„Nach Frankreich war Griechenland die schönste Zeit des
einzelnen Angehörigen der Division“, das sei allgemeines Empfinden gewesen. (Hauptsturmführer
Hans Blattner, Chef der 1. Kompanie/7. SS-Panzergrenadierregiment) An der Straße zwischen
Agrinio und Thermo waren an jedem Telefonmast Menschen gehenkt worden. „Es war eine
Geisterwelt, (...) jedes Dorf lag in Schutt und Asche, und dazwischen die
Erhängten. Es waren unvorstellbare Zustände apokalyptischen Ausmaßes, wie ich
sie in meinem Leben noch nicht und in meiner langjährigen Tätigkeit auf
Kriegsschauplätzen in aller Welt nie wieder erlebt habe.“ (Bericht eines
Delegierten des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz)
Am 10.
Juni 2014 jährt sich zum 70. Mal das Massaker an der
Zivilbevölkerung von Distomo. An diesem Tag ermordeten Polizeisoldaten der 2.
Kompanie des 7. Regiments der 4.
SS-Polizei-Panzer-Grenadier-Division 218 Zivilisten. Unter den
Opfern befanden sich vor allem alte Menschen, Frauen, 34 Kinder im Alter
von einem bis zehn Jahren und vier Säuglinge im Alter von zwei bis sechs Monaten.
Das Dorf wurde niedergebrannt. Derselbe SS-Verband hatte in Klissoura am 5.
April 1944 zusammen mit bulgarischer Miliz mindestens 215 Männer, Frauen und
Kinder niedergeschossen, um Partisanenanschläge auf deutsche Soldaten zu rächen.
Der AK Angreifbare
Traditionspflege/Neue Folge, bekannt u.a. aus der Mittenwald-Kampagne zur
Ergreifung von kriminellen Gebirgsjägern, nimmt dieses Jahr an den Gedenkfeiern
am 10. Juni 2014 in Distomo teil. Am Samstag werden wir mit dem Hamburger AK
Distomo vor der deutschen Botschaft in Athen für die Entschädigung der
griechischen Massaker-Opfer demonstrieren.
Seit 2002 versucht der
AK Angreifbare Traditionspflege in Zusammenarbeit mit dem
Nationalrat für die Entschädigungsforderungen
Griechenlands gegenüber Deutschland
(Athen) und dem AK Distomo, die Forderungen der griechischen
Opfergemeinden mit vielfältigen Aktionen zu unterstützen. Dabei verbinden wir
die Forderung nach Entschädigungszahlungen immer mit der Frage,
was eigentlich aus den Mördern und Tätern der jeweiligen Massaker
geworden ist.
Die Bilanz nach 70 Jahren ist
verheerend:
Die Verantwortlichen für die Massaker
von Kalavrita, Kommeno, Klissoura, Oradour-sur-Glane, Tulle, Kephalonia,
Lyngiades, St. Anna di Stazzema, Camerino, Vercors, Monchio und viele Orte mehr
blieben straffrei und sind in der Regel ungestört in ihren
Betten gestorben.
Trotz zahlreicher
Bemühungen von Opferverbänden und antifaschistischen Aktionsgruppen konnten in
den letzten 10 Jahren nur zwei Verurteilungen erzielt werden (der deutsche
Gebirgsjäger Josef Scheungraber und der niederländische SS-Mann Heinrich Boere).
Kreative Straflosigkeit
Es lohnt sich, im Fall Distomo die
Begründungen für die Straflosigkeit der Mörder genauer anzuschauen.
Grundsätzlich haben sich
die meisten Täter aus Wehrmacht und SS, die an Massakern an der
Zivilbevölkerung beteiligt waren, mit dem Argument aus der Affaire gezogen, die
Ermordung der ZivilistInnen wäre eine legitime „Repressal-Massnahme“ gewesen.
Notfalls wurde auch ein Befehlsnotstand behauptet.
Eine besondere Variante der
Strafvermeidung wurde im Fall Distomo angewendet.
Obwohl die Ermordung von
Kindern und Greisen unbestreitbar den Tatbestand des Mordes erfüllt, stellte,
so die Darstellung von Eberhard Rondholz, die Staatsanwaltschaft München 1972
das Verfahren aus „Verjährungsgründen“ ein. Dafür bemühte sie ein Urteil des
Bundesgerichtshofes (BGH), das die vom Bundestag bewirkte Aufhebung der
Verjährungsfrist für Mord eingeschränkte: „Ist ein zur Zeit der NS-Herrschaft
begangenes Verbrechen erst nach dem 8. Mai 1945 einer Strafverfolgungsbehörde
bekannt geworden, so greift die Verjährungshemmung nur ein, wenn sicher ist,
daß die Verfolgung der Tat während der nationalsozialistischen Herrschaft an
einem Eingreifen von hoher Hand gescheitert wäre.“ (Zit. n. Rondholz, S.1516)
Im Fall von Distomo ging
die Staatsanwaltschaft unter Berufung auf den BGH davon aus, daß die
Gewaltorgie der SS-Einheit auch in der NS-Zeit kriegsgerichtlich hätte verfolgt
werden können. „Auf keinen Fall steht fest, daß gegen das Recht gerichtete
Erwägungen der nationalsozialistischen Machthaber die Strafverfolgung
verhindert hätten. (...) Die Strafverfolgung ist also, weil keine Hemmung der
Verjährung eingetreten ist, mit Ablauf des 10.6.1964 eingetreten.“ (Zit. n.
a.a.O. 1516)
Das bedeutet im
Klartext, der NS-Staat und mit ihr auch die verbrecherische Wehrmacht und die
Waffen-SS hätten das Massaker von Distomo – wenn es zu einem Verfahren gekommen
wäre, was nicht der Fall war – möglicherweise als Mord gewertet und die Täter
bestraft! Das ist vor dem Hintergrund des Vernichtungskrieges gegen die
Zivilbevölkerung in Ost- und Südosteuropa eine ungeheuerliche Begründung, zumal
einer der verbrecherischen Wehrmachtsbefehle ausdrücklich betonte, dass es für
Verbrechen bei der so genannten Partisanenbekämpfung keine Strafverfolgung
geben würde.
Diese dreisten Varianten
bundesdeutscher Strafvermeidung werden mittlerweile konterkariert von dem
Auftreten von Politikern wie Bundespräsident Gauck, die die NS-Täter –
vorschnell – allesamt schon in der Wehrmachts- und SS-Hölle
vermuten. Statt die Strafverfolgung der letzten NS-Täter jetzt konzentriert mit
allen Mitteln zu forcieren, weinen sie selbstkritische Krokodilstränen wegen
der mangelnden Strafverfolgung und bedauern jetzt öffentlich, dass sich die
Täter nicht mal bei ihren Opfern entschuldigt haben.
So äußerte Gauck vor kurzem in einer
kurzen Ansprache am Mahnmal im nordgriechischen Lyngiades, einem Ort, in dem
Gebirgsjäger 82 Zivilisten ermordeten, sein Bedauern darüber, dass sich die
Verantwortlichen des Verbrechens nie selbst zu ihrer Schuld bekannt hätten.
„Ich wünschte so sehr“, so der Bundespräsident, „längst hätte einer gesagt, der
damals Befehle gegeben und ausgeführt hat: 'Ich bitte um Entschuldigung.' Oder:
'Es tut mir so unendlich leid.' Oder: 'Ich bereue, dass ich verbrecherischen
Befehlen gefolgt bin.'“ (ARD Tageschau)
Man kann natürlich
bedauern, dass sich die Mörder nicht einmal bei den Opfern entschuldigt haben.
Interessanter und rechtsstaatlicher wäre es aber gewesen, die Täter zu
verfolgen und nicht straflos zu lassen. Aber es ist nicht zu spät, Mord
verjährt bekanntlich nicht und die Nazimörder haben offensichtlich oft ein
langes Leben... (die Hauptverantwortlichen für die Massaker in Lyngiades und
Kommeno verstarben z.B. erst vor wenigen Jahren.).
Das setzte aber voraus,
dass die deutsche Justiz nach 70 Jahren deutlich engagierter wird. 1972
jedenfalls waren die sog. Strafverfolgungsbehörden im Fall Distomo nur bei der
Suche nach Einstellungsgründen engagiert und kreativ, aber mehr als unwillig,
gegen die ehemaligen Polizeisoldaten systematisch zu ermitteln.
In den Ermittlungsakten
von 1972 findet sich z.B. keine ernsthaften Ermittlungen nach den Tätern aus
der 2. Kompanie. Wenn die Wehrmachtsauskunftsstelle WAST in Berlin keine
vollständige Liste der Kompanie-Angehörigen „vorrätig“ hatte, so hätten
engagierte Staatsanwälte und Polizisten doch zumindest das jährliche
Kameradschaftstreffen der SS-Polizei-Division in Marktheidenfeld in Deutschland „besuchen“
können. Dort trafen sich die Täter bis 2000 weitgehend ungestört. Erst Ende
2000 löste sich die Kameradschaft der Mörder von Distomo und Klissoura
auf.
Staatsanwälte aufgepasst
!
Es lohnt sich also auch
heute noch, 70 Jahre nach dem Massaker in Distomo, die Kompanieliste bei der
Wehrmachtsauskunftsstelle einzusehen oder in den
Nazi-Kameradschaftszeitungen wie dem „Freiwilligen“ und dem „Rundbrief“ der
Polizei-Divisions-Kameradschaft nach noch lebenden Täter zu
recherchieren. Die Angehörigen der SS-Polizei-Division waren größtenteils junge
Rekruten und Polizeianwärter...
Wir fordern daher:
Sonderschichten für die Staatsanwaltschaft! Mord verjährt
nicht!
Angemessene Entschädigungen für alle
NS-Opfer sofort!
Wir grüßen die Überlebenden aus den Opfergemeinden, den
Nationalrat und die ehemaligen Andarten!
AK Angreifbare Traditionspflege / Neue Folge 6.6.2014
P.S. Wir sehen uns bei den Protesten
nächstes Jahr in Mittenwald und Elmau!!!!
Nie wieder Horrido - nie wieder Krieg!__._,_.___