In mindestens zwei Ermittlungsverfahren ist das LKA Baden-Württemberg mit aufgedeckten Versuchen befasst, Modellflugzeuge mit Sprengstoff zu bestücken. Neues gibt es auch zu einem EU-Forschungsprojekt mit ganz ähnlicher Zielsetzung
Von Matthias Monroy
Pünktlich zum 11. September hatte das Landeskriminalamt (LKA) Baden-Württemberg die erfolgreiche Verhinderung eines Anschlags mitgeteilt: Nach Razzien in Freudenstadt, Emmendingen und Freiburg war demnach klar, dass vier Verdächtige ferngesteuerte Modellflugzeuge mit selbst gebasteltem Sprengstoff bestücken wollten. Gegen den mutmaßlichen Drahtzieher wurde Haftbefehl erlassen.
Bereits im Sommer hatten Ermittler Razzien gegen zwei tunesische Staatsangehörige durchgeführt. Auch sie wurden verdächtigt, Modellflugzeuge mit Sprengstoff präparieren zu wollen. Die beiden waren seit 2012 vom LKA und dem Verfassungsschutz beobachtet worden, Ende Juli schlugen die Behörden zu.
Die Observationen liefen auf höchster Ebene: Die Staatsanwaltschaft Stuttgart richtete eine Ermittlungsgruppe "Quax" ein, die Bundesanwaltschaft ermittelte schon länger unter dem Namen "Pilot". In den Medien wurden die Verdächtigen schnell als "radikale Islamisten" tituliert. Einige hätten an der Universität Stuttgart studiert und geforscht, wie ferngesteuerte Flieger per GPS programmierte Routen fliegen könnten. Es ist aber immer noch unklar, ob sie tatsächlich Anschläge planten oder eher technikbegeisterte Studenten waren.
Antifaschistische Kundgebung sollte aus der Luft attackiert werden
Ganz anders in den Ermittlungen, die zu den Durchsuchungen von vor zwei Wochen führten: Denn hier handelt es sich um Nazis, die im Raum Freiburg seit Jahren aktiv sind. Sie haben wohl geplant, mit fliegenden Sprengsätzen politische Gegner zu attackieren. Gemeint sind Antifaschisten, die seit Jahren erfolgreich die Aktivitäten der lokalen Nazi-Szene dokumentieren.
Vor vier Jahren hatte die Freiburger Autonome Antifa öffentlich gemacht, dass ein Rechtsextremer in Weil am Rhein Sprengstoff hortete: Der Fall sorgte für Furore, weil das LKA erst danach eigene Ermittlungen anstellte. Obwohl bei Razzien tatsächlich entsprechende Materialien gefunden wurden, kam der Bombenbastler 2012 mit einer Bewährungsstrafe davon.
Auch bei den neuerlichen Durchsuchungen in Baden-Württemberg wurde "eine funktionsfähige Sprengvorrichtung" sichergestellt. Der 42-Jährige Hersteller der Bombe war wohl von einem 23-Jährigen angestiftet worden, der wiederum im Sommer auf einer Nazi-Demonstration in Dortmund polizeilich aufgefallen war, nachdem er einen selbstgebastelten Böller auf Gegendemonstranten warf. Der mutmaßliche Drahtzieher sitzt nun in Untersuchungshaft. Nach Informationen der Badischen Zeitung sollte auch die fliegende Bombe bei einer antifaschistischen Kundgebung eingesetzt werden. Laut Sprengstoffexperten des LKA hätte der Sprengkörper in einem Umkreis von 20 bis 30 Metern Menschen schwere Verletzungen hervorgerufen, Todesopfer seien nicht auszuschließen.
Letztes Jahr hatte das Bundeskriminalamt in einem "Lagebild Luftsicherheit 2012" vor dem Einsatz von ferngesteuerten Drohnen und Modellflugzeuge in Deutschland gewarnt. Hintergrund war die Verurteilung eines US-Staatsbürgers, der den Regierungssitz und das Pentagon in Washington mit Modellflugzeugen angreifen wollte. Der Plan flog mithilfe eines verdeckten Ermittlers auf (FBI-grown Terrorism?). Als Nutzlast habe der Festgenommene Plastiksprengstoff vorgesehen, Flugzeuge und Fernzünder seien bereits besorgt gewesen. "Ähnliche Szenarien müssen auch in Deutschland als mögliche Tatoption in Betracht gezogen werden", hieß es vom BKA in seinem geheim eingestuften Bericht.
Rotorbetriebene Drohnen sind - im Widerspruch zum BKA-Bericht - besser als Modellflugzeuge zum Transport größerer Nutzlasten geeignet. In diese Richtung äußert sich auch der deutsche Modellflieger-Verband. Denn Oktokopter mit acht Rotoren können bis zu 4 Kilogramm befördern und per GPS ins Ziel steuern. Hierauf machte im Sommer auch das niederländische Forschungsinstitut TNO aufmerksam: Drehflügler könnten mit Maschinengewehren bestückt werden oder kleine Bomben abwerfen, die schusssicheres Glas durchdringen. Aufständische könnten die kleinen Drohnen sogar im Schwarm aufsteigen lassen, um Camps von westlichen Militärs zu attackieren.
Polizei will "Spezial-Schaumstoff" aus der Luft versprühen
Längst sind auch Polizeibehörden damit befasst, ferngesteuerte Helikopter mit sogenannten "Wirkmitteln" auszustatten. Unter dem Namen AEROCEPTOR forscht die Europäische Union zur Nutzung von Drohnen, um flüchtende Fahrzeuge zu stoppen. Begründet wird dies mit einem Kampf gegen "organisierte Kriminalität" (EU will polizeiliche Drohnen bewaffnen). Die Flugroboter sollen mit Technik ausgerüstet werden, um die Fahrt von Autos oder Wasserfahrzeuge zu behindern.
Die Helikopter-Drohnen könnten Netze abwerfen, in denen sich Räder oder Schiffsschrauben verwickeln. Sofern dies nicht weiterhilft, könnten die Fahrzeuge mit einem "Durchstechen der Reifen" angehalten werden. Auch eine Störung der Bordelektronik sei denkbar. Im Sommer 2015 sollen in AEROCEPTOR erste Testflüge stattfinden, wo ist allerdings unklar. Zu den beteiligten "Endnutzern" gehören die Polizeibehörden Israels und Spaniens.
Nun hat die EU-Kommission auf eine weitere Nachfrage der Europaabgeordneten Sabine Lösing geantwortet. Geforscht wird demnach mit Drohnen des Typs Yamaha Rmax, die ein an AEROCEPTOR beteiligtes Forschungsinstitut bereits seit Jahren nutzt. Bislang ging es dort aber lediglich um das Flugverhalten.
Die "Rmax" kann an den Seiten Tanks mitführen, um etwa Felder aus der Luft mit Unkrautvernichter zu besprühen. In Korea war dabei 2009 ein Bauer von seiner Drohne versehentlich getötetY worden. Im EU-Projekt sollen die Tanks mit einem "Spezial-Polymerschaumstoff" gefüllt werden, der auf der Windschutzscheibe verhärtet und Fahrzeuglenker zum Halten zwingen soll.