07.06. PM: Verfolgung und Ermordung sozial und rassistisch Verfolgter im NS - Anerkennung als NS-spezifisches Unrecht, Rehabilitierung und Entschädigung Jetzt!

Arbeitskreis Rummelsburg

Anlässlich der Machtübergabe an die Nazis vor 80 Jahren sowie der „Aktion Arbeitsscheu Reich“ vor 75 Jahren fordern wir endlich die Anerkennung der Verfolgung, Zwangsmaßnahmen und Ermordung der unter dem Stigma „asozial“ stigmatisierten und kriminalisierten Menschen bzw. Bevölkerungsgruppen als „NS-spezifisches“ Unrecht! Damit verbunden wäre die längst überfällige Rehabilitierung und Entschädigung der Betroffenen als klares Bekenntnis gegen soziale und rassistische Ausgrenzung sowie eine politisch motivierte, systembedingte Kriminalisierung von Armut Betroffener. Unrecht wird nicht weniger Unrecht, nur weil die Nazis den seit dem Kaiserreich und der Weimarer Republik geschaffenen Nährboden für ihre Verbrechen und deren Legitimierung nutzten oder weil diese nach 1945 weder aufgearbeitet, noch mit der Logik sozialer und rassistischer Ausgrenzung grundsätzlich gebrochen wurde.“ erklärt der Arbeitskreis „Marginalisierte-gestern und heute“.

Der AK weiter:


Nicht nur aber insbesondere in Krisenzeiten oder im Wahlkampf wird die Konstruktion von Sündenböcken für alle gesamtgesellschaftlichen und sozialen Fehlentwicklungen betrieben, Ressentiments und Vorurteile bedient und verstärkt sowie Ängste geschürt. Dazu gehört auch die zunehmende, pauschale Zuschreibung negativer Eigenschaften auf ganze Bevölkerungsgruppen, wobei die Stimmungsmache gegen und Diskriminierung sowie Kriminalisierung von Roma, Muslim_innen, Asylsuchenden und/oder gleichzeitig Erwerbs- und Wohnungslosen wieder Hochkonjunktur hat. Ob als „integrationsunwillig oder -unfähig“, ob als „Einwanderer in die Sozialsysteme“, ob als so genannte „Wirtschafts- oder Armutsflüchtlinge“, ob als Kriminelle und „Terrorist_innen“ oder wie damals als „Sozialbetrüger_innen“, „Sozialschmarotzer“ oder „unproduktive Unterschichten“ verleumdet, kriminalisiert und gebrandtmarkt. Die fortgesetzte Entpolitisierung und Entkontextualisierung durch die Verschleierung der politischen und systembedingten Ursachen, der Verursacher_innen und Profiteur_innen soll dabei dazu beitragen, dass einerseits den Betroffenen individuell und ganz alleine die Schuld zugeschrieben oder über eine vermeintliche Herkunft oder Religion die Schuldfrage ethnisiert bzw. kultur-religiös ummantelt werden kann. Der Rassismus in der Mitte der Gesellschaft sowie der derzeitige Rechtsruck kommen also nicht von ungefähr, wobei sich Teile der herrschenden Politik, ihrer Behörden und Teile der Medien und Gesellschaft als Stichwortgeber_innen oder durch die Übernahme von rechter Propaganda mit Neonazis die Bälle gegenseitig zuwerfen und den entsprechenden Nährboden bieten. Belege dafür sind nicht nur Gesetzesverschärfungen, ein Ausbau des Sicherheits-, Polizei- und Überwachungsstaates sowie verstärkte Repressionen und Sanktionen zur Bekämpfung der Symptome von Fehlentwicklungen sondern insbesondere die rassistischen Morde der NSU und ihres Umfeldes mit Unterstützung politisch und behördlicher Akteur_innen sowie die über 180 Opfer rechter und rassistischer Gewalt seit 1990. Darunter auch viele Wohnungslose.

 

Damit muss Schluss sein!

 

Morgen wird der Arbeitskreis sein alljährliches Erinnern und Gedenken an die Aktion „Arbeitscheu Reich“ vor 75 Jahren auf dem Areal der ehemaligen Arbeits- und Bewahrungshäuser ab 15.00 Uhr durchführen. Dabei wird die Forderung nach einem Gedenk-, Lern- und Forschungsort erneuert werden, der eine differenzierte und umfassende Aufarbeitung der Entwicklungen und Hintergründe der über einhundert Jahre langen Geschichte sozialer und rassistischer Ausgrenzung sowie ihrer Folgen für die Betroffenen aufarbeitet – mit Schwerpunkt auf die Singularität der Naziverbrechen und differenziert nach den verschiedenen Zeitepochen und Gesellschaftsformationen. Darüber hinaus soll dieser Ort dazu dienen, daraus Lehren zu ziehen, aktuelle Entwicklungen einer Repressions-, Sanktions-, Abschreckungs- und Unterordnungspolitik im Kontext heute weiter ausdifferenzierter sozialer und rassistischer Hierarchisierungen aufzuarbeiten und Handlungs- und Lernkonzepte zu entwickeln, die einen diskriminierungs-und repressionsfreies Miteinander ermöglichen und soziale sowie rassistische Ausgrenzung an den systembedingten und -erhaltenden Ursachen bekämpfen.

 


 Arbeitskreis „Marginalisierte- gestern und heute“
www.marginalisierte.de

 

 

1. Gedenkveranstaltung: 15.00 Uhr – ca. 17.00 Uhr (Aktion „Arbeitsscheu Reich“ 1938)

Zeitzeug_innen: Ilse Heinrich, Rita Vowe (Tochter des ermordeten Boxers Rukeli Trollmann)

 

2. Ausstellung "Gewalt gegen wohnungslose Menschen im Nationalsozialismus und heute" (BAG Wohnungslosenhilfe e.V.) und Videovorstellung mit DVD Opfer rechter, rassistischer Gewalt (Opferperspektive Potsdam) 17.00 Uhr – ca. 18.30 Uhr

 

3. Lesung im Rahmen „Lange Nacht der Wissenschaften“ 18.30 Uhr – ca. 20.00 Uhr

- Lebensläufe von Zeitzeug_innen

- Texte zum Thema Soziale und rassistische Ausgrenzung – Zwangsarbeit, Repressionen, Sanktionen, Kontrolle

 

Wo? Berlin-Lichtenberg/Rummelsburg, Hauptstraße 8, vor dem ehemaligen Wasserturm/Lazarett