Schlagstöcke und Pfefferspray

Erstveröffentlicht: 
25.07.2014

Trotz juristischer Konsequenzen: Rechtsextremisten agieren in Berlin-Schöneweide weiterhin gewalttätig.

Mit dem Wegbrechen mehrerer wichtiger Strukturen wie der Szenekneipe „Zum Henker“ oder dem Militaria-Laden „Hexogen“ ist die rechte Szene in Berlin-Schöneweide nachhaltig geschwächt. Ob die daraus resultierende, zurückgehende Präsenz von organisierten und subkulturellen Neonazis auch zu einem Rückgang der Gewalt führen wird, bleibt abzuwarten. In den letzten Wochen kam es zwar wieder zu Übergriffen, aber auch zu juristischen Konsequenzen für die Täter solcher Aktionen.

 

Über den Prozessauftakt gegen zwei rechte Schläger titelte eine Berliner Tageszeitung: „Nur wenn er säuft, ist er Nazi“. Gemeint ist der 21-jährige Christian M., der sich gleich wegen mehrerer gewalttätiger Delikte vor dem Amtsgericht Tiergarten verantworten musste und seine Taten mit übermäßigem Alkoholgenuss zu relativieren versuchte. Zusammen mit dem ebenfalls angeklagten David B. (24) hatte er am 8. Mai vergangenen Jahres in einer Tram in Berlin-Lichtenberg lautstark Musik gehört und „Sieg Heil“ gebrüllt. Als sich ein Fahrgast daran störte,  wurde er von dem  Duo mit Pfefferspray und einer Glasflasche attackiert. Ein weiterer Fahrgast griff ein und schaffte es, die beiden Randalierer bis zum Eintreffen der Polizei festzuhalten.

 

Faustgroße schwarze Sonne als Tätowierung

Nur wenige Wochen später wurde M. erneut gewalttätig: Am 21. Juni schlug er einen Bekannten nieder und pöbelte bei der Festnahme Naziparolen. Drei Tage später schließlich zog M. nachts mit einem Baseballschläger durch die Schnellerstraße in Schöneweide und attackierte einen Mann von hinten, den er für einen Ausländer hielt. Gegenüber der Polizei rechtfertigte er die Tat: „Die sollen hier abhauen, die Scheißausländer.“

 

Vor Gericht zeigten sich beide Angeklagten teilweise geständig, bestritten aber eine rechte Gesinnung, wobei im Nacken von B. jedoch eine faustgroße schwarze Sonne als Tätowierung prangte. Trotz Vorstrafen kamen beide mit Bewährungsstrafen davon: Der Angeklagte M. wurde zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wird, wenn er regelmäßig am Kurs „Schluss mit Suff“ teilnimmt. Sein Mittäter B. bekam eine Haftstrafe von einem Jahr auf Bewährung.

 

Auch der Usedomer NPD-Stadtverordnete Daniel Ohm wurde vor wenigen Wochen für eine Attacke in Schöneweide am Amtsgericht Berlin-Tiergarten verurteilt. Er hatte am 1. Mai 2013, als die NPD eine bundesweite Demonstration mit rund 500 Anhängern aus Sachsen, Mecklenburg sowie Berlin und Brandenburg  durch den Berliner Stadtteil durchführte, mit weiteren Neonazis Journalisten bedrängt. Ohm selbst hatte nach Ansicht des Gerichts auch zugeschlagen und wurde daher am 12. Juni wegen Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 1800 Euro verurteilt.

 

Angegriffene „Kameraden“ sinnen auf Rache

Ob solche Urteile allerdings in der Szene eine abschreckende Wirkung entfalten, darf bezweifelt werden. Nahezu Dauergast im Berliner Strafgericht in der vergangenen Jahreshälfte war der Berliner Landesvorsitzende der NPD, Sebastian Schmidtke aus Schöneweide. Nachhaltig beeindruckt hat ihn das offenbar nicht, da er vor wenigen Tagen bereits wieder auffällig geworden sein soll: Augenzeugen berichten von einer Pfeffersprayattacke durch Schmidtke und einem Begleiter im Rahmen einer Wahlkampfaktion für die NPD-Brandenburg in Strausberg. Beim Sammeln von Unterstützungsunterschriften für den Wahlantritt der NPD zu den Landtagswahlen in Brandenburg hatte sich spontaner Protest gebildet, gegen den sich die Attacke der beiden Rechtsextremisten richtete.

 

Am vorletzten Wochenende kam es zudem zu einem brutalen Angriff auf ein bekanntes Neonazi-Pärchen aus Niederschöneweide – durch eigene „Kameraden“. Der seit Jahren aktive Marco O. (33) und seine ebenfalls seit einiger Zeit unregelmäßig bei Aufmärschen präsente Verlobte Julia S. (21) waren von fünf Gesinnungsgenossen mit Schlagstöcken attackiert und verletzt worden. Die Tat war offenbar eine Racheaktion, weil es sich bei O. um einen internen Abweichler handeln soll. Solche Vorwürfe erhob zumindest die Berliner Landesvorsitzende des „Ring Nationaler Frauen“ (RNF), Maria Fank, die behauptete, dass O. bei Gericht „quatschen“ und „spalten“ soll. Von „einem abartigen Verhalten“ ist die Rede: „Aus allen Gruppen abgehauen und dann die Fresse über andere Leute aufreißen!? Ich frage mich ernsthaft, wieso mit jemanden zusammen gearbeitet wird, der öffentlich sagt, ausgestiegen zu sein!!!“.

 

Die Angegriffenen sinnen nun auf Rache: „Das Ding kommt zurück!!! Meine Nase mag gebrochen sein, mein Stolz NICHT“, schreibt Julia S. auf Facebook. Marco O. legt nach, „jeden einzeln werd’ ich mir holen“, postet der wegen mehrerer, teilweise brutaler Gewaltdelikte vorbestrafte und für einige Jahre sogar inhaftierte Neonazi.