es ist deutsch in kaltland...

richtung bahnhof

350 menschen demonstrierten in stuttgart gegen staat, nation und kapital. 500 000 menschen feierten mit oder vielleicht sogar für nation, staat und kapital, who knows?

nachdem die antinationalistische demonstration nach tagelangen vorverhandlungen mit den behörden erst um 15:30 h starten durfte ( die polizei wollte nicht zwei demos zur gleichen zeit schikanieren.), zog sich die warterei am infopunkt in der keplerstraße in die länge. so konnte mensch sich zeit nehmen, die unmengen von polizei (zu fuß, beritten, auf zwei und vier rädern oder in der luft) auf sich wirken zu lassen, einen blick auf das deutschlandfest zu werfen oder die genoss_innen auf der antikapitalistischen demonstration ein paar hundert meter weiter zu besuchen.

 

nach zwei redebeiträgen ging es dann tatsächlich um halb vier uhr los. die stimmung war gut, die parolen altbekannt aber laut und die polizei zurückhaltend. die demoroute war gemischt: viel publikum oder leere straßenzüge. es wurde ordentlich geflyert, mit passant_innen diskutiert und interviews gegeben.

 

die redebeiträge machten deutlich, wie unterschiedlich die einzelnen gruppen des bündnisses staat, nation und kapital erklären, analysieren und welche schlüsse sie daraus ziehen. in all ihrer unterschiedlichkeit waren die reden vieles, nur eins nicht: flach. und sich einig darin, dass eine gesellschaft ohne staat, nation und kapital eine herrschaftsfreie sein muss. sonst macht dat janze kenen sinn, wa?

 

die infrastruktur der demo war gut organisiert. eine detailierte aktionskarte machte auswärtigen die orientierung leicht, jederzeit waren demosanis am start, ein gut vorbereitetes out-of-action-team bot betreuung für den fall der fälle an, ein infotelefon nahm die neuesten gerüchte an, ein ticker streute diese und ein ermittlungsausschuss stand bereit, um im falle von verhaftungen die rechtliche begleitung zu gewährleisten.

 

alles in allem eine gelungene demo ohne stress und mit einer gewissen außenwirkung.

 

dem gegenüber standen 500 000 menschen, die durch die stuttgarter innenstadt flanierten und sich die volle packung staat, nation und kapital gaben, garniert mit militaristischen einlagen, bier und schlechten deutschen musiker_innen.

 

auf der heimfahrt in den zügen, die stuttgart verließen, musste mensch dann auf tuchfühlung mit dem deutschen partymob gehen. pseudo-dirndl und lederhosen dominierten das bild. ob wasengeschädigt oder deutschlandtrunken, was machte das schon für einen unterschied? sexistische, homophobe und rassistische lieder grölend, war er sich in seiner promillebenebelten widerlichkeit keiner dummheit zu schade und zeigte seine erschreckende fratze.

 

zu hause angekommen, musste deutschland dann erstmal sterben...

 

[einen weiteren bericht von zur selben demo, nicht zur anderen, finder ihr hier.]

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Ach.....als Ü30er habe ich irgendwie keinen Bock mehr, mich mangels Szeneoutfit als Zivibulle outen zu lassen, durch halbstarke, eventorientierte Macker gefährdet zu werden, oder infantile Laufeinlagen während einer Demo hinzulegen.....War also einer von den 500.000, hab mir an einem arbeitsfreien Tag mit einem Kollegen zwei Bier gezischt, und war ganz froh darüber, keine einzige Schlandfahne sehen zu müssen....

...zur Kenntnisnahme: ebenfalls Ü30 wurde ich zwar auch als Zivi "geoutet", hab das Fest aber trotzdem nicht besucht.

Habe auch kein "Fest" besucht, sondern lediglich bei schönem Wetter ein Bier in der Stadt getrunken.
In der schwarz-weißen (oder besser rot-schwarzen) Welt der AutorInnen gab es am Donnerstag scheinbar nur jene 350, welche die Welt für sich begriffen haben, vs. 500.000 nationalistische Deutschtümler....
Auch wenn es bitter ist, bundesweit lediglich 350 Menschen mobilisieren zu können, sollte Mensch schon ein wenig differenzieren können.... 

wir ebenfalls ü 30 habens auch trotz relativer Nähe nicht nach S geschafft. Evtl. wirds ja mal Zeit für nen Block der Szene Omas und Opas

... das bild mit dem vollen mülleimer ist sprichwörtlich das, was die "Demo" gebracht hat! 
Zumindest erschließt sich mir darin kein Sinn oder denkt ihr wirklich, dass eine handvoll Hanseln (wenn ich mir das Verhältnis von 350 Demoteilnehmer zu 500.000 auf der "staatlichen Partymeile" ansehe) etwas erreicht? Und was wäre denn die Alternative zu einer funktionierenden Demokratiemit einer Wirtschaft, die funktoniert? Anarchie? Sozialistische Planwirtschaft wie in der DDR? Selbst China hat mittlerweile erkannt, dass der real existierende Kommunismus/Sozialismus ausgedient hat und man nur durch eine florierende Wirtschaft weiterkommt! Das Motto "Alles gehört allen" hört sich zwar gut an, ist und bleibt aber nur wunschdenken! Oder sieht das jemand anderst? 

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Schau mal über den Tellerrand hinaus. was nützt mir die scheiß Wirtschaft wenn sie auf Waffenexporten etc. aufgebaut ist. Einfach egoistisch was du hier labberst.

Genau! Wer ist schuld? Das "System" (die anderen) und der "Kapitalismus" (auch die anderen), nicht wahr? Leider bleibt es bei großen Teilen "der Linken" beim Labern und Selbstbeweihräuchern, und selten zeigt sich Solidarität in barer Münze (sonst kein Geld für Hedonismus/Fusionticket). Solidarisch sein bedeutet Bettlaken bepinseln und Direktkredite zum Selbstzweck (schöner/billig Wohnen) auch von Arschlöchern anzunehmen! Wieso bin ich bloß noch keinem Idealisten begegnet, der das Übel der Welt für sich erkannt hat, die Not Dritter aber über seine eigenen Bedürfnisse stellt? Seltsam, wäre wohl mit kritischer Reflexion und Mühen verbunden......

Das liegt einfach daran, dass simple Menschen wie du glauben, dass man bei sich selber anfangen müsste, um die Welt zu retten. Das ist aber Blödsinn, da lachen einen höchstens diejenigen aus, die niemals einen Gedanken daran verschwendet haben, irgendwas zu retten. Wir brauchen eine soziale Revolution, keine individuellen Almosen.

Vielleicht auch einfacher, von anderen einzufordern, was man selbst nicht zu leisten/aufzugeben bereit ist....

Was die Revolution betrifft, träum weiter!

Niemand hat behauptet, dass ich/wir nicht bereit sind, genauso viel zu geben, wie alle anderen auch. Ich bin allerdings nicht bereit, für Leute wie dich in Vorleistung zu treten, das wirst du doch sicher verstehen, nicht wahr?

Du lächelst über die Revolution und ich kann das gut verstehen. Es ist ja auch unvorstellbar, dass sich unsere Alltag radikal ändern soll oder wird, das ist es auch für mich. Aber ich bin nicht so naiv und geschichtsvergessen, um die Möglichkeit auszuschließen. Und falls es doch einmal eintreten wird, dann werde ich Leute wie dich an ihr Lächeln erinnern. Auf meine Weise.

ja, sehe ich durchaus anders!

Oder sieht das jemand anderst?

 

ja. ich.

Dieses Argument kann ich nicht gelten lassen. Es ist völlig egal, wieviele Menschen bei dieser Aktion teilgenommen haben. Es reichen die wenigen, die ihre Meinung auf die Straße tragen und versuchen ihre Kritik an den herrschenden Zuständen zum Ausdruck zu bringen. Auch in einer Diktatur sind es nur ganz wenige, die sich offen gegen die Herrschaft einsetzen und ihr Gesicht zeigen. Ist ihr Kampf auch ein sinnloser? Ist es snnlos für seine Wünsche, Träume, Ansichten zu kämpfen, auch wenn man weiß, dass sie nicht sofort umgesetzt werden? Sollen wir resignieren und alles akzeptieren? Nein, dazu ist die Welt, ist das Leben zu wichtig! Ich hoffe, die begreifst meinen Einwand. 

Der Unterschied ist, daß wir heute in D nicht in einer Diktatur, sondern in einer Demokratie leben. Was am 03.10. passiert ist, war eine Massenabstimmung mit den Füßen: 500.000 Menschen feiern friedlich und fröhlich (und ohne nennenswerten nationalen Rausch o.ä.), an Futter- und Getränkeständen, Tourismusinfos, Musikbühnen sowie allerlei anderen Angeboten, von der Kletterwand bis zum Plenarsaal. Ein Promille weiß es aber besser, und zieht "kämpferisch" in Polizeieskorte draußen um den Block, mit Symbolen und Parolen, die offensichtlich kaum jemand mehr haben möchte.

 

Es gäbe so viele Zustände zu kritisieren, denn wir leben keinesfalls im Paradies, und man könnte wahrscheinlich eine Menge Leute dafür gewinnen - aber so wird das nicht klappen.

In Stuttgart fanden die offiziellen Feierlichkeiten unter dem Motto "zusammen einzigartig" statt. Radio Dreyeckland wunderte sich,dass zwei linke Gegendemonstrationen angekündigt waren und fragte nach. Ihr hört ausserdem eine Reportage über die antinationale anarchistische Demo und einen der zahlreichen Redebeiträge.

 

http://www.rdl.de/index.php?option=com_content&view=article&id=22170:fok...