Am 9. Juli 2013 veranstaltete die Bezirksverwaltung einen Informationsabend zu der geplanten Unterkunft für Asylsuchende, die in den Gebäuden des ehemaligen Max-Reinhardt-Gymnasiums in Berlin-Hellersdorf Platz finden soll. Dort sollen in den nächsten Wochen zweihundert Asylsuchende untergebracht werden, die in Deutschland Schutz vor der Verfolgung, dem Tod und anderen Gründen, die sie in die Flucht getrieben haben, suchen. Was sie hier erwartet, haben auf dem Informationsabend mehrere hundert rassistische Anwohner_innen und die Berliner Neonazis gezeigt: der Volksmob tobte und geiferte, die NPD befand sich mitten im Wahlkampf und der Bezirk stand tatenlos daneben. Nur durch antirassistische und antifaschistische Interventionen blieben an dem Abend auch solidarische Positionen nicht ungehört. Eine Demonstration durch den Kiez trug diese Position zum Abschluss auch nach außen.
Vorgeschichte
Erst am 20. Juni machte die Sozialstadträtin Dagmar Pohle (Die LINKE) während einer BVV-Sitzung die Pläne für die Einrichtung einer weiteren Unterkunft für Asylsuchende in Marzahn-Hellersdorf bekannt. In dieser Sitzung fragte Karl-Heinz Burkhardt, der für die NPD in der BVV sitzt, interessiert nach. Schon am nächsten Tag wird auf Facebook die "Bürgerinitiative Marzahn-Hellersdorf" (im Folgenden kurz BMH) als Fanseite erstellt. Die Seite mobilisierte oberflächlich gegen die Flüchtlingsunterbringung, konkreter dann aber auch gegen "kriminelle Ausländer" und rief dann nach dem Gesprächsangebot des Bezirks gezielt zur Teilnahme und Unmutsäußerung auf dem Informationsabend auf.
Wer steckt hinter der Initiative?
Die Initiative, die sich bisher vor allem digital in Form einer Facebook-Seite und einer inzwischen gesperrten Petition öffentlich organisierte, aber auch Plakate gedruckt und aufgehangen hat, lässt in verschiedenen Details Neonazis als Urheber erkennbar werden. Schon in der allgemeinen Aufmachung, die keine konkreten Ansprechpartner_innen nennt und bei einem Mail-Hoster der Extremen Rechten (0x300.com) ihre Kontaktadresse registriert hat, merkt man, dass man keiner „normalen“ bürgerlichen Initiative gegenübersteht. Verpixelte Fotos zeigen weiterhin, dass die Initiatoren sich repressionsbewusst geben und eine konspirative Handlungsweise gewohnt sind. Auch logistisch werden die Mittel der organisierten Neonazis umgesetzt: an die Anwohner_innen werden gegen einen kleinen Obolus T-Shirts mit dem Aufdruck "Nein zum Heim" verkauft. Ein Planungsprozess zu diesen T-Shirts war nicht erkennbar, es ist anzunehmen, dass Design, Produktion und Vorkostenübernahme durch eine breiter aufgestellte Struktur erfolgt sein muss.
Ein ab dem 1. Juli verbreitetes Plakat hatte neben klaren Bezugnahmen zu der rassistischen Asyl-Programmatik der NPD auch einen Verweis auf den 2011 für die Wahl zum Abgeordnetenhaus angetreten NPD-Kandidaten Thomas Crull als presserechtlich Verantwortlichen. Crull war auch der Initiator der inzwischen gesperrten Petition gegen die Unterkunft. Weiterhin präsentiert sich auch Lars Niendorf auf der Seite als aktiver Bürgerinitiativenteilnehmer. Fotos der Initiative zeigen Niendorf, wie er ein Plakat der BMH in den Briefkasten der Hellersdorfer Regionalzeitung "Die Hellersdorfer" einwirft. In Marzahn wohnhaft, ist Niendorf bei NW Berlin aktiv und übernimmt oft die Aufgaben des Banner- oder Fahnenträgers auf Demonstrationen. Auch der zweite NPD-Abgeordnete in der BVV, Matthias Wichmann, agierte vor Ort. Er klingelte am 5. Juli bei verschiedenen Anwohner_innen und versuchte, Stimmung gegen die Notunterkunft zu machen.
Weitere Neonazis der NPD und von NW Berlin brachten sich bisher in die digitale Debatte z.T. unter Pseudonymen ein, darunter Sebastian Schmidtke, Landesvorsitzender der NPD Berlin und führender Kader im militanten Berliner Neonazi-Netzwerk NW Berlin, und Julian Beyer, der sich ebenfalls bei NW Berlin und der NPD aktiv beteiligt und der mit verschiedenen Anschlägen in Berlin und Brandenburg in Verbindung gebracht wird. Weiterhin aktiv zeigten sich Steffen Peplow und Christian Schmidt.
Plattform, Radikalisierung, Vernetzung
Das digitale Angebot der BMH dient inzwischen weitestgehend als Sprachrohr und Mobilisierungsorgan der es betreibenden Neonazis. Daneben bietet die Facebook-Präsenz aber auch eine Plattform für den rassistischen Bürger_innen-Mob, dessen xenophobe Kommentare auch über die Grenzen der Strafbarkeit hinaus gerne stehen gelassen wurden. Erst mit den Medienberichten, die eine NPD-Verknüpfung der BMH aufdeckten, wurden die allzu offensichtliche rassistischen und NPD-nahen Positionen der Initiative aus dem Netz genommen und auf eine bessere Moderierung geachtet. Geschulte Kader übernahmen die Verwaltung der Seite, die Statements der BMH wurden nun mit bedachteren Worten, heimtückischen Positionierungen (so der vermeintlichen Sorge um das Wohl der Flüchtlinge) und vermeintlicher Abgrenzung von rassistischen Inhalten geschrieben.
Das übernahmen jedoch weiterhin die empörten Wutbürger_innen und Alltagsrassist_innen, angestachelt durch die unter ihren privaten Profilen schreibenden Neonazis. Einerseits wurden Stereotype sich gegenseitig bestätigt, xenophobe Ängste reproduziert und sich in diesem Umfeld immer radikalere Positionen erlaubt. Gleichzeitig wurden Kritiker_innen, die sich auf der Seite zu Wort meldeten, schlichtweg zumeist gelöscht. Eine freie Diskussionskultur war aufgrund des Hintergrund der Betreiber_innen der Seite auch nicht erwartbar - die BMH ist eine Propaganda-Plattform der Berliner Neonazis.
Mit Dank wandte die BMH sich an das Vernetzungsangebot von André Otto aus Biesdorf, der ein rechtliches Vorgehen empfahl. Otto ist parteiloser Kandidat in Marzahn-Hellersdorf und macht mit rassistischen Positionen auf sich aufmerksam, während er sein Hauptbetätigungsfeld in der Bürgerinitiative Biesdorf 2.0 gegen den Trassenbau sieht. Dabei wird auch hier die Verknüpfung in das neonazistische Spektrum deutlich: André Otto war Ende der 90er Bezirksvorsitzender der inzwischen in die NPD aufgegangene DVU. 1998 wurde er beschuldigt, einen rassistischen Angriff mit weiteren DVU-Mitgliedern verübt zu haben. Hier zeigt sich eine Tendenz, die versprengten Kräfte der in den letzten Jahren weitgehend kraftlosen organisierten extremen Rechten, über das gemeinsame Thema zueinander zu bringen - und stößt damit ganz offensichtlich auf Gegenliebe.
Gegenwind aus dem Bezirk
Im unmittelbaren bezirklichen Umfeld blieb die rassistische Hetze nicht unbeantwortet. Während einer bei der Polizei unangemeldeten Aktion am 6. Juli sollten nach Vorstellung der BMH Anwohner_innen ihre selbstgemalten Plakate und Transparente an der Schule anbringen. Während die Polizei sich mit Streifen-, Zivil- und Hundertschaftskräften um die Schule positionierte und unangemeldete Aktionen unterband, indem sie Anwohner_innen wegschickte, tauchten rund um die Schule Graffitis und umgestalte Plakate im BMH-Design auf, die sich solidarisch auf die Asylsuchenden bezogen. Von kirchlicher Seite wurde am gleichen Tag laut Veröffentlichung der BMH rechtliche Schritte gegen die Gestaltung des Aufrufs zur Teilnahme an der Bürgerversammlung angedroht, daraufhin entschied sich die BMH, das so gestaltete digitale Banner zu löschen. Am 7. Juli wurde in Kaulsdorf-Nord durch die BMH ein Transparent mit Aufschrift „Wir sind das Volk! Nein zum Heim!“ an einer Brücke befestigt, dass aber bereits nach kürzester Zeit durch antifaschistische Intervention wieder aus dem Stadtbild verschwand.
Die Masken fallen - Neonazis auf dem Informationsabend
Am 9. Juli 2013 war dann der gesamte Kiez auf den Beinen. Abgesichert durch knapp 200 Polizist_innen strömten schon eine Stunde vor dem Veranstaltungsbeginn eine Vielzahl von Bürger_innen auf das Gelände. Unter ihnen auch Gruppen organisierter Neonazis. Insgesamt wurde die Veranstaltung, die wegen der steigenden Beachtung auf ein Freigelände umverlegt wurde, mit fast 1000 Teilnehmer_innen deutlich in ihren Kapazitätsgrenzen gesprengt. Die Neonazis verteilten sich auf dem Gelände. Anwesend waren neben Sebastian Schmidtke, dem Landesvorsitzenden der NPD, und seiner Lebensgefährtin Maria Fank, die Landesvorsitzende des RNF (Ring Nationaler Frauen) ist, ungefähr 50 weitere Neonazis, so unter anderen Julian Beyer, Lars Niendorf, Christian Benz, David Gudra, Stephan Alex, Robert Scheffel und Steffen Peplow. Die Neonazis liefen in weitgehend offen zur Schau getragener Ideologie auf. Neben Kleidung von Thor Steinar und Erik & Sons als bekannte Szenelabels wurden diverse T-Shirts getragen, so eines mit den Daten von Rostock-Lichtenhagen aufgedruckt und ein "Welcome to Germany" in Verbindung mit einem Adolf-Hitler-Smilie. Neben aktiven Neonazi-Aktivst_innen waren auch Rockerstrukturen vor Ort.
Von Anfang an war die Veranstaltung von Rassismus und Hass geprägt. Immer wieder brandeten, initiiert durch Neonazis, aber auch durch die Anwohner_innenschaft breit getragen, "Nein zum Heim"-Sprechchöre auf. Es wurde darüber diskutiert, ob man noch "Deutschland den Deutschen" rufen könne, oder ob das inzwischen "out" sei. Die Redebeiträge der Offiziellen des Bezirks und der Stadt wurden überwiegend mit aggressiven Buhrufen und rassistischen Zwischenrufen quittiert, darunter "Zigeuner" und "Volksverräter".
Sebastian Schmidtke entschied sich kurz nach dem Start der Veranstaltung, die Maske fallen zu lassen. Er entwendete der Veranstaltungsleitung ein Mikrofon und versuchte, sich und die rassistischen Positionen der NPD noch während des Vortrags der Offiziellen vorzustellen. Nach wenigen Sekunden konnte ihm das Mikrofon wieder entrissen werden. Auch die vermeintliche Bürgerinitiative enttarnte sich hier selbst: die produzierten T-Shirts wurden sehr überwiegend von bekannten Neonazis getragen, die vorher auf Facebook abgesprochenen Sprechchöre wurden durch sie initiiert. Als im Anschluss an die Vorträge Fragen gestellt wurden, bildeten die Neonazis einen Kreis um die Vortragenden und erschwerten einen Zugang für Fragende, die keine organisierten Kader waren. So konnte auch Maria Fank das Mikrofon ergreifen. Dreisch und Bentz versuchten sich wie üblich als "Anti-Antifa"-Fotografen und konnten ungehindert Aufnahmen von Publikum und Redner_innen machen.
Intervention!
Doch auch solidarische Anwohner_innen, Student_innen der nahegelegenden Alice-Salomon-Hochschule und Refugees hatten es auf die Veranstaltung geschafft. Sie protestierten gegen den Nazimob und machten auf rassistische Beiträge aufmerksam. Sichtlich geschockt waren viele von dem geballten Hass, der aus den rassistischen Anwohner_innen herausbrach, einige hatte Tränen in den Augen ob der Unmenschlichkeit. Auch gegen sie richtete sich schnell der deutsche Volksmob: nur mühsam konnten Angriffe der Neonazis auf Aktivist_innen verhindert werden, immer wieder wurden Drohungen wie "Antifa-Schweine. Wir kriegen euch alle!" in Richtung der solidarischen Gruppe von ungefähr 150 Leuten, aber auch gegen einzelne, sich solidarisch äußernde Menschen geäußert. Während die Polizei durch die Situation sichtbar überfordert war und sich vor allem vor dem Gelände aufhielt, wurde die Situation durch organisierten Selbstschutz der Aktivist_innen unter Kontrolle gehalten und sich über Redebeiträge in den Diskussionsprozess, so er noch möglich war, eingebracht. Schon während der Veranstaltung wurde kurzfristig eine Demonstration angemeldet, die im Nachhinein ein kollektives und geschütztes Nachhausekommen unter Formulierung der Forderungen an die Anwohner_innen durch den Kiez ermöglichen sollte.
Nach der Veranstaltung eilten die Neonazis vor das Gelände, um draußen ein Spalier bilden zu können und linke Aktivist_innen abzufotografieren. Es wurde kurze Zeit später durch Sebastian Schmidtke eine spontane Kundgebung angemeldet und ein mitgebrachtes Transparent der NPD mit der Aufschrift "Heute sind wir tolerant - morgen fremd im eigenen Land." entrollt. Der Plan der massiven Einschüchterung und Positionierung ging zumindest zu diesem Zeitpunkt nicht mehr auf, da sich die 150 Menschen fassende Demonstration noch auf dem Gelände formierte und die stumm bleibenden und grimmig schauenden Neonazis offensiv thematisierte. Die halbstündige Demonstration zum U-Bahnhof Hellersdorf verlief kraftvoll und Aktivist_innen nutzen nach einem ohnmächtigen Gefühl in der Mitte des rassistischen Mobs die Gelegenheit, um Wut und Protest nach außen zu tragen - und sich so kreativ und spontan in eine handlungsfähige Position zu versetzen. Wenn die Flüchtlinge hier ankommen, so der Konsens, dann möchte man alles tun, um sie vor Neonazis, Staat und rassistischen Anwohner_innen zu schützen und ihnen zu nach ihrer eigenen Maßgabe zu helfen. "Solidarität muss praktisch werden, Feuer und Flamme den Abschiebebehörden!".
Fazit
Hellersdorf ist nicht nazifrei. Umso mehr ist eine kraftvolle und konstante antifaschistische Bewegung auch hier im Bezirk notwendig. Mit ihren dumpfen Parolen und ihrem Hass stoßen organisierte Neonazis auf breite Unterstützung bei den Anwohner_innen und können diese durch ihr heimliches, angeblich ideologiefreies Agieren als besorgte Bürger_innen auf breiter Front nicht nur gegen die Unterbringung, sondern auch gegen die in wenigen Tage ankommende Asylbewerber_innen mobilisieren. Die bis vor Kurzem im Bezirk noch weitestgehend handlungsunfähige NPD hat es mit Hilfe der Landesfunktionäre und militanter Neonazis zu diesem Zeitpunkt geschafft, ein Klima der Angst und des Hasses aufzubauen. Unter Anbetracht des laufenden Wahlkampfes sind die Ziele recht offensichtlich: neben dem Ausbau der Wähler_innenschaft versucht man, die versprengten Kräfte der Extremen Rechten unter dem Thema "Nein zum Heim" im Bezirk zu sammeln und ihnen einen Anknüpfungspunkt an die Bürger_innen zu geben.
Der Bezirk und die Stadt darf sich nicht auf einen Umgang mit der Bürgerinitiative Marzahn-Hellersdorf einlassen, sondern muss konsequent gegen das Netzwerk aus Neonazis vorgehen. Auch bezirkliche Strategien gegen den rassistischen Volksmob müssen gefunden werden. Wo runde Tische als Instrument der politischen Gestaltung in anderen Situationen durchaus Sinn machen, darf ein solches Angebot nicht dorthin gehen, wo Neonazis agieren - schon mit der Informationsveranstaltung wurde ihnen eine willkommene Plattform gegeben, während man antifaschistischen Hinweise und Hilfsangebote, zum Beispiel zur Identifizierung von aktiven Nazikadern unter den Redner_innen auf der Veranstaltung, rigoros ablehnte. Ein komplettes Versagen der Veranstalter_innen war letztendlich nicht überraschend, sondern absehbar.
Wo offen gefragt wird: "Welche legale Möglichkeit haben wir jetzt noch, dieses Heim zu verhindern, bevor Mord und Totschlag ausbricht?" und über die Einrichtung einer Bürgerwehr nachgedacht wird, eröffnen sich Sorgen um den Schutz der ankommenden Flüchtlinge. Dass Staat und Polizei nicht gewollt und befähigt sind, den Schutz zu gewährleisten, viel mehr der rassistische Grundtenor der Anwohner_innen dem staatlichen Abschiebesystem in die Hände spielt - nämlich da, wo er eine Situation erzeugt, die Flüchtlinge aus Angst um ihr Leben, ihre Gesundheit, ihre Freiheit und ihre Würde erneut flüchten lässt. Dass Flüchtlinge isoliert werden und sie in Lagerhaltung durch Polizei, Security und Anwohner_innen attackiert werden und durch die "Heimleitung", eine private Firma, schikaniert werden. Und auch, dass sich der rassistische Mob - Anwohner_innen und Neonazis - sammelt und die einzige Wohnstätte, die den Flüchtlingen von der deutschen Gesellschaft zu Verfügung gestellt wird, mit Brandsätzen und Steinen zu einer Todesfalle werden lässt.
Schutz fängt bei der Beruhigung der Situation an, geht über gemeinsame Straßenfeste und Projekte, hin zu Hilfe in Sach- und Dienstleistungen für die Flüchtlinge. Informiert eure Nachbar_innen über die hinter der BMH stehenden Strukturen der organisierten Neonazis und versucht rassistischer Hetze mit Argumenten zu begegnen. Wir brauchen solidarische Bündnisse und Netzwerke, die das in die Hand nehmen. Die Unterkunft für Asylsuchende befindet in der Carola-Neher-Str. 65 – seid kreativ und lasst uns den Flüchtlingen eine angstfreie Ankunft bieten.
Schutz bedeutet auch, Neonazis im Bezirk öffentlich zu machen, Strukturen aufzuzeigen und sie anzugreifen - mit allen Mitteln und auf allen Ebenen. Schutz bedeutet, vor der Unterkunft zu stehen und Bürgerwehren zu vertreiben als auch rassistische Polizeiübergriffe zu verhindern.
Und Schutz bedeutet letztendlich vor allem, das Lagersystem der deutschen Asylverwaltung abzuschaffen und Flüchtlingen in der Sekunde ihrer Ankunft ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen! In Hellersdorf, in Marzahn, überall! Refugees Welcome!
Weitere Überlegungen
Meine Einschätzung zur Versammlung ist folgende:
Organisierte Faschos ca. 40-50, verhetzte An-, Um- und Einwohner, die mit ihnen Applaus geklatscht haben, ca. 100; An-, Um- und Einwohner, die ihre Aufnahmebereitschaft für die Asylbewerberunterkunft durch Klatschen zum Ausdruck gebracht haben (vmtl. überwiegend Parteivolk, Christen usw., ohne Autonome), ca. 120. Der Rest stand meistens nur so rum oder brüllte die Nazis nieder.
Am Anfang hatte ich echte Zweifel, ob bei dem offenen Auftreten der Nazischlägertypen überhaupt irgendeine abweichende Meinung öffentlich geäußert werden würde, aber die Offiziellen setzten sich doch ziemlich schnell gegen den Mob durch - war auch'n ganzer Haufen Zivis unterwegs - und hatten die Veranstaltung bald formell im Griff. Dann kamen auch langsam immer mehr Nazigegner dazu.
Erschreckend war vielmehr, inhaltlich festzustellen, wie verhetzt die meisten Leute waren. Hellersdorf ist fast ausschließlich Proletariat, noch dazu viele aus der Ex-DDR. Außer ein paar Resten sozialistischer "Solidaritäts"-Bekundungen mit den Verdammten dieser Erde war von Klassenbewußtsein in dem einstigen Prestigeprojekt Honecker's jedoch nicht mehr viel zu spüren. Da setzte sich eher das andere Erbe der SED-Herrschaft durch: Die Erwartung, der Staat habe um sich vor allem anderen um "sein Volk" - nämlich das deutsche - zu kümmern. Offenbar sahen sich die meisten dieser Leute nicht selber für ihre Kinder usw. verantwortlich, sondern v.a. den Staat, und daher in den Asylbewerbern nichts als Konkurrenten um dessen Aufmerksamkeit und Zuneigungsbekundung. Da müßte man mal dringend was machen, um solche Einstellungen zu verändern, ne politische Mehrheit hätte so'n Programm auf jeden Fall, wenn man die ganzen angeblichen Neoliberalen mal in den Arsch treten würde.
Leztlich wurde der Menge von den Offiziellen ausdrücklich beschieden, daß sie das Wohnheim nicht verhindern würden und die Polizei für Sicherheit und Ordnung im Bezirk sorgen wird. Trotzdem kann man sich vorstellen, daß das Leben in einem solchen bezirk echt scheiße ist, und gefährlich.
eine Frage des Standpunktes
Leider kann ich diesen Eindruck nicht bestätigen. Der Auffassung dass da irgendwer irgendwas im Griff hatte, außer des rassistischen Mobs, kann mensch vermutlich nur sein, wenn sie*er sich im nahen Umfeld zu Podium und/oder der kleineren Ansammlung Linksorientierter aufhielt. Ich kam zu spät zu besagter Veranstaltung und blieb notgedrungen in der weitaus größeren Masse, die sich irgendwo zwischen draußen und dem Eingangsbereichs des überfüllten Gelände quetschte, stecken. Allein in den ersten fünf Minuten die ich dort stand, musste ich mehr krassen Scheiß auf einem Haufen hören, als jemals zuvor in meinem ganzen Leben - von allen Seiten. Kostproben dessen lasse ich an dieser Stelle bewusst außen vor, weil gehört nicht reproduziert. Nienieniemals in meinem Leben hätte ich erwartet, dass in Hellersdorf noch so viel rassistisches "Potenzial" schlummert. Ich kann diesen Abend nicht anders als mit einem Gefühl hoffnungsloser Ohnmacht beschreiben.
Nach dem was dort erlebbar war sollte jede*r große Angst um und für die am 15.07. dort einziehenden haben!
Abendschau dazu
https://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=6_-rcAeyzFg
http://www.rbb-online.de/abendschau/archiv/archiv.media.%21etc%21mediali...