Gefährliche Burschenschaften

Erstveröffentlicht: 
28.07.2013

Rechtsextremismus - Von Sebastian Höhn

Grüne und Linke fordern Auskunft über rechte Umtriebe in Berliner Burschenschaften. Dabei geht es auch um die Frage, warum der Verfassungsschutz sich bisher nicht für die Gothia und andere Burschenschaften interessierte.


Nach der Affäre um den Ende Juni entlassenen Sozialstaatssekretär Michael Büge (CDU) wirft der politische Umgang mit rechten Burschenschaften weiter Fragen auf. Die Opposition im Abgeordnetenhaus sieht Klärungsbedarf zum Agieren rechtslastiger Burschenschaften in Berlin. In zwei Anfragen an den Senat verlangen Linke und Grüne Auskunft unter anderem über mögliche rechtsextreme Vorkommnisse bei der Zehlendorfer Burschenschaft Gothia, in der Michael Büge Mitglied ist. Dabei geht es auch um die Frage, warum der Verfassungsschutz sich bisher nicht für die Gothia und andere Burschenschaften interessierte.

 

Ausstellung mit Nazi-Kunst

Sozialsenator Mario Czaja (CDU) hatte seinem Staatssekretär im Mai ein Ultimatum gestellt. Er musste sich zwischen dem Regierungsamt und der Mitgliedschaft in der Burschenschaft entscheiden. Gothia gehört zum umstrittenen Dachverband Deutsche Burschenschaft, die seit einigen Jahren durch völkische und rechtsnationale Umtriebe für Schlagzeilen sorgt. Erst kürzlich trat die Thuringia aus Charlottenburg dort aus, als erste Berliner Burschenschaft. Der rechten Wochenzeitung „Junge Freiheit“ hatte Büge in einem Interview als Grund für seinen Schritt genannt, dass er mit Gothia positive Begriffe verbinde, „die sonst in der Gesellschaft nicht mehr anzutreffen sind: Freundschaft, Ehrlichkeit, ein freiheitlicher Wertekanon“.

 

In der Kleinen Anfrage von Clara Herrmann, Sprecherin für Strategien gegen Rechtsextremismus der Grünen-Fraktion, geht es konkret um eine Ausstellung mit Nazi-Kunst, die 2006 in der Zehlendorfer Gothia-Villa stattgefunden haben soll. Die Berliner Zeitung hatte über die „Kleine Deutsche Kunstausstellung“ berichtet, die in jenem Jahr durch die Häuser mehrerer deutscher Rechtsaußen-Burschenschaften tourte. Der Titel erinnert an die „Große Deutsche Kunstausstellung“, die 1937 von Adolf Hitler eröffnet wurde und bis 1944 jährlich in München stattfand. Auch die Schau bei den Burschenschaften zeigte Exponate aus der NS-Zeit.


Kritik an der Senatsverwaltung

Der Berliner Verfassungsschutz hatte von der Ausstellung damals keine Notiz genommen. Anders die Amtskollegen in Bayern. Denn die Nazi-Kunst war zuerst bei der Münchener Burschenschaft Danubia gezeigt worden, die wegen ihrer Nähe zum Rechtsextremismus mehrere Jahre lang vom Verfassungsschutz beobachtet wurde. Wer eine solche Ausstellung organisiere, müsse sich fragen lassen, ob er den Nationalsozialismus auch politisch für vorbildhaft hält, hatte ein Sprecher des bayerischen Verfassungsschutzes die Veranstaltung kommentiert.

„Die Berliner Senatsverwaltung für Inneres scheint das Thema rechte Burschenschaften nicht so ernst zu nehmen wie andere Bundesländer“, sagt Clara Herrmann. Neben Bayern widme sich auch Hamburg in seinen Verfassungsschutzberichten auffälligen Burschenschaften. Berlin allerdings nicht. Hakan Taş , Sprecher für Inneres in der Fraktion der Linken, pflichtet Herrmann bei. „Insgesamt wird bei diesen Ämtern weniger nach rechts geschaut als nach links“, sagt er. Die Burschenschaften hätten Kontakte zu diversen rechten Verbänden und Parteien, die überprüft werden müssten.

 

Das strategische Interesse der NPD

Eine Aufgabe für den Verfassungsschutz? Mit der Forderung nach einer direkten Beobachtung tun sich die Abgeordneten schwer. Denn ihre beiden Parteien streben längst die Auflösung der Verfassungsschutzämter an. Zu oft habe der Geheimdienst versagt, vor allem in der NSU-Mordserie. „So lange es aber die Behörde gibt und sie diese Aufgaben hat, müssen bei entsprechenden Hinweisen auch Burschenschaften beobachtet werden“, sagt Hakan Taş. Ob in Berlin Gründe dafür vorliegen, wolle seine Fraktion mit ihrer Großen Anfrage klären lassen.

Laut einer Sprecherin der Innenverwaltung gab es in den vergangenen Jahren bei den Berliner Burschenschaften keine Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung (FdGO). Auch in den Regierungsfraktionen gibt man sich zurückhaltend. Tom Schreiber (SPD) und Stephan Lenz (CDU), beide Sprecher für Verfassungsschutz, betonen, dass eine Beobachtung nur bei nachweisbaren Verstößen gegen die FdGO möglich ist. Dafür gebe es aber bei den Berliner Burschenschaften derzeit keine Hinweise. „Nicht alles was schräg ist, muss gleich verfassungsfeindlich sein“, so Lenz.

Tom Schreiber fordert dennoch eine erhöhte Aufmerksamkeit. „Wir müssen genau hinschauen, wer dort auftritt“, sagt er. Auch die Verbindungen zu Institutionen der Neuen Rechten müssten sehr ernst genommen werden. „Die intellektuelle Rechte ist mindestens genauso gefährlich wie die Seite der Gewaltbereiten.“ Erstmals hat jetzt auch ein Minister vor einem systematischen Zusammenhang von Burschenschaften und Rechtsextremismus gewarnt. Teilbereiche des Rechtsextremismus wie die NPD hätten an Burschenschaften ein strategisches Interesse heißt es einer Antwort des Innenministers von Nordrhein-Westfalen, Ralf Jäger (SPD) auf eine Kleine Anfrage.