[Türkei] Aktuelle Entwicklungen

Resistance in Armutlu. Via @JshBlckbrn

„Everywhere Armutlu“

Der Widerstand in Armutlu wird zur Inspiration für Menschen in der ganzen Türkei. Im Moment wir das Viertel voll und ganz von den Einwohnern kontrolliert. Die Polizei versucht nicht einmal mehr, es zu besetzen. Sie hat den Belagerungszustand aufgegeben. Vor einigen Tagen versuchte sie ein letztes Mal einzudringen. Die Bilder waren unglaublich. Die Leute warfen brennende Sofas von den Dächern. Selbst gepanzerten Fahrzeugen gelang es nicht die Barrikaden zu durchbrechen.

 

Neben den brennenden Sofas ist der effektive Einsatz von sehr starken Laserpointern ein interessanter Aspekt. Als die Polizeifahrzeuge ins Viertel kamen, wurden die Fahrer von dutzenden Lasern aus den Fenstern der Wohnhäuser gebendet. Eine äußerst spektakuläre Lightshow.

 

Dies kann einen sehr demoralisierenden Effekt auf einrückende Polizeikräfte ausüben. Wenn dich der Laser trifft, hast du keine Chance mehr zu sehen, wohin du dich bewegst, aber du kannst dir sicher sein, dich definitiv nicht in befreundetem Gebiet zu befinden. Die Kombination aus Laserpointern, Feuerwerk, Böllern, Kampfliedern und Topfschlagen verstärkt die Demoralisierung der Angreifer um so mehr.

 

Yoğurtçu Park


Die Besetzung des Parks nimmt immer dauerhaftere Formen an. Das zentrale Çapulcu Cafe hat jetzt seinen eigenen Lagerraum. Die selbstorganisierte Bücherei wächst. Es gibt einen abgesteckten Spielplatz für Kinder, einige Zelte und so manches Fleckchen verwandelt sich in ein öffentliches Wohnzimmer. Tagsüber werden Umsonstläden organisiert, abends findet das übliche Forum statt, manchmal auch Konzerte. Die Parks wurden zu Plätzen der Begegnung, jenseits des Komerzes und bestimmen zusehends das soziale Leben.

 

Die kurdischen Gebiete


Im Nordirak und Syrien entstanden autonome Gebiete, der Türkei ist klar, dass sie die nächsten sind. Sie versuchte durch das beleben des Friedensprozesses dem zuvor zu kommen, allerdings gehen die Angriffe der türkischen Armee auf die kurdische Guerilla innerhalb und außerhalb der Türkei weiter. Hinzu kommt die Repression auf die Gezi Park Proteste, welche viel Kurden zusätzlich aufgebracht hat, so daß ihre Geduld nun wohl am seidenen Faden hängt. Sie verlangen eindeutige Beweise, dass es die Regierung mit dem Friedensprozess ernst meint. In dieser Woche stellte (aus Syrien) der bewaffnete Arm der PKK ein Ultimatum: „Wenn Ihr Frieden wollt, dann zeigt dies auch. Wenn ihr Krieg wollt, so könnt ihr ihn haben. Das Ultimatum endet am Mittwoch“. Dies war mehr oder weniger der Kern des Ultimatums.

 

„Natürlich“ wird die türkische Regierung niemals auf ein Ultimatum eingehen, welches von Leuten gestellt wird, die sie als Terroristen bezeichnet. Und so griffen am Mittwoch bewaffnete kurdische Gruppen aus Syrien einen Grenzposten an. Das Militär musste sich zurückziehen, und der unkontrollierte Grenzverkehr von Menschen, Gütern und Waffen wurde zwischen den kurdischen Gebieten in Syrien und der Türkei ermöglicht.

 

Das Ziel der kurdischen Bewegung, gleich ob friedlich oder bewaffnet, ist seit geraumer Zweit nicht mehr der kurdische Staat. Die Tendenz geht eher hin zu dezentralisierten, lokalen und demokratischen Gesellschaftsvorstellungen. Dies wird bereits im Nordirak und in Syrien erprobt. Nach der gestrigen Einnahme des Grenzpostens wurde, berichten zufolge, die Kontolle über das Gebiet an die öffentliche Versammlung übergegeben.

 

Die Universitäten


In letzter Zeit begannen die Foren sich auch in den Universitäten zu verankern. Gestern beispielsweise, organisierten Studenten zusammen mit den Antikapitalistischen Muslimen das Fastenbrechen auf dem Campus der Boğaziçi Universität. Sicherlich halten sich normalerweise nicht alle an den Ramadan, und bestimmt waren auch nicht alle Muslime, aber dennoch drückt sich in dieser Aktion genau der Geist vom Gezi Park aus. Zum Einen, weil es ums Teilen und Zusammenkommen geht, zum Anderen, weil es durch keine Autorität, sei sie politisch oder religiös, organisiert wurde.

 

Die Studenten haben allen Grund, sich für die Kämpfe der kommenden Monate zu organisieren, da die Regierung an einem Gesetz arbeitet, welches der Polizei erlaubt, „Sicherheitsaufgaben“ innerhalb der Universitäten auszuüben. Entgegen der Regierungsabsichten wird dies die Campusse in Kampffelder verwandeln.

 

In Kürze


Die Kämpfe breiten sich im Südosten aus. Inspiriert durch die Entsschlossenheit der Leute in Armutlu, brachen letzte Nacht heftige Kämpfe in Adana aus. Bestätigten Berichten zu Folge, verlegt die Polizei zusätzliche Kräfte in die Stadt, nachdem die Rebellen alle Einwohner Adanas zum Aufstand aufriefen.

 

Freie Übersetzung von “Everywhere Armutlu”, im Original auf PostVirtual erschienen, via lesci.blogsport.eu

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