Leipziger Anti-Moschee-Protest - Unheilige Allianzen zwischen organisierten Neonazis, konservativen Politikern und Bürgern

Rassismus tötet!
Im Leipziger Stadtteil Gohlis sollen Mitte nächsten Jahres Bauarbeiten zur Errichtung einer Moschee beginnen. Dagegen formiert sich Widerstand aus verschiedenen Lagern. Der Leipziger Kreisverband der NPD hat für den 2. November 2013 eine Demonstration in unmittelbarer Umgebung des geplanten Bauplatzes angekündigt. Ein Aktivist einer rechten Burschenschaft, der gleichzeitig auch Mitglied der CDU ist, stellt sich derweil an die Spitze einer Bürgerinitiative, die sich gegen den Bau wendet. Grund genug für uns die Protagonisten des Protests näher zu beleuchten.

 

Die Arminia Leipzig, die Leipziger CDU und eine Gohliser "Bürgerinitiative"

Nach mehreren gescheiterten Anläufen gründete sich am 17.10. die "Bürgerinitiative Gohlis sagt Nein". Besonders hervor trat hier der 26jährige Sebastian Schermaul, alter Herr der extrem rechten Burschenschaft Arminia Leipzig und Mitglied der Leipziger CDU. Der Lebenslauf des gebürtigen Chemnitzers weist mehrere Bezugspunkte zur neuen Rechten und zu organisierten Neonazis auf.

Sebastian Schermaul MensurSchermaul, hier mit Mensurverletzung mittig im Bild, ist Gründungsmitglied des neurechten Schülermagazins "Blaue Narzisse", das seit 2004 erscheint. Die Zeitschrift, die mittlerweile nur noch als Online-Magazin existiert, ging aus der "Pennalen Burschenschaft Theodor Körner zu Chemnitz" hervor. Sebastian Schermaul ist neben dem Chemnitzer Kameradschaftskader Maik Otto und dem Fraktionsvorsitzenden der Stadtratsfraktion von PRO Chemnitz Martin Kohlmann alter Herr dieser Schülerverbindung. Maik Otto war bei den Stadtratswahlen in Chemnitz 2009 Kandidat für PRO Chemnitz und wurde auf der Hompage des "Freien Netz Chemnitz" als "Kandidat der Freien Kräfte" genannt. Zudem hielt er beim neonazistischen „Trauermarsch“ am 05.03.2010 in Chemnitz eine Rede unter dem Pseudonym „Maik Richter“. Martin Kohlmann verfügt über gute Verbindungen zur NPD in Sachsen. So betonte der ehemalige NPD-Fraktionsvorsitzende der sächsischen Landtagsfraktion, Holger Apfel, die Notwendigkeit eines Ausbaus der „Achse Dresden-Chemnitz“, womit er sich explizit auf Martin Kohlmann und seine Partei bezog. Kohlmann ist wie Sebastian Schermaul alter Herr der Arminia Leipzig.

Der Diplom-Jurist Schermaul verfügt, entgegen anderslautender Beteuerungen, über gute Kontakte zu den beiden Akteuren der Chemnitzer extremen Rechten. Ende April 2011 nahm er an der Hochzeit Martin Kohlmanns in Chemnitz teil. Hierbei chargierten die beiden Verbindungen Arminia Leipzig und Theodor Körner. Für die "Pennale Burschenschaft Theodor Körner zu Chemnitz" ließen Felix Menzel, Maik Otto und eben Sebastian Schermaul die Säbel rasseln. Dass Schermaul keine Berührungsängste gegenüber Neonaziaktivisten hat, zeigte sich auch am Abend des 17.10. in Gohlis. Als er aufgefordert wurde, anwesende Naziaktivisten zu verweisen, erwiderte er im Stil von Kaiser Wilhelm II, dass es hier nicht um links oder rechts, sondern um Gohlis gehe.

Auch seine Mitgliedschaft in der Arminia Leipzig verwundert da kaum noch. Die Arminia ist eine pflichtschlagende Verbindung, die im Dachverband "Deutsche Burschenschaft" (DB) organisiert ist. Die DB sorgt immer wieder durch ihre extrem rechten Tendenzen in der Öffentlichkeit für Negativschlagzeilen. Sei es durch den 2011 vorerst gescheiterten Versuch, in der DB eine Art verschärfter „Ariernachweis“ einzuführen, oder die Rechtfertigung der Hinrichtung des christlichen Widerstandskämpfers Bonhoeffer im Dritten Reich durch den Ex-FAP-Funktionär Norbert Weidner, der Chefredakteur des Verbandsorgans „Burschenschaftliche Blätter“ ist. In der DB existiert ein großdeutsches Verständnis, wonach Deutschland größer sei als die Bundesrepublik. Deutschland wird nach dieser nationalistischen Auffassung als "deutscher Kulturraum" definiert. Dazu wird auch Österreich gerechnet. Die in Österreich ansässigen Burschenschaften, die durchweg deutschnational ausgerichtet sind, sind selbstverständlicher Bestandteil der "Deutschen Burschenschaft" und stärken den extrem rechten Flügel im Verband. Vom Verband „Deutsche Burschenschaft in Österreich“ wurde 1987 sogar ernsthaft der Hitler-Stellvertreter und verurteilte Kriegsverbrecher Rudolf Heß für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen. Doch endet die Grenze des Vaterlands nach Verständnis der DB nicht mit Österreich, so wird beispielsweise auch die mehrheitlich deutschsprachige Provinz Bolzano-Alto Aldige / Bozen-Südtirol in Norditalien als deutsch bzw. österreichisch angesehen. 

Schermaul ist allerdings in der Leipziger CDU mit seiner Position zum geplanten Moscheebau nicht isoliert. Der CDU Ortsverband Leipzig-Nord veröffentlichte am 18.10. eine Stellungnahme zu dem Thema. In dieser zieht sich der Vorsitzende des Ortsverbandes und Mitglied des Landtags, Wolf-Dietrich Rost, hauptsächlich auf den Paragraph 34 des Baugesetzbuches zurück. Dieser besagt, dass sich das zu bauende Objekt in die bauliche Eigenart der Umgebung einfügen muss. Dies sei bei der geplanten Moschee nicht der Fall, weiß Rost, obwohl Details zu dem Neubau noch nicht vorhanden sind. Weiterhin heißt es in der Stellungnahme, die Ahmadiyya Muslim Gemeinde, Träger des Bauvorhabens, sei offensiv missionarisch und dies wäre im Zusammenhang mit der Nähe zu einer Grundschule eher kritisch zu betrachten. Eine offensiv missionarische Religion? Für das Mitglied einer christlichen Partei undenkbar! Der Evangelische Arbeitskreis (EAK) der CDU argumentiert ähnlich. Allerdings legt der EAK noch eine Schippe drauf und erklärt, der Islam komme vielen Menschen "als sehr intolerant, wenig aufgeklärt und christenfeindlich" vor. Wie aufgeklärt und tolerant die Verbündeten der CDU bei diesem Thema sind, wird nochmals im nächsten Absatz deutlich. 

Mittlerweile wurde auf dem sozialen Netzwerk Facebook eine Seite mit dem Namen "Bürgerinitiative Gohlis sagt Nein" gegründet. Die Betreiber der Seite bleiben in der Anonymität des Internets, was eine Verquickung mit organisierten Nazis wahrscheinlich macht. Bereits in den ersten 24 Stunden ihres Bestehens erreichte diese über 900 "Gefällt mir"-Angaben, wohl auch weil Neonazis munter einluden. Ettliche rassistische und/oder neonazistische Kommentare befinden sich auf der Facebookseite der "Bürgerinitiative". Von  "linksgrünfaschistoiden Gutmenschentum", das den muslimischen "INVASOREN Tür und Tor" öffne, ist ebenso die Rede, wie von "ethnischem Genozid", "muslimischer Landnahme" oder "(Unter)menschen". Mehreren namhaften NPD-Funtionären, unter ihnen Holger Apfel, Maik Scheffler oder Arne Schimmer, gefällt die Bürgerinitiative, und das wohl nicht nur virtuell. Zu den vier Facebookseiten, die der Gohliser Bürgerinitiative gefielen, zählten unter anderem die von der NPD beeinflusste "Bürgerinitiative Marzahn-Hellersdorf" und die von vogtländischen Neonazis initiierte "Greizer Bürgerinitiative gegen ein Asylheim 'am Zaschberg'". Die Meinungsfreiheit, auf die sich die "Bürgerinitiative" immer wieder beruft, wird von selbiger recht eigenwillig ausgelegt. Strafrechtlich relevante Aufrufe, den Baugrund mit Tierblut und Tierkadavern zu verunreinigen, sind auf der Facebookseite immer noch zu lesen. Kritische Stimmen gegenüber der "Bürgerinitiative" werden hingegen geblockt und von den Seitenbetreibern entfernt. Ebenfalls entfernt wurde eine Bitte der Seitenbetreiber, die Diskutanten mögen auf rassistische Kommentare verzichten. Stattdessen wurde folgendes gepostet: "Wir  bitten alle Freunde unseres Anliegens darum, ihre völlig berechtigte Kritik am Gohliser Moscheebau im konkreten und an der Überfremdung Leipzigs im allgemeinen in einer vernünftigen Wortwahl zu artikulieren." (Rechtschreibfehler im Original)  "Überfremdung", eine Formulierung wie sie in der Regel von Neonazis verwendet wird. Mittlerweile wendet sich die Initiative auch der Unterbringung von Flüchtlingen im Leipziger Norden zu. Ein Thema, mit dem Neonazis vor einem Jahr schon einmal punkten wollten, jetzt offenbar unter dem Deckmantel einer Bürgerinitiative. 
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Eine Auswahl an Kommentaren, die sich auf der Facebookseite der "Bürgerinitiative" befinden.


Die Leipziger NPD und ihre Protagonisten

Rund um das Geschehen der Bürgerinitiative tritt von Anfang an auch Alexander Kurth, ein wahrer Multiaktivist der Leipziger Naziszene, auf. Bereits seit Ende der 90er Jahre für und rund um die NPD aktiv, musste der bereits mehrfach vorbestrafte Nazi, nachdem er im Juni 2003 mit seinem Kumpanen Stefan Koncsol den Sänger der Popband "Die Prinzen" zusammenschlug, für mehrere Jahre hinter Gitter. Seit Sommer 2012, nach seiner Entlassung aus der JVA Torgau, ist er nun wieder auf beinahe jedem gewichtigen Event der rechten Szene anzutreffen. Darüber hinaus entwickelte sich Kurth, der bundesweit gute Kontakte zu namhaften Nazigrößen aus NPD und dem Millieu der sogenannten "Freien Kräfte" besitzt, zum neuen Führungskader der Leipziger Naziszene. So gründete sich im Frühjahr 2013 unter seiner Führung die "Kameradschaft Leipzig-Möckern", welche mit Teilnahmen an Naziaufmärschen und gelegentlichen Plakatieraktionen im Norden von Leipzig mehrfach auffällig geworden ist. Aber auch die Jungen Nationaldemokraten (JN) feiern durch den 34-Jährigen ihr Comeback. Nachdem der am "Führergeburtstag" 2008 gegründete JN Stützpunkt Leipzig durch das Zerwürfnis seines damaligen Stützpunktleiters Tommy Naumann mit der Mutterpartei NPD vorübergehend in der Bedeutungslosigkeit verschwand, erfuhr dieser unter der Ägide Kurths seine Reorganisation. Mit komplett neuem Personal, welches nicht zufällig starke Überschneidungen mit dem der Kameradschaft aus Möckern hat, befindet sich die hiesige JN, protegiert durch ihren nordsächsischen Ableger, wieder im aktionistischen Aufwind. Alexander Kurth kann derzeit als die wohl wichtigste Person für die Naziszene in Leipzig angesehen werden. Ob als Redner auf Kundgebungen, wie zuletzt am 05.10.2013 im mittelsächsischen Waldheim, oder auch als Ordner / Schutzdienst bei Wahlkampfveranstaltungen der NPD, wie zuletzt bei der "Deutschlandtour" anlässlich der Bundestagswahl 2013. Auch seine Fähigkeit zwischen den oftmals verstrittenen "Freien Kräften" und der NPD zu vermitteln, sowie seine Stellung als treibende Kraft hinter den lokalen Strukturen machen ihn nicht zuletzt auch für die überregionale Naziszene als Ansprechpartner inzwischen beinahe unentbehrlich. Er füllt Personallücken mit neuen Aktivisten, die sich aus seinem Umfeld rekrutieren lassen und reaktiviert alte Kameraden, um die es in letzter Zeit ruhig geworden ist, für die "nationale Sache". Diese Auffrischungskur für die zeitweilig im wahrsten Sinne des Wortes veraltete und eingeschlafene Leipziger Naziszene, welche sich seit nunmehr einem Jahr vollzieht, ist maßgeblich durch Alexander Kurth zu verantworten. Darauf dass dieses intensive Engagement, wofür der arbeitslose gelernte Landschaftsgärtner schließlich genügend Zeit aufbringen kann, durch seinen kürzlichen Umzug in das nordsächsische Eilenburg gedämft wird, kann nicht vertraut werden. 
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Alexander Kurth


Einordnung

Zur Zeit rollt bundesweit eine Lawine rassistischer Mobilisierungen. Das die extreme Rechte mit ihren Positionen erhebliche Anschlussfähigkeit hat, zeigt unter anderem ein von der örtlichen NPD initiierter Aufmarsch gegen eine Flüchtlingsunterkunft im sächsischen Schneeberg. Um die 800 Personen folgten dem Aufruf der neonazistischen Partei. In Leipzig hat die NPD für den 02.11. einen Aufmarsch in Gohlis angekündigt. Eine Teilnehmerzahl wie in Schneeberg ist hier zwar nicht zu erwarten, trotzdem stimmt die Koalition aus Neonazis, neuen Rechten und Konservativen bedenklich. Die NPD und andere Nazis versuchen bei ihren rassistischen Mobilisierungen immer wieder den Eindruck zu erwecken, Sprachrohr der "Mitte der Gesellschaft" zu sein. Dazu werden meist anonyme, virtuell aktive "Bürgerinitiativen" ins Leben gerufen. Die Besonderheit in Leipzig ist derzeit jedoch die propagandistische Unterstützung durch weitere politische Kreise. Zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit formiert sich also ein rassistischer Bürgermob im Norden Leipzigs, befeuert von organisierten Neonazis.