Einleitung
Am
22. Juni 2013 begannen wir, vom Karlsplatz in München ausgehend, die
“No Border, No Nation” Non-Citizen Demonstration. Auf halbem Weg der
Demonstration entschieden wir gemeinsam, am Rindermarkt zu halten und
86 von uns setzten sich auf die Straße.
In unserer ersten
Erklärung kündigten wir an, dass wir für die Anerkennung unserer
Asylanträge mit einem nassen Hungerstreik (nur Wasser, kein Essen)
begonnen hatten. Wir gaben der Regierung 3 Tage, um unsere Forderung zu
erfüllen.
Nachdem es 3 Tage lang keine Reaktion von Seiten der
Regierung gab, organisierten wir mehrere Plena, bei denen wir
schließlich aus eigener Entscheidung beschlossen, einen weiteren
Schritt zu gehen, um die gleichen Rechte wie andere Menschen zu
erhalten. Auf unserer eigenen Pressekonferenz am Donnerstag, den 25.
Juni, kündigten wir an, dass wir in den trockenen Hungerstreik treten
(kein Essen, kein Wasser) und dass die Verantwortung für unsere Leben
jetzt in den Händen der Autoritäten und Gesetzgeber_innen liegt.
Nach
einem Tag war die erste Reaktion der bayerischen Regierung ein
Verhandlungsangebot zwischen uns, den Non-Citizens (Asylsuchenden) im
trockenen Hungerstreik und ihnen als den Autoritäten. Die am Mittwoch
stattfindende Verhandlung scheiterte ohne Ergebnis, sodass wir unseren
trockenen Hungerstreik fortsetzten, um unsere Forderung nach gleichen
Rechten zu erreichen.
Am Samstag, den 29. Juni, am 8. Tag
unseres Hungerstreiks und gleichzeitig dem 5. Tag unseres trockenen
Hungerstreiks, scheiterte die zweite Verhandlungsrunde auf Grund einer
noch schlechteren Herangehensweise der Regierung als in der ersten
Runde. Schließlich, am frühen Sonntagmorgen des 30. Juni um 04:30Uhr,
griffen mehr als 300 Bereitschaftspolizist_innen unser Camp an. Die
Hungerstreikenden des Camp wurden geräumt; einige von uns wurden ins
Krankenhaus gebracht, andere ins Gefängnis.
Was in den 9 Tagen
am Rindermarkt passiert ist, wurde von verschiedenen Seiten, Sichtweisen
und auf verschiedene Arten in den Medien und in politischen Kreisen
analysiert. Jetzt wollen wir, als Subjekte der Non-Citizen
(Asylsuchenden-) Kämpfe, den Rindermarkt von unserer eigenen Position
und Perspektive aus analysieren, um die unerzählten Teile zu
berücksichtigen und Transparenz herzustellen.
Rindermarkt - Das Ergebnis von was?
Ein
Ereignis getrennt von seinen historischen Grundlagen, Kontext und
Ursachen zu analysieren, würde eine nur unvollständige und mangelhafte
Analyse produzieren. Der Protest am Rindermarkt ist keine Ausnahme von
dieser Regel. Der Rindermarkt war das Ergebnis der Lebenserfahrungen in
unseren Herkunftsländern, die Frucht der Hochs und Tiefs des Non-Citizen
(Asylsuchenden) Kampfes der letzten 17 Monate, das Ergebnis unserer
kollektiven Weisheit und unseres Bewusstseins. Vor allem aber war er das
Ergebnis unserer Lebenssituationen, geformt durch die diskriminierenden
Gesetzen der deutschen Regierung; eine Position, die wir Non-Citizens
(Asylsuchende) gleichermaßen teilen.
Am 19. März 2012 begannen
10 Non-Citizens (Asylsuchende), mit dem Ziel ihre Lebensbedingungen zu
ändern, ihren nassen Hungerstreik in einem Zelt in Würzburg. Sie hatten
10 konkrete Forderungen. Nach 17 Tagen brachen sie, aufgrund der
Verhandlung mit einer Delegation der Regierung und nachdem sie falsche
Versprechen von Seiten der Delegation bekommen hatten, ihren
Hungerstreik ab; sie setzten jedoch den Streik auf der Straße fort. Die
Regierung hielt ihre eigenen Versprechen nicht, sodass bereits nach
kurzer Zeit, sich der Protest in Form von Protest-Zelten auf mehrere
Städte ausweitete.
Am 8. September 2012 versammelten sich alle
Non-Citizens der Protestzelte in Würzburg und starteten den Refugee
Protest Marsch nach Berlin auf zwei Wegen: einen zu Fuß, einen anderen
per Bus. Nach 28 Tagen kam der Protest in Berlin, der politischen
Hauptstadt Deutschlands, an.
Der 9-tägige Hungerstreik von 22
Non-Citizens (Asylsuchende) am Brandenburger Tor in Berlin führte zu der
zweiten Verhandlungsrunde mit der Regierung. Mit falschen
Versprechungen brach die Delegation der Regierung erneut erfolgreich den
Hungerstreik.
Der erste Non-Citizen Kongress, in den ersten drei
Märztagen 2013, fand in München statt. Er gab den Non-Citizen
(Asylsuchenden) den Raum, ihre eigenen Analysen über ihre Position als
Asylsuchende und ihren Kampf als Asylsuchende, mit anderen Non-Citizens
zu teilen. Eines der Ergebnisse des Kongresses war, die Erkenntnis dass
es ohne legalen Aufenthaltsstatus nicht möglich ist, die Situation von
uns,Asylsuchenden zu verändern. Ein legaler Aufenthaltsstatus beinhaltet
das Bleiberecht, Bewegungsfreiheit, das Recht auf Arbeit und Bildung,
das Recht den Aufenthaltsort zu wählen, das Recht sich das Essen selbst
zu wählen, was mensch isst - alles in allem, das Recht, unser eigenes
Schicksal zu bestimmen.
Dann enstand die große Frage: "Was ist zu
tun, um ein gesichertes Leben und die gleichen Rechte wie die Anderen
zu erlangen?" Selbst-Organisation, das Aufbauen von Netzwerke, um sich
gegenseitig zu treffen war der erste Schritt. In mehr als 70 Treffen
wurde mit Teilnahme von Non-Citizens (Asylsuchenden), die in mehr als
200 Lagern in Bayern lebten, der Protest am Rindermarkt organisiert.
Der Rindermarkt war unsere eigene Anwort auf eine Frage, die wir selbst
geschaffen hatten. So begannen wir am 22. Juni, vereint als Eines,
unseren kollektiven Protest am Rindermarkt.
Wie reagierte die Regierung auf den Hungerstreik am Rindermarkt?
Schritt 1: das Nutzen alter Methoden, um den Hungerstreik zu brechen
Die
erste Reaktion der Regierung kam am Dienstag, den vierten Tag des
Hungerstreiks und ersten Tag des trockenen Hungerstreiks. Frau
Haderthauer (CSU), Bayerns Sozialministerin, bat in einer
Pressemitteilung um einem runden Tisch zwischen Abgeordneten der
bayrischen Regierung und uns (Non-Citizens im trockenen Hungerstreik).
Es gibt einige Punkte in der Pressemitteilung von Frau Haderthauer,
Mitglied der bayrischen Regierung, die die generelle Politik der
Regierung deutlich machen. In dieser Pressemitteilung schrieb sie: "bis
dato konnte diese diese Methode (der runde Tisch) die Situation
beruhigen."
Sie bezieht sich dabei klar auf die letzten beiden
Verhandlungsrunden in Würzburg und Berlin, in denen die
Regierungsvertreter_innen, indem sie falsche Versprechen gaben, die
physische Schwäche der hungerstreikenden Non-Citizens missbrauchten und
diese zu unmittelbaren Entscheidungen während der Verhandlungen zwang,
wobei sich die Regierungsvertreter_innen die Sprachschwierigkeiten der
Non-Citizens zum Vorteil machten. Es bestand bei den Non-Citizens keine
ausreichende Erfahrung, um mit den politischen Spielchen professioneller
Politiker_innen umgehen zu können. Letztgenannte benutzten die
bestehende Furcht der hungerstreikenden Menschen und ihre Sorgen um
ihre Zukunft und waren so jederzeit in der Lage den Hungerstreik ohne
Ergebnisse für die Hungerstreikenden zu brechen.
Somit hat die
Regierung uns deutlich gezeigt, dass es ihre vorgegebene
Herangehensweise ist, die komplette Frage auszulöschen, statt Antworten
und Lösungen zu finden. Nach der Veröffentlichung der Pressemitteilung
der Sozialministerin, begannen wir selbst, uns zu versammeln. Dies
geschah, um überhaupt Gründe zu sammeln, bei diesen Verhandlungsrunden
mitzumachen und falls dem so sei, wie und mit welcher Strategie wir auf
diese zugehen würden. Gemeinsam beschlossen wir, nachdem wir diese
Punkte diskutiert hatten und unsere Erfahrungen aus den letzten beiden
Verhandlungen geteilt hatten, eine_n Gesandte_n zum Verhandlungstreffen
zu schicken, welche_r unsere Erklärung und Forderung den
Regierungsvertreter_innen überbringen und deren Angebote uns wiederum
mitteilen sollte. Wir stimmten alle mit dieser Vorgehensweise, also
eine_n Gesandte_n zu haben, überein, um dem physischen und psychischen
Druck der Regierung fern zu bleiben und es uns damit möglich zu machen,
Entscheidungen bezüglich möglicher Angebote der
Regierungsvertreter_innen zu treffen. Der Idee von Kollektivität,
Subjektivität und Subjektposition verpflichtet, war der Gesandte nicht
befugt, eigenständig Entscheidungen zu treffen, ihre_seine eigene
persönliche politische Meinung auszudrücken oder als Sprecher_in zu
fungieren. Selbstverständlich brauchte es, auf diesem Level, politisches
Vertrauen in den_die Gesandte_n, um sicher zu gehen, dass er_sie sich
an diese Prinzipien hält. In einem Treffen am Dienstag Abend im
Protestzelt beschlossen wir im Kollektiv, dass Ashkan Khorasani, welcher
ein ehemaliger Asylsuchender ist, in den kommenden Verhandlungen als
Gesandter teilnehmen werde.
Am Mittwoch wurde der Gesandte, mit einer
Liste aller Non-Citizens, die sich im trockenen Hungerstreik befanden,
zu den Verhandlungen geschickt. Am Beginn der Liste stand ein Satz, der
unsere einzige Forderung ausdrückte. Die Verhandlung fand zwischen
unserem Gesandten und den Regierungsvertreter_innen statt. Die
Delegation der Regierungsvertreter_innen bestand aus 15 Menschen der
Regierung von Oberbayern, Mitgliedern des Bundesamtes für Migration und
Flüchtlinge, dem Sozialministerium, dem Jugendamt, der Stadt München,
der Polizei und dem Regierungspräsidenten von Oberbayern als Moderator
der Verhandlungen.
Die Regierungsvertreter_innen machten sich über
den trockenen Hungerstreik lustig indem sie keine annehmbare Übersetzung
von Deutsch ins Englische (und zurück) für den Gesandten bereit
stellten; indem sie unterdrückende Gesprächstaktiken wie Unterbrechen
oder Lautwerden anwendeten, indem sie zu einer Atmosphäre beitrugen, in
der es nicht möglich war einen Dialog zu führen. Letztlich, ohne die
Position unseres Gesandten zu akzeptieren, tat die Delegation der
Regierungsvertreter_innen ihr Bestes, um den Hungerstreik ohne jegliches
Ergebnis für die Non-Citizens zu brechen.
Die Delegation brachte
mehrere Angebote auf den Tisch: erstens sollten die Asylanträge aller
Teilnehmenden des trockenen Hungerstreiks innerhalb der kommenden zwei
Wochen geprüft werden, natürlich ohne vorhergehende Versprechen und
zweitens wollten sie medizinische Unterstützung und “bessere” Zelte
gewährleisten. Bedingung für diese beiden Angebote wäre das Versprechen
der Non-Citizens im trockenen Hungerstreik gewesen, wieder Wasser zu
sich zu nehmen.
Der Gesandte kontaktierte uns, während des Treffens,
im Zelt und informierte uns über die gemachten Angebote. Nach einem
kurzen Plenum im Zelt beschlossen wir, dass dieses Angebot so weit von
unseren Forderungen entfernt war, dass wir kollektiv vereinbarten, mit
dem trockenen Hungerstreik weiterzumachen.
Während der Verhandlungen
sagte der Moderator des Treffens, Hr. Hillenbrand (CSU),
Regierungspräsident von Oberbayern: „ihr Leute, ihr lebt in
undemokratischen Strukturen, ihr erkennt unsere Demokratie hier in
Deutschland nicht an.“ Frau Meier (SPD), Münchens Sozialreferentin
sagte: „dieses Treffen wird sowieso zu nichts führen, weil der Gesandte
und die Position der Non-Citizens im trockenen Hungerstreik zu politisch
ist.“ (Für weitere Details dieser Verhandlung, schautt euch das Video der Pressekonferenz
an. Die Massenmedien haben leider nie darüber berichtet und damit das
unantastbare Recht auf freien Informationszugang verletzt). Am Ende
endeten die Verhandlungen ohne jeglichen Erfolg für uns.
Schritt 2: Beseitigung von Zweifeln in dem politischen- und dominierenden Mediendiskurs
Unser
Widerstand gegen die falschen Versprechungen der Autoritäten,
ausgedrückt in der Weiterführung des trockenen Hungerstreiks, war eine
politische Niederlage für die bayerische Regierung. Plötzlich erzielten
alte und erprobte Methoden nicht mehr das gewünschte Ergebnis.Von da an
war es Zeit, “neue Methoden” anzuwenden, nämlich der vorgetäuschte Ruf
nach Menschenrechten. Diese “neuen Methoden” können wie folgt gruppiert
werden:
2-1. Das Gesetz bindet die Regierung und unsere “unmögliche” Forderung
Die
gemeinsamen Punkte, welche in Interviews oder Pressemitteilungen von
der Seite der Autoritäten erhoben wurden, beinhalteten den Angriff auf
die Basis unserer Forderungen, indem behauptet wurde, dass ein
Widerspruch zwischen unseren Forderungen und dem Gesetz in Deutschland
bestehe. Die Regierung verkündete mehrmals, dass die Forderungen der
Asylsuchenden im trockenen Hungerstreik nur abgewiesen wurden, weil sie
nicht der Verfassung entsprachen.
Zuerst müssen wir sagen, dass es
ein schmutziges politisches Spiel ist, Gesetze als ein Werkzeug zu
benutzen, um den Forderungen der Menschen entweder Legitimät zu geben
oder wegzunehmen. Die Proteste von Non-Citizen (Asylsuchenden) haben
sich, zumindest während der letzten 17 Monate, gegen alle diese, auf
Diskriminierung basierenden Gesetze, gewendet. Jene Mentalität alles mit
dem Gesetz zu beurteilen, hat vergessen, dass Non-Citizens bereits
während des Refugee Protest Marsches nach Berlin im September 2012 in
ihrem Statement erklärt hatten: “Wir werden die Gesetze, die nicht unsere Menschlichkeit anerkennen, nicht respektieren.”
Es
ist hier wichtig zu erwähnen, dass die Tatsache, nicht das Recht auf
Arbeit oder Bildung, jedoch Residenzpflicht, Abschiebung, ein gesetzlich
vorgeschriebenes Leben in Asylsuchenden-Lagern, Essenspakete usw. zu
haben auf Gesetzen in Deutschland basiert. Die deutsche Regierung konnte
sogar legal mindestens 90€ pro Monat von jedem_er Asylsuchenden
stehlen. Aber lasst uns vorstellen, dass wir das Gesetz akzeptieren und
unter diskriminierenden Gesetzen, die auf Profit und Kapital basieren,
agieren wollen. Die Regierung lügt, indem sie sagt, dass der legale
Aufenthaltsstatus nicht in den Händen der Regierung läge und
Gesetzgeber_innen dafür zuständig seien. In dem deutschen Asylgesetz
gibt es verschiedene Optionen für Ministerpräsident_innen, die, mit dem
Einverständnis des Innenministeriums, einen legalen Aufenthaltsstatus
vergeben können. Es lassen sich in den letzten 10 Jahren eine Menge von
Beispielen dafür finden.
2-2. Medizinische Unterstützung;
an einem Tag als Angebot den Hungerstreik zu brechen, am Tag danach ein
Gesetz, was durchgesetzt werden muss
Das Instrument der
Medien, welches die Regierung in die 'Guten' dieser Geschichte
verwandelt, ist die Porträtierung der Regierung, dass diese vor den
Wahlen nichts anderes zu tun hätte als uns, durstreikende Non-Citizens
(Asylsuchende) zu retten! Die Angelegenheit der medizinischen
Unterstützung wurde in der ersten Runde der Verhandlungen als ein
Angebot für die Beendigung des trockenen Hungerstreiks von Seiten der
Regierung aufgeworfen. Als die Verhandlungen scheiterten, half das zuvor
erfolgte Aufbringen dieses Themas, die Regierung als einen
wohlwollenden Akteur darzustellen. Gleichzeitig war dies ein Mittel, um
Druck auf uns auszuüben. Wenn also unsere Gesundheit und neben dieser,
die medizinische Unterstützung von uns, eine Pflicht der Regierung ist –
warum, im allerersten Schritt, setzten sie es uns dann als Bedingung,
den trockenen Hungerstreik zu beenden?
Die zweite unbeantwortete
Frage: Wenn die Regierung sich um unsere Gesundheit sorgt, warum tut sie
dann nicht irgendetwas für die Veränderung der Situation, die unsere
Leben in Asylsuchenden-Lagern hält, tausende von uns dazu zwingt,
Selbstmord zu begehen (Staatsmord) und uns gegen unseren Willen in
unsicheren Orte abzuschieben? Sind wir nicht diese Menschen, als
Non-Citizens (Asylsuchende), die wir geradeso diese unmenschlichen
Bedingungen, basierend auf diskriminierenden Gesetzen, überleben,
während gleichzeitig unsere Schicksale in der Tinte der Stifte eurer
Richter_innen austrocknen? Ihr entscheidet, wo wir leben, ihr
entscheidet über die Reichweite unserer Bewegungs'freiheit', sogar die
Marke unserer Kleidung als auch unser Essen wird bereits durch euch
ausgewählt. Wie könnt ihr es jetzt wagen, auch nur zu versuchen, uns ein
“Rettungsprogramm” zu diktieren!
Interessanterweise, haben wir
selbst, noch bevor die Regierung anfing, sich um unsere Gesundheit zu
sorgen, am zweiten Tag des Hungerstreikes eine medizinische Arbeitsgruppe,
an der sich unabhängige Ärzt_innen beteiligten, eingerichtet.
Möglicherweise können wir unsere Position bezüglich dieser
“Rettungsmission” klären: wir haben bereits während der letzten 17
Monate bewiesen, dass wir in unserem Kampf für die Befreiung von uns und
anderen Non-Citizens keine großen Brüder brauchen; wir haben es nicht
nötig, bemitleidet oder gerettet zu werden. Unsere Entscheidungen, den
Kampf weiterzuführen, basieren allein auf unserem kollektiven Wissen und
Bewusstsein.
2-3. Die politischen Manöver der Regierung bezüglich der Position, des Charakter und der Vorgehensweise unseres Gesandten
In
einigen der obigen Zeilen haben wir unsere Entscheidung, die Funktion
eines Gesandten zu schaffen, bereits dargelegt. Es bestehen keine
Zweifel, dass wir dem Gesandten, den wir ausgewählt haben, politisch
vertraut haben und vertrauen. Selbstverständlich haben wir seine
Aufgaben, Verantwortungen und Positionen im Vorhinein abgeklärt.
Zuerst
müssen wir feststellen, dass es vollkommen respektlos gegenüber dem
kollektiven Wissen und Bewusstsein von uns hungerstreikenden
Non-Citizens (Asylsuchenden) ist, die Funktion des Gesandten, den
Gesandten als Person und die von ihm verkündeten Standpunkte in Frage zu
stellen. Sowohl die Regierung als auch die Medien stellen uns als
schwache Objekte in der Hand eines Monster dar. So als wären wir ohne
jeglichen unabhängigen Willen, sodass eine Person benötigt wird uns zu
führen oder wir dumm genug wären, um uns täuschen lassen zu können.
Diese Ansichten zeigen keinerlei Respekt gegenüber uns als aktiven
politischen Subjekten dieses Protestes; gegenüber unserem politischen
Bewusstsein, welches Resultat unserer Lebenserfahrungen ist. Schließlich
zeigt es ebenso Respektlosigkeit gegenüber unseren kollektiven
Entscheidungen. Natürlich betrachten wir diese Vorgehensweise der
Regierung nicht als reinen Zufall.
Diese Verweigerung der
Subjektivität von uns hungerstreikenden Non-Citizens und das Reduzieren
des gesamten Protestes auf eine Person, hat schließlich unseren
kollektiven Protest aus den Medien verschwinden lassen und ihn auf eine
Konfrontation zwischen Regierung und einer individuellen Person (dem
Gesandten) reduziert. Dadurch wurde es zur leichtesten Aufgabe der
Regierung, die gesamte Angelegenheit des Protestes, die Forderung von
uns hungerstreikenden Non-Citizens, untergehen zu lassen.
Das
Verbreiten von Gerüchten über die Rolle des Gesandten in unseren
Entscheidungsprozessen, über die angebliche Weigerung des Gesandten,
Ärzt_innen den Zutritt zu erlauben und über die vermeintlich unmögliche
Kommunikation mit uns aufgrund der Vorgehensweise des Gesandten, nützten
der Regierungsstrategie dabei unsere politische Struktur anzugreifen.
Dieses
Mal stand die Regierung einer neuen Konstellation unsererseits
gegenüber, ihre alten Methoden hatten so keine Wirkung mehr. Diese
Konstellation (nämlich einen Gesandten zu haben) gab uns den Raum, in
Distanz zu dem direkten Druck der Verhandlungstreffen und zu einer
direkten Entscheidungsfindung zu gehen, während das Führen eines
trockenen Hungerstreiks bereits Druck an sich ausübt.
Daher: dem
Gesandten seine Legtitimät zu entziehen und auf ihn Druck auszuüben, um
uns direkt zu erreichen, geschah aus reiner Verzweiflung von Seiten der
Regierung. Sie hatten keine weiteren, neuen Methoden, um den
Hungerstreik zu brechen und versuchten so die Situation auf
ein Level zu bringen, auf dem alte Methoden wieder effektiv wären.
2-4. Die Regierung machte uns deutlich: Wenn Ihr Euren Hungerstreik nicht brecht, dann werden wir Eure Hände und Arme brechen.
Wenn
wir uns den Pressespiegel vom Mittwoch den 26. Juni angucken, der Tag,
an dem die erste Verhandlung scheiterte, dann spiegeln die Interviews
mit den Autoritäten eher eine Atmosphäre von Tränengas und Schlagstöcken
wider als den Anschein einer Lösungsfindung oder "unserer Rettung". Am
Donnerstag Abend, den 27. Juni, in einem nicht-offiziellem Treffen in
Anwesenheit von Hr. Hillenbrand, Frau Meier und unserem Botschafter,
klärte der Polizeivizepräsident von München, Hr. Kopp dass, wenn keine
Kooperation vom Botschafter käme, eine Campräumung, auch mit
Gewaltanwendung, als Option auf dem Tisch sei. Am Donnerstag, den 27.
Juni kam der Bürgermeister von München, Herr Ude (SPD) zu dem Zelt des
Roten Kreuzes, welches für die medizinische Unterstützung bestimmt war.
Er begann ein spontanes Treffen und versuchte zusammen mit Herrn
Hillenbrand sein Bestes, um den Hungerstreik zu brechen. Nach dem
Scheitern sagte er in einem Interview am Freitag: „Eine Räumung braucht einen rechtlichen Grund, den gibt es bisher noch nicht”.
Danach,
am Samstag den 29. Juni trafen sich der Ministerpräsident von Bayern,
Herr Seehofer (CSU), die bayerische Staatsministerin für Arbeit,
Sozialordnung, Familie und Frauen, Frau Haderthauer und der
Innenminister Herr Herrmann (CSU) in München und bezeichneten dieses als
"Krisentreffen". Nach ihrem Treffen erklärten sie auf einer
Pressekonferenz, dass es keine Angebote für die streikenden Non-Citizens
(Asylsuchenden) gäbe. Nach diesem Treffen wurden Herr Vogel (SPD) und
Herr Glück (CSU) zu einer zweiten Verhandlungsrunde geschickt. Wir
beschlossen, sie in das Camp zu lassen und ein weiteres
Verhandlungstreffen mit unserem Gesandten abzuhalten. Also fand die
zweite Verhandlungsrunde statt und die Herangehensweise der Regierung
hatte sich im Vergleich zur ersten verschlechtert. Die Delegation
erklärte gleich am Anfang, dass sie keine politische und praktische
Macht hätten, um irgendetwas zu verändern oder anbieten zu können. Sie
sagten sie seinen nur auf Grund ihrer persönlichen Beweggründen und
humanitären Gefühle hier, um den trockenen Hungerstreik zu stoppen.
Wenn
der trockene Hungerstreik beendet werden würde, würden sie der
Regierung lediglich ernstgemeinte Ratschläge auf Basis unserer Forderung
geben, ohne dabei irgendwelche Versprechen machen zu können. Unser
Gesandter verlies das Treffen in einer Pause und kam zu unseren Zelten
zurück, um uns diese Informationen mitzuteilen. Während unseres
Treffens, was sehr kurz war, konnten wir keinen politischen Zusammenhang
zwischen dem Vermitteln von Ratschlägen an die Regierung und dem
Stoppen des Hungerstreiks finden. Überhaupt, warum hatten ihre
ernstgemeinten Ratschläge an die Regierung, die sich auf ihre
"persönlichen Emotionen und humanitären Gefühle" stützen, die Regierung
nicht schon längst erreicht? Wenn diese ernstgemeinten Ratschläge so
effektiv wären und die Delegation so humanitär, wie sie vorgibt zu sein,
warum haben sie dann nicht Gebrauch von der „Macht ihrer Ratschläge“
gemacht und warum handeln sie nicht als Zeug_innen des Hungerstreiks
statt uns davon abbringen zu wollen (es gibt dazu noch ein weiteres Video,
das die Massenmedien nicht veröffentlich haben)? Also stellten wir
fest, dass es sich um ein abgekartertes politisches Spiel der Regierung
handelte und wir beschlossen den trockenen Hungerstreik fortzusetzen,
bis wir unser Forderung nach einem legalen Aufenthaltsstatus erreichen.
Am
Sonntag um fünf Uhr morgens wurde von der Regierung eine 'Delegation'
von 300 Leuten zum Camp geschickt, um die eindeutige Regierungsbotschaft
zu übermitteln: Wir zerschmettern Euch! (Hier der Link zum Video der Räumung)
Fazit
Ein
weiteres Mal hat die bayerische Regierung sowie die deutsche Regierung
gezeigt, dass sie ihren mittelalterlichen Gesetzen, aktuell, nicht
zuwider handeln möchten. Sie werden jegliche Mittel gebrauchen, um die
Protestierenden auszumerzen. Es ist ein klarer Widerspruch, dass 300
Polizist_innen der Hundertschaften versucht haben uns "zu retten", indem
sie uns am 6. Tag unseres trockenen Hungerstreikes fast zu Tode
prügelten. Alle von uns wurden geschlagen, gezwungen ins Krankenhaus zu
gehen und sogar ohne jegliche medizinische Versorgung ins Gefängnis
gesteckt. Alle von uns wurden unter Druck gesetzt, gefälschte
Geständnisse gegen unseren Gesandten zu unterzeichnen. Dabei wurde uns,
im Falle einer Kooperation mit ihnen, sogar ein legaler
Aufenthaltsstatus angeboten.
Wir erklären hiermit:
1.
Im vollständigen Besitz unserer physischen und geistigen Kräfte,
basierend auf unserer politischen Erfahrung, beschlossen wir am 22. Juni
in einen kollektiven Hungerstreik auf dem Rindermarkt in München zu
treten. Kein Individuum, keine Gruppe oder Organisation, wären dazu in
der Lage gewesen uns dazu zu bringen, uns in irgendeinem Moment der
Entscheidungsfindung während unseres Protestes entgegen unserer
Prinzipien zu verhalten.
2. Jegliche politische
Rache seitens der Regierung an einzelnen von uns, wird eine Reaktion
von uns allen als Gruppe zur Folge haben.
3.
Trotz all der Versuche der Regierung, die ganze Angelegenheit vom Tisch
zu wischen, sogar mit Rückgriff auf unmenschliche Mittel: wir, die
streikenden Non-Citizens, die den Hungerstreik in München durchgeführt
haben, betrachten unser Anliegen als ungelöst und unbeantwortet von
Seiten der Regierung. Wir kündigen an, dass unsere Antwort auf die
Situation der Non-Citizens (Asylsuchenden) ein kollektiver Non-Citizen
(Asylsuchenden) Kampf, so lange, bis wir gleichberechtigt sind.
4.
Ein legaler Aufenthaltsstatus ist das Recht aller Non-Citizens
(Asylsuchenden) und wir sind entschlossen, bis zur Durchsetzung dessen
zu kämpfen. (unsere Pressekonferenz, 10 Stunde nach der Rümung des Camps)
Die hungerstreikenden Non-Citizens (Asylsuchenden) vom Rindermarkt München.
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Farsi
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