Mainz-Bretzenheim: NPD-Demo gegen Flüchtlingsunterkunft in Bretzenheim: Gegendemonstranten sind klar in der Mehrzahl

Erstveröffentlicht: 
14.09.2013

Sieben NPD-Leute „spuckt“ der silberne Kleintransporter am Samstagmorgen um 8 Uhr an der Kreuzung Drechslerweg/Buchenweg aus. Und kaum haben diese ihre Fahnen und Plakate aus dem Wagen geholt, um gegen die in der Nachbarschaft geplante Flüchtlingsunterkunft zu polemisieren, erhebt sich der Proteststurm von 150 Menschen, die früh am Morgen zur Gegendemonstration erschienen sind. „Ihr seid so lächerlich“, schallt es den tumb ausschauenden, ungebetenen Gästen in Bretzenheim entgegen. Trillerpfeifen und Vuvuzelas ertönen, „Pfui“-Rufe machen die Runde, Mittelfinger werden gereckt. Und im Laufe der nächsten 50 Minuten kommen noch mehr Leute dazu, um sich gegen die Rechtsextremen zu stellen. Die Polizei ist mit 30 Leuten vor Ort, um eine Grenze zwischen den Lagern zu ziehen.

 

„Ich bin absolut zufrieden mit der Anzahl der Leute“, sagt Roland Schäfer vom „Verein Rheinhessen gegen Rechts“, der zur Gegendemonstration aufgerufen hat. „Gerade bei diesem Thema darf eine Aktion der NPD nicht unwidersprochen bleiben“, sagt er. Anfang 2014 soll das derzeitige SPAZ-Gebäude in der benachbarten Wilhelm-Quetsch-Straße 60 Flüchtlingen Unterkunft bieten. Dagegen gab es zuletzt eine Unterschriftenaktion aus dem Kreis der Anwohner, es folgte eine intensive Anwohnerversammlung. Jetzt gesellen sich aber auch Leute aus der früheren Musterhaussiedlung zum Kreis der Gegendemonstranten, zu dem viele andere Bretzenheimer Bürger, Mitglieder des Stadtrats und Landtags, Kirchenverantwortliche sowie etwa 30 Ultras-Fans des FSV Mainz 05 zählen. „Dass die NPD hier im Gegensatz dazu ein klägliches Bild abgibt, zeigt, wie es um ihre Organisationskraft bestellt ist“, so Schäfer.

 

Anwohner drückt auf die Hupe


„Ich habe in Facebook von der Gegendemonstration gelesen“, sagt Jan. Der Bretzenheimer war in den vergangenen fünf Jahren beruflich weg aus Mainz. „Wenn jetzt die NPD bei mir Zuhause so was abzieht, muss ich doch dagegenhalten“, sagt er. Auch wenn das frühe Aufstehen schon weh getan habe. Jetzt versucht eine NPD-Frau nach Marschmusikklängen über Lautsprecher ihre Parolen verständlich zu machen. In der hinter ihr liegenden Wohnsiedlung ist sie vielleicht zu hören, sonst aber nicht. Zu laut ist das Pfeifen und Buhen. Und ein Anwohner ist kurzerhand in seinen Wagen gestiegen und drückt die Hupe ohne Unterlass.

 

„Das ist ein deutliches Zeichen der Bretzenheimer“, sagt die örtliche CDU-Chefin Claudia Siebner. „Klasse, aber das muss jetzt auch sein.“ Die Mainzer Grünen-Chefin Katharina Binz: „Man kann sich auf die Mainzer verlassen. Auch zu früher Stunde.“ Von den Direktkandidaten für den Bundestag sind Ursula Groden-Kranich (CDU), Michael Hartmann (SPD) und Tabea Rößner (Grüne) vor Ort. Hartmann, innenpolitischer Sprecher der Sozialdemokraten im Bundestag: „Schlimm genug, dass die NPD hier erscheint. Aber es ist auch wieder ein Grund mehr, die Partei zu verbieten. Deren Hetze wird ja vom Steuerzahler finanziert.“ Hartmann hätte aber auch gerne, dass Anwohner, die sich gegen eine Flüchtlingsunterkunft stellen, „moderatere Töne anschlagen“. Groden-Kranich findet es mit Blick auf die sieben Gestalten beschämend, dass "es solche Leute immer noch in Deutschland gibt“.

 

Nach 50 Minuten ist der Spuk vorbei


Nach 50 Minuten packen die Rechten ihre Sachen wieder in den Wagen und fahren an den Gegendemonstranten vorbei. Plötzlich attackieren ein paar Leute das Auto, aber schnell ist die Polizei zur Stelle. Es ist der einzige Zwischenfall. Die NPD-Menschen fahren Richtung der nächsten geplanten Kundgebung, Richtung Rüsselsheim.