Am kommenden Montag startet die Prozessserie gegen Anhänger der kriminellen Bande „Objekt 21“ – auch gegen die Führungskader der braunen Kameradschaft ist inzwischen Anklage erhoben worden.
Von Marcel Brecht
Internationale Kontakte in die rechtsextreme, terroristische Szene, ein guter Draht zur Staatsmacht, überzeugte Neonazis und schwer bewaffnete Gangster: Drei Jahre lang trieb die österreichische Kameradschaft „Objekt 21“ ihr Unwesen – politisch und kriminell. Jetzt wurde endlich gegen die sieben führenden Kader Anklage erhoben. Ihnen drohen wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung bis zu zehn Jahre Haft.
Seit 2010 traten die „Kameraden“ organisiert auf: Der innere Zirkel von rund 30 Aktivisten unter dem amtsbekannten Jürgen W. mietete sich in einem alten Hof im oberösterreichischen Windern (Bezirk Vöcklabruck) nahe der bayerischen Grenze ein, baute ihn zum rechten Erlebniszentrum um – und meldete dieses als Kulturverein an. Ziel gemäß Satzung: „Brauchtumspflege“. Eine scheinbar erfolgreiche Mission: „Objekt 21“(O21) wurde rasch zum Geheimtipp in der „großdeutschen Szene“. Dafür sorgten Konzerte mit Bands wie „Sturmwehr“ oder „Sturm 18“, der Wiener Liedermacherin Isi sowie Barden aus Thüringen. (bnr.de berichtete) Autokennzeichen aus fünf deutschen Bundesländern zählten die Verfassungsschützer zu Hochzeiten, rund 300 Sympathisanten soll das Umfeld umfasst haben.
Sprengstoff und unzählige Waffen gefunden
Neben dumpfem Gruppenerlebnis, germanischen Riten am Feuerplatz aus Sig-Runen und arischen Allmachtsphantasien hatte die braune Kameradschaft eine recht weltliche Seite: So stand O21 auch für ein System des Terrors: Mit grenzenloser Brutalität baute die Bande ein mafiöses Netzwerk auf. Das Spektrum reichte von Drogen- und Waffenhandel, Prostitution, Überfällen bis hin zur Entführung. Auch Führungskader packten tatkräftig mit an – so beim Versuch, ein Bordell bei Schärding in Oberösterreich zu übernehmen. Die Neonazis zwangen aber auch lose Bekannte zu Raubtouren. Sogar im Gefängnis wurde rekrutiert – von Anführer Jürgen W. persönlich. Der nutzte eine längere Haftstrafe, um gezielt Insassen unter Druck zu setzen. „Freigänger waren am besten“, sagt ein Geschäftsmann aus dem Bezirk Schärding, der Opfer der Bande wurde. „Die waren einen Tag draußen, mit klarem Auftrag – Überfall oder jemand Missliebigen aus dem Weg räumen.“
Als Drogenfahnder und Landeskriminalamt die Kameradschaft im Januar dieses Jahres in Oberösterreich hochnehmen (bnr.de berichtete), beziffern sich Schaden und Beute auf 3,5 Millionen Euro. Zudem finden sich zehn Kilo Sprengstoff und unzählige Waffen, von Pistolen über Schrotflinten bis hin zu Maschinengewehren. 80 Personen werden verhaftet und verhört, am Schluss bleiben 35 Tatverdächtige, sieben Angehörige der kriminellen Bande davon sitzen seither in U-Haft.
Am 8. Juli soll jetzt vor dem Landesgericht Wels der erste Prozess beginnen. Neben Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung werden dem 29-jährigen Angeklagten Rene M. 18 Einbrüche und ein Überfall vorgeworfen. Verfahren gegen zwei weitere Kameraden wegen zwei Brandstiftungen folgen. In einem Falle soll es sich um eine Auftragstat aus dem Wiener Rotlichtmilieu gehandelt haben.
Und auch die Führungskader von O21 werden nun nach dem österreichischen Verbotsgesetz endlich zur Verantwortung gezogen. Die sieben Beschuldigten, von denen sich fünf nach wie vor auf freien Fuß befinden, hätten „an Veranstaltungen teilgenommen, bei denen die NS-Ideologie verherrlicht wurde“. Hinzu kommen die Verwendung nationalsozialistischer Symbole an Kleidung wie auch als Dekoration des „Freizeit- und Kulturvereins“, Hitlergruß sowie verbotene Propaganda und Liedgut.
Enge Verbindungen zu militanten Kreisen in Deutschland
Doch es drängen sich Fragen auf: So verkündete die Staatsanwaltschaft erst nach öffentlichem Druck und mit widersprüchlichen Angaben die Anklageerhebung. Justizministerium und Oberstaatsanwaltschaft, die den Akt zuvor geprüft hatten, hatten jedoch bereits Anfang Juni grünes Licht gegeben. Zudem spricht die Anklage von Taten der „Objekt 21“-Mitglieder zwischen 2008 bis 2010. Verein und Name tauchen aber das erste Mal im März 2010 auf.
Fragen, die mehr als berechtigt erscheinen. Denn im Zuge der Causa O21 kamen grobe Versäumnisse der österreichischen Behörden ans Licht. So sollen nicht nur Sympathisanten bei der Polizei die Gruppe wiederholt vor Hausdurchsuchungen gewarnt haben. Die Justiz begünstigte durch Untätigkeit das kriminelle Treiben: Der Kulturverein wurde zwar 2011 als rechtsextrem verboten (bnr.de berichtete), der Verfassungsschutz lieferte einen Abschlussbericht an die Staatsanwaltschaft, zusammen mit „genug Beweisen, um drei Mal die Anklage zu begründen“, so einer der leitenden Ermittler.
Doch eineinhalb Jahre geschah nichts. Die Truppe machte munter weiter, radikalisierte sich, knüpfte enge Verbindungen zu „Hells Angels“-Rockern und militanten rechtsextremen Kreisen in Deutschland. Die Beobachtungen der Verfassungsschützer wurden immer alarmierender: „Jetzt machen die bereits in Waffen“, hieß es Ende 2011. Die Kollegen der Kripo wurden informiert, deren Ermittlungen mündeten schließlich in der Zerschlagung der braunen Truppe. Alles Vorwürfe, die derzeit das österreichische Parlament beschäftigen.
Der Fall O21 hält aber auch die Ermittler in der Bundesrepublik Deutschland auf Trab: Das Bundeskriminalamt, das bayerische Landeskriminalamt sowie die Verfassungsschutzämter von Bayern und Thüringen arbeiten eng mit den örtlichen Sicherheitsbehörden zusammen. Ziel ist es, die dichten Verflechtungen mit Deutschland aufzudecken. So sind rund 15 der Aktivisten für bayerische Staatsschützer alte Bekannte, zählen zum festen Bestandteil der süddeutschen Kameradschaftsszene, den „Freien Kräften“, darunter der verurteilte Rechtsterrorist Martin Wiese und Norman Bordin. Auf einer ihrer Demonstrationen 2010 erwischte es die O21-Anführer Jürgen W. und Manuel S. Sie wurden in Passau wegen Verwendung verfassungswidriger Symbole vorübergehend verhaftet.
Doch auch in Ostdeutschland soll die Gruppe fest verankert gewesen sein. Fahrten der Kader nach Thüringen sind mehrfach aktenkundig. Ziel: Die selbst ernannte „Hausgemeinschaft Jonastal“ in Crawinkel bei Arnstadt/Gotha, die als Neonazi-Treff und Eventlocation gilt. (bnr.de berichtete) Mit den Aktivisten wurden ein reger Austausch, Besuche und Gegenbesuche, gepflegt. „Wie weit das auch kriminelle Geschäfte beinhaltet, da sind wir erst am Anfang“, so ein österreichischer Verfassungsschützer. Doch man ist sich mit den deutschen Kollegen einig: „Da steckt noch viel mehr dahinter, die waren aufs Engste verflochten.“
„Ein Mann fürs Grobe“
Im Juni 2012 stürmte das LKA Thüringen mehrere Neonazi-Immobilien im Freistaat, darunter auch das braune Haus in Crawinkel. Das LKA ermittelte unter anderem gegen Hausbesitzer Z. wegen des Verdachts der Vorbereitung einer „schweren staatsgefährdenden Gewalttat“. Weitere Köpfe der Hausgemeinschaft, Steffen M. und Marcus W., wurden später in Österreich verhaftet – bei der Zerschlagung von O21. Doch jetzt sind die beiden Aktivisten plötzlich von der Bildfläche verschwunden.
Übrig bleibt Andreas P. (27), der ebenfalls tief in der Gothaer Neonazi-Szene verankert ist. (bnr.de berichtete) Sein Strafregister reicht von Körperverletzung über Volksverhetzung bis Landfriedensbruch. Zuletzt saß er bis 2008 in Haft. „Ein Mann fürs Grobe, der einen braucht, der sagt, wo es langgeht“, heißt es beim Verfassungsschutz in Oberösterreich. „Und so einen Führer hat er in Jürgen W. gefunden.“ Für den soll der 27-Jährige aus dem thüringischem Ohrdruf kriminelle Delikte begangen haben, zwischen Oktober 2011 und Sommer 2012 vor allem schweren Raub, Einbrüche, Körperverletzung, Brandstiftung und Erpressung. Die Österreicher ließen P. per europäischen Haftbefehl suchen, im November 2012 wurde er in Gotha verhaftet und ausgeliefert. Nur wenige Wochen später erfolgte der Zugriff bei der braunen Bande von „Objekt 21“.