Müller (77) von der Händlergemeinschaft "Lo(c)kmeile Eisenbahnstraße", dessen Familie hier seit 1955 das Unternehmen "Messer-Müller" betreibt, erhielt viel Beifall für seine Aussage: "Die Eisenbahnstraße ist nicht kriminell, sie wird nur von einigen Medien dazu hochstilisiert." Einzelfälle würden verallgemeinert. Er selbst komme gut mit den hier lebenden Türken, Kurden und Russen aus, berichtete der Instrumentenschleifermeister. Rudaba Badakhshi vom Migrantenbeirat der Stadt erinnerte daran, dass ein Großteil der Menschen mit Migrationshintergrund inzwischen einen deutschen Pass habe, daher nicht pauschal als Ausländer bezeichnet werden sollte. "Wir müssen trennen zwischen Kriminalität und der Zuschreibung auf eine bestimmte Gruppe." Sie wies auf das rege Vereinsleben, kulturelle Aktivitäten und die vielfältigen Läden hin, die auch Menschen aus anderen Stadtteilen anziehen. Burcu Arslan erzählte davon, dass sie acht Jahre in Asylheimen gelebt hat und in dieser Zeit nicht arbeiten durfte. Inzwischen studiert sie Politikwissenschaft und begrüßt es sehr, dass immer mehr Studenten und junge Leute in die Eisenbahnstraße ziehen.


Weniger Einigkeit gab es auf dem Podium beim Thema Polizei. Zwar begrüßten alle die Einrichtung des neuen Polizeipostens in der Eisenbahnstraße, der allerdings nur tagsüber besetzt ist. Ob sich dadurch wirklich etwas verbessert, müsste überprüft werden, forderte Rudaba Badakhshi. "Wichtiger ist doch, wie schnell die Polizei da ist, wenn sie gerufen wird." Sie kritisierte die zunehmenden verdachtsunabhängigen Kontrollen als "Racial Profiling" - oft würden Migranten nur wegen ihres Aussehens kontrolliert. Und Burcu Arslan berichtete davon, dass die Präsenz der Polizei manchmal höher ist als ihr tatsächliches Engagement. So sei eine Streife einmal bei einer Schlägerei einfach vorbeigefahren. Darauf angesprochen hätte einer der Beamten gesagt: "Ich bin Polizist für Leipzig, nicht für die Eisenbahnstraße. Dafür riskiere ich mein Leben nicht."