Am 24.Mai fand im Berliner Stadtteil Buch die diesjährige Dieter Eich-Gedenkdemonstration statt. Die ansteigende Zahl neonazistischer Aktivitäten im Stadtteil bildete in diesem Mai den thematischen Schwerpunkt. „Es gibt kein ruhiges Hinterland. Gegen Neonazis und soziale Ausgrenzung.“ lautete das Motto und verband damit die traditionelle Sozialchauvinismus-Kritik der Dieter Eich-Demo mit der Intervention gegen die lokale Neonaziszene.
Die Berichterstattung über die Situation in Buch, sowohl auf Indymedia als auch in der linken Tagespresse, so wie die Infoveranstaltungen im Vorfeld der Veranstaltung, zogen rund 200 Menschen am frühen Freitagabend an den Nordostberliner Stadtrand.
Neonazis hatten sich bereits zu Beginn der Demo an einem Imbiss gegenüber des Auftaktortes, am Bahnhof versammelt, um zu pöbeln und die Demonstration abzufotografieren. Teile der Gruppe provozierten am Ende der Demonstration und bewarfen Demoteilnehmer*innen mit einer Flasche, woraufhin sie festgenommen wurden. Nachzügler*innen der Demonstration wurden von rund acht Neonazis in „Rocker-Kutten“ gejagt. Die Gruppe lief auf Abstand zur Demonstration und hielt Ausschau nach potentiellen linken Opfern.
Auch während des Demoverlaufes begegnete mensch am Demorand immer wieder kurzgeschorenen Typen mit Hund und Bier in der Hand, die rumpöbelten, Skingirls, mit Thorshammer um den Hals und Gaffer*innen die abfällig guckten. Positiven Zuspruch gab es auch, allerdings muss festgehalten werden, dass sich das Straßenbild in Buch – und damit sind in diesem Fall nicht die Propagandawellen der lokalen Neonazis gemeint – stark nach rechts verschoben hat.
Die Demonstration führte an den Wohnhäusern von Paul S., in der Bruno-Apitz-Straße vorbei, der als Kopf der lokalen „Kameradschaft Deutsche Eiche“ gewertet werden kann, sowie beim „Freie Nationalisten Buch“ Anhänger Fabian K. in der Karower Chausse vorbei. Sowohl die Demonstration als auch eine am Vorabend angebrachte Nachbarschaftsinfo wiesen auf deren neonazistische Aktivitäten hin.
In Redebeiträgen wurden die Propagandaaktionen und Bedrohungen der lokalen Neonaziszene, sowie die Gesamtsituation im Bezirk benannt. Vor der Walter-Friedrich-Straße 52, dem ehemaligen Wohnhaus von Dieter Eich, wurden Blumen niedergelegt und ein kleines Gedenk-Transparent aufgehängt.
Das Transparent trug einen auszug aus dem Gedicht "Und dem Tod soll kein Reich mehr bleiben" von Dylan Thomas.
In einem Redebeitrag wurde über den Mord berichtet und die
Notwendigkeit eines Gedenksteins und des kontinuierlichen Erinnerns
betont.
Die überwiegende Mehrheit der Teilnehmer*innen war mit der Demonstration zufrieden. Es war eine grundsolide Demonstration gegen Neonazis, der es am Ende doch sehr gut gelang den Bezug zum Dieter-Eich-Gedenken wieder herzustellen.
Die Mehrheit der Teilnehmer*innen kam auf Grund der
Neonazi-Aktivitäten in Buch. Eine Gedenkdemonstration, ohne aktuelles
Neonaziproblem hätte sicherlich für niedrigere Teilnehmer*innenzahlen
gesorgt. Die langjährige Existenz der Dieter Eich-Demo hat wiederum
einen Verstärkereffekt für die klassische Anti-Nazi-Mobilisierung der
diesjährigen Demo gehabt, da es sich dabei mittlerweile schon um eine
„Traditionsveranstaltung“ im Nordosten handelt.
Allerdings muss mensch sich auch fragen, ob es einer tagesaktuellen
Bedrohung durch Neonazis bedarf, um den Opfern rechter Gewalt zu
gedenken.
Für Menschen, die das erste Mal an der Demonstration teilnahmen, als auch für die regelmäßigen Besucher*innen dieser Veranstaltung zeigte sich an diesem Tag ein Bild rechter Straßendominanz, dass es so in den letzten Jahren nicht gegeben hatte. Woran dass liegt muss längerfristig untersucht werden. Es bleibt also zu hoffen, dass sich die Einschätzungungen zur Situation in Buch auch in antifaschistische Zusammenhänge weiterträgt.
Den Kampf um einen Gedenkstein muss letzten Endes das „Niemand ist vergessen!“-Bündnis führen, die Ausrichtung einer Gedenk-Demonstration, die auch ohne mühselige Propagandaschlacht mehr Teilnehmer*innen zieht und somit auch dem Gedenken Nachdruck verleiht, sollte Aufgabe einer gesamt Berliner Linken sein.