Die Altgestrigen laufen Sturm gegen Leipziger Moscheebau

Gemeinde
Erstveröffentlicht: 
19.10.2013
Seit einigen Tagen wird mit Flugblättern zur Gründung einer Bürgerinitiative gegen einen Moschee-Bau in Leipzig aufgerufen. Ich war zu Besuch in der Ahmadiyya-Gemeinde, um zu schauen, ob hier wirklich die sprengstoffgürteltragenden Islamisten sitzen, vor denen die Moschee-Gegner warnen. 
 
Es ist später Nachmittag, als ich in der kleinen Wohnung in der Leipziger Eisenbahnstraße ankomme. Schuhe aus, dann kriege ich erstmal Tee und Kuchen.
Eine Handvoll Gemeindemitglieder ist hier versammelt und der Präsident der deutschen Ahmadiyya-Gemeinde ist auch da. Sie treffen sich zu einem Podiumsgespräch in einer Kirche, Thema: Friede mit Euch. Der Beitrag der Religionen zum Frieden. „Frieden ist für uns eine Selbstverständlichkeit, eigentlich ist es auch absurd, dass wir das immer wieder beteuern müssen”, erklärt der Präsident Abdullah Uwe Wagishauser geduldig. Abdullah Uwe Wagishauser ist Konvertit, die Anderen kommen aus Pakistan. 
 
Derzeit bekennen sich etwa fünf Prozent der Bevölkerung in Deutschland zum Islam, das entspricht etwa vier Millionen Menschen. Die Ahmadiyya hat hier rund 30.000 Anhänger. Die meisten Leben in Westdeutschland. Logisch, denn Sachsen beispielsweise hat gerade mal einen Ausländeranteil von zwei Prozent.
 
Die Ahmadiyya werden in vielen islamischen Ländern nicht mal als Gläubige anerkannt, dafür verfolgt, weil sie sich als liberale Reformer verstehen. Das heißt, sie legen den Koran nicht wortgetreu aus, sondern interpretieren ihn im historischen Kontext, erklärt Rizuan Ullah Chattha.
 
Das geht den Taliban gegen den Strich. Mehrmals haben sich in der Vergangenheit Terroristen in vollbesetzten Moscheen der Ahmadiyya-Gemeinde in Pakistan in die Luft gesprengt. 
 
Vom Verfassungsschutz wird die Ahmadiyya „weder als extremistisch noch gewalttätig“ eingestuft. Nur deshalb wurde ihr Moschee-Neubau Ende letzter Woche überhaupt von vom Stadtbauamt genehmigt. Doch das interessiert die Gegner nicht. 
 
Ich bin überpünktlich in der Gaststätte Naumann, hier soll die Bürgerinitiative gegen den Moschee-Bau gegründet werden. Daraus wird nichts, die Versammlung darf hier nicht stattfinden. 
 
Der Wirt erzählt mir, dass er davon ausgegangen war, der CDU-Stammtisch würde sich wieder treffen, weil ihn jemand von der CDU angerufen hatte. Als er von der Bürgerinitiative hörte, sagte er das Treffen ab, auch weil ihn jemand mit „ausländischem Akzent” angerufen und bedroht habe. 
 
Ein kleiner dicker Mann kommt rein und schnauft verächtlich, als er die schlechte Nachricht hört. „Es gibt Leute, die morden für ihre Religion, sprengen Frauen und Kinder in die Luft, die begehen Ehrenmorde hier in Deutschland—denen möchte ich nicht auch noch ein Moschee bieten”, erklärt er mir. Seinen Namen will er nicht nennen, weil ich, wie er findet, die tendenziöse Frage gestellt habe, ob er die Glaubensgemeinschaft kennt, die diese Moschee bauen will. „Es sind Muslime, das reicht für mich eigentlich aus, ich möchte es nicht.“
Den vielen alten Frauen und Männern, die sich vor der Kneipe peu à peu versammeln, geht es genauso. Auch sie reagieren auf Nachfragen beleidigt. Als müsste sich das „christliche Abendland”, für das sie hier einstehen, auch noch rechtfertigen, erklärt mir eine kleine verbiesterte Frau—eine Zumutung sei das.
 
Die etwa 50 Gegner finden dann doch viele fantastische und fadenscheinige Gründe, warum eine Moschee, zudem noch mit diesen beiden Türmen, hier gar nicht geht. „Die Leute, die hier schon so lange wohnen, haben sich was aufgebaut!”, verkündete eine ergraute alte Dame majestätisch. Ich habe keine Ahnung, von welcher besonderen Leistung sie redet 
 
Sie glauben, dass die Moschee Umweltverschmutzung und Lärm verursachen wird, weil zahllose Islamisten hier Tag ein Tag aus mit Autos und Bussen einfahren würden. Man hat auch Angst um die Nachkommen, ein Kindergarten und eine Schule liegen in unmittelbarer Nähe der zukünftigen Moschee. „Mehr muss man dazu jawohl nicht sagen!”, schwadroniert eine stramme Dame Anfang 60 mit geschürzten Lippen und roter Jacke.  
 
Es gäbe außerdem nicht genug Parkplätze für die Massen an Islamisten, die in der Fantasie der Bürger hier anrollen würden.
Das mit den Parkplätzen kommt mir bekannt vor. Als vor einigen Jahren bekannt wurde, dass ein jüdisches Gemeindezentrum hier gebaut werden sollte, gründete sich auch eine Bürgerinitiative, die ebenfalls ein gravierendes Parkplatzproblem vor sich herschob und perfiderweise noch die Unverfrohrenheit besaß, immer wieder auf die Sicherheitslage aufmerksam zu machen. Die Gegend sei zu unsicher für die Juden, zu gefährlich.
 
„Eine Burschenschaft, die es hier immerhin schon seit der Wende gibt, läge dann auch in direkter Nähe zu der Moschee. Da ist der Ärger jawohl vorprogrammiert, das will ich hier nur mal sagen, die Rechten kommen dann auch!”, schwadroniert die rote Jacke verheißungsvoll. 
 
Ein paar Meter weiter in der Bürgermenge steht Sebastian Schermaul von der Burschenschaft Armenia und Mitarbeiter der Juristenfakultät am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht an der Universität Leipzig. Er hat das Wort ergriffen und versucht, einen neues Treffen für die Gründung der Bürgerinitiative anzuzetteln. Die Moschee stört ihn wegen der „Emission”, und er meint, so ein orientalisches Gebäude würde hier einfach nicht in die Jugendstil-Idylle passen. Ich habe keine Ahnung, was er mit Emission meint, und habe auch keine Gelegenheit mehr nachzufragen. Bei Wikipedia steht dazu: „bedeutet allgemein Aussendung von Störfaktoren in die Umwelt“. Aha. 
 
Mit dem Rücken zum Jägerzaun steht Alexander Kurth von der „Kameradschaft Möckern”, die ziemlich NPD-nah ist. Er sagt nichts und starrt finster vor sich hin. Vielleicht kann er auch garnicht sprechen, aber wohl schlagen. Es kursiert jedenfalls das Gerücht, dass er dabei war, als Sebastain Krumbiegel, der Sänger von der deutschen Chorknabenpopband Die Prinzen zusammengeschlagen wurde, und bis vor Kurzem saß er noch im Knast.
edenfalls habe ich berechtigte Angst um mein Handy, als Kurth mit seinem Kumpel Paul Rzehaczek, der Chef der Jungen Nationalisten (JN) Sachsen, der Jugendorganisation der NPD, an mir vorbei lief und ich sie schnell fotografiert habe. Ein Grund mehr, das Foto voll zu verwackeln. 
 
Bei der Ahmadiyya-Gemeinde lag auch schon ein NPD-Flugblatt. „Schöner leben ohne Moschee!”—unter dem Motto will die Heimatpartei am  2. November in der Nähe des Moschee-Baugrundstücks gegen Islamisierung und Überfremdung auf die Straße gehen. 
 
„Liebe für alle, Hass für keinen”, mehr sagt Rizuan Ullah Chattha dazu nicht. Die Ahmadiyya-Anhänger nehmen den ganze Aufruhr gelassen. Es wäre die zweite Moschee mit Minarett, die in Ostdeutschland gebaut wird, daran zweifelt keiner von ihnen. Die erste steht in Berlin-Heinersdorf, auch hier haben die Bürger den abendländischen Aufstand geprobt. Mittlerweile gilt die Lage dort als „befriedet”. Wagishausen erzählt, dass die Grundstückspreise dort nicht wie erwartet gefallen sind, sondern die Gegend aufgewertet wurde.