In der Nacht zum 4. September 2013 erinnern Aktivistinnen an das größte deutsche Kriegsverbrechen nach dem 2. Weltkrieg. Sie färben den Eingang des Kölner Verwaltungsgerichts blutrot. Dieses Gericht hatte 2012 die Klage eines Überlebenden des Kunduz-Massakers mit einer aberwitzigen Begründung abgewiesen.
„Am 4. September 2009 um 01.51 Uhr entschloss ich mich, zwei am Abend des 3. September entführte Tanklastwagen sowie an den Fahrzeugen befindliche INS durch den Einsatz von Luftstreitkräften zu vernichten“ – INS steht für Insurgents, also Aufständische. (Oberst Klein)
142 Menschen, größtenteils Zivilisten, viele Frauen und Kinder sterben. Einer der beiden Tankwagenfahrer überlebte das Massaker und wollte die Unrechtmäßigkeit des von Oberst Klein angeordneten Luftangriffs auf die Menschen um die festgefahrenen Tanklaster feststellen lassen.
Am 9. Februar 2012 weist das Kölner Verwaltungsgericht diese Klage mit Verweis auf das „Völkergewohnheitsrecht“ und die „Erkenntnisse“ der Bundesanwaltschaft ab.
Handlungen der deutschen Streitkräfte in Afghanistan sind jedoch der Befehlsstruktur der von der NATO geführten internationalen Truppen der ISAF unterworfen. Sie sind den Vereinten Nationen (VN) zuzurechnen. Internationale und supranationale Organisationen genießen indes kraft Völkergewohnheitsrechts Immunität und unterliegen schon deshalb nicht der deutschen Gerichtsbarkeit.
Völkerrechtlich handelt es sich deshalb trotz der Beteiligung internationaler Truppen um einen nichtinternationalen bewaffneten Konflikt. Mit dem streitigen Einsatzbefehl übte Oberst Klein deshalb keine deutsche Hoheitsgewalt aus.
Will man diesen Gesichtspunkt vernachlässigen, ist die Klage allerdings auch aus anderen Gründen unzulässig.
Der Kölner Verwaltungsrichter bezieht sich nun bei der Bewertung der Ereignisse auf den Abschlussbericht der Bundesanwaltschaft vom 16. April 2010:
Selbst wenn „mit der Tötung mehrerer Dutzend geschützter Zivilisten hätte gerechnet werden müssen“, hätte dies „bei taktisch-militärischer Betrachtung nicht außerhalb jeden Verhältnisses zu den erwarteten militärischen Vorteilen gestanden“. Sowohl „die Vernichtung der Tanklastzüge als auch die Ausschaltung ranghoher Taliban“ hätte eine „nicht zu unterschätzende militärische Bedeutung“ gehabt, ein völkerrechtswidriger „Exzess“ Kleins scheide somit aus.
Ziel des Bombenabwurfs sollte ausweislich der Erkenntnisse der Bundesanwaltschaft die Vernichtung der beiden Tanklaster sein, wobei Oberst Klein bewusst war, dass durch den Luftangriff auch die umstehenden Taliban getroffen würden. Durch die Tötung der anwesenden Talibanführer erwartete er eine merkbare Schwächung der Organisation der Aufständischen in der Provinz Kunduz. Oberst Klein hielt es dagegen für ausgeschlossen, dass sich andere Personen als Taliban vor Ort aufhielten und ging davon aus, dass sich die Fahrer der Tanklaster nicht mehr in der Nähe der Tanklaster aufhielten, sondern, wie bei der Entführung anderer Fahrzeuge wenige Tage zuvor, sehr schnell von den Fahrzeugen getrennt worden waren.
Der Bombenabwurf richtete sich demzufolge nicht gegen andere Personen als Taliban und damit auch nicht gegen den Kläger als Fahrer eines Tanklasters. Der Kläger war also nicht Teil einer Gruppe von Menschen, gegen die sich der Angriff richtete.
Die Bundesanwaltschaft ist gegenüber der Bundesregierung weisungsabhängig und ihre Darstellung stimmt in wesentlichen Punkten nicht mit den Untersuchungsergebnissen von ISAF und Bundeswehr überein. Die ISAF-Untersuchungskommission kommt zu dem Ergebnis, dass Klein eindeutig gegen die ISAF-Einsatzregeln verstoßen habe.
Das Verwaltungsgericht Köln stützt sich jedoch - entgegen der zum Zeitpunkt seines Urteils längst öffentlich nachgewiesenen Widersprüche - alleinig auf die Falschdarstellungen der Bundesanwaltschaft.