Bremen: Laye Condé-Demo

Demo von vorne

Eine Tat, ein Toter, keine Täter?

In Bremen hat es am 11.06. eine Demonstration gegeben mit über 300 Leuten, die zum Bremer Landgericht gezogen sind. Aktueller Anlass war der Gerichtsprozess gegen den Polizeiarzt, der Laye Condé Ende 2004 so viel Brechmittel und Wasser auf so brutale Weise verabreichte, dass dieser an den Folgen starb. Die Demo war gewisserweise notwendig geworden, da die vorsitzende Richterin am Landgericht Ende Mai verkündet hatte, dass sich Verteidigung und Staatsanwaltschaft bis zum 14. Juni überlegen sollten, ob der Prozess nicht eingestellt werden könnte (die durch die Nebenklage vertretene Familie von Laye Condé hätte dabei kein Mitspracherecht.)

 

Die Richterin legte nahe, dass eine Einstellung in Frage kommt, wenn die Schuld des Angeklagten nur gering wäre und zudem ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung nicht mehr besteht. Bei der Demo ging es also auch darum, eindeutig zu zeigen, dass ein öffentliches Interesse an dem Ausgang des Verfahrens sehr wohl besteht, was auch schon daran gut zu sehen war, dass uns das sehr lange Flugblatt beim Verteilen förmlich aus den Händen gerissen wurde. Es kann eben nicht sein, dass ein Mensch im Rahmen eines staatlichen Auftrags getötet wird, dann hinterher niemand verantwortlich sein soll und dass Laye Condés Tod noch nicht einmal wichtig genug sein soll, um darüber ein Urteil zu fällen. "Eine Tat, ein Toter, keine Täter?" so ein zentraller Slogan des Widerstands.

 

Die besagte Ankündigung des Gerichts hatte in Bremen auch schon vor der Demo einige Wellen geschlagen. Die Initiative in Gedenken an Laye Condé hatte mit einigen Anwält_innen einiges in Bewegung gesetzt, um die Einstellung zu verhindern. es gab eine Protesterklärung, die unterzeichnet werden konnte, eine Fax-Kampagne und danach viele Organisationen, die mit eigenen Erklärungen gegen eine Einstellung Stellung bezogen, u.a. mit den Grünen auch eine der beiden Regierungsparteien. Das ist auch damit zu erklären, dass es sich bereits um den dritten Prozess gegen den selben Angeklagten vor dem Bremer Landgericht handelt. In den beiden ersten Prozessen wurde der Polizeiarzt jeweils freigesprochen, beide Freisprüche hat der Bundesgerichtshof mit sehr deutlichen Worten kassiert. Zum 2. Freispruch hieß es vom BGH, er sei "fast grotesk falsch". Der innerjuristische Clou bei einer Einstellung wäre, dass die Nebenklage keine weiteren Rechtsmittel mehr hätte, das Landgericht hätte den BGH am Ende doch noch ausgebootet.

 

Während der Demo haben einige der Redner_innen das ganze noch mal eingeordnet in den eigentlichen Skandal, dass 14 Jahre lang in Bremen "Beweissicherung" betrieben wurde durch die zutiefst rassistische Polzeipraxis der gewaltsamen Brechmittelvergabe. So sagte etwa Mathias Brettner vom ehemaligen Antirassismusbüro Bremen (dem Mitte der 90er Jahre wegen des Öffentlichmachens dieser Praktiken sogar ein Verfahren wg. Volksverhetzung angehängt wurde, das erst in 2. Instanz mit Freispruch endete), dass spätestens nach dem ersten Toten durch Brechmittelfolter, nämlich Achidi John 2001 in Hamburg, klar war, dass es nur eine Frage der Zeit war, wann dasselbe in Bremen passieren würde. Außerdem wurde betont, dass weder die beteiligten Polizisten noch die Vorgesetzten des Arztes je angeklagt warenm obwohl der BGH das in seinem 1. Urteil nahegelegt hatte. Maissara M. Saeed von The Voice und der Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und Migrant_innen erinnerte an weitere Tote rassistischer Polizeigewalt wie Aamir Ageeb und Oury Jalloh. Als ein zentraler Verantwortlicher für die Brechmittelpraxis wurde immer wieder Henning Scherf genannt, der frühere Justizsenator und langjährige Bürgermeister von Bremen.

 

Bei den nächsten Prozessterminen wird sich entscheiden, ob der Widerstand (zunächst) erfolgreich war. Bei Nicht-Einstellung am 14.6. sind die weiteren Termine: 18., 20. 25., 26. und 28. Juni, immer um 9.15 Uhr im Landgericht an der Domsheide. Je mehr Leute bei den Verhandlungstagen als kritische Öffentlichkeit anwesend sind, desto besser. Einen Überblick über den bisherigen Prozessverlauf findet ihr unter www.initiativelayeconde.noblogs.org

 

Im Anhang das während der Demo verteilte Flugblatt