Zündeln am Rande der Meinungsfreiheit

Burschenschafter während des jährlichen Treffens an der Wartburg in Eisenach
Erstveröffentlicht: 
27.05.2013

Burschenschaften

 

Die Deutsche Burschenschaft ist auf einen ultrarechten Kern geschrumpft, der extreme Positionen bezieht. Liberale Aussteiger versuchen einen Neuanfang.

 

Alljährlich Ende Mai gleicht sich das Bild: Im Schein der Fackeln ziehen Burschenschafter am Fuße der Wartburg auf, das Deutschlandlied auf den Lippen und das Farbenband ihrer Verbindung an der Uniform. Die Prozession ist ein Manifest: Bündnis und Netzwerk wollen die Burschen sein, füreinander lebenslang einstehen, deutsches Brauchtum und konservative Werte pflegen.

 

Mit diesen Maximen unterscheiden sich diese Studentenverbindungen kaum von Schützenvereinen und anderen Traditionspflegern. Wäre da nicht der stete Drang des Dachverbandes Deutsche Burschenschaft hin zum politisch rechten Rand: Seit der Flucht von fast zwei Dutzend liberalen Burschenschaften erstarken in der auf knapp 100 Mitgliedsbünde geschrumpften Organisation die ultrakonservativen Kräfte. Weitgehend gesellschaftlicher Kontrolle entzogen, frönen sie nicht nur der Deutschtümelei. Unter Berufung auf die Meinungsfreiheit provozieren sie mit rechtsradikalen Positionen, ähnlich denen der NPD.

 

Jüngster Beleg dafür sind mehrere Beschlüsse des Verbandstreffens 2013 in Eisenach. In den Anträgen ging es um Neutralität, Abstammung sowie "Antigermanismus und Deutschenfeindlichkeit" – Themen, die auch auf einem NPD-Parteitag auf der Tagesordnung stehen könnten. Eingebracht hatten sie mehrere, aus Verfassungsschutzberichten bekannte Burschenschaften:

  • Die Hamburger Burschenschaft Germania – sie führt die ultrakonservative Splittergruppe Burschenschaftliche Gemeinschaft mit Verbindungen zu NPD und Kameradschaften – ließ proklamatorisch über ein Bekenntnis zur Meinungsfreiheit abstimmen, die sie nicht gewährleistet sieht.
  • In einem weiteren Beschluss beschnitt der Dachverband selbst die Meinungsfreiheit: Er verbot seinen Mitgliedern, mit dem burschenschaftskritischen Blog der Initiative Burschenschafter gegen Neonazis zusammenzuarbeiten, die Rechtsextremismus anprangert.
  • Ebenso beantragte die vom Verfassungsschutz beobachtete Burschenschaft Germania, sämtliche politische Parteien gleich zu behandeln und ihnen gegenüber Neutralität zu wahren. Eine Distanzierung von der NPD oder von Pro NRW fehlt in dem Beschluss.
  • Die ultrakonservative Danubia München kam mit der Forderung durch, dass Strafverfolger künftig verbale oder gewalttätige Angriffe auf Deutsche in gleicher Weise ahnden sollten wie solche "gegen Juden" oder Muslime. Wie Verbandssprecher Walter Tributsch erläutert, appelliere man an die Bundesregierung, ein Institut zu gründen, das "eine Analyse der Gleichberechtigung" erarbeiten solle.
  • Abgestimmt wurde auch über einen Antrag, Studierenden nichtdeutscher Abstammung künftig die Mitgliedschaft zu verwehren.

Lediglich der letzte Antrag blieb ohne Mehrheit. Zu vielen Burschen war wohl noch der Eklat im Gedächtnis, den ein ähnlicher Versuch einer Bonner Burschenschaft 2011 nach sich zog: Der damals als "Arier-Antrag" bekannt gewordene Beschluss löste eine Austrittswelle aus, die sich bis heute fortsetzt.

 

"Liberaler als jüdische Organisation"

 

Auch vor dem diesjährigen Burschentreffen gab es heftige Diskussionen, weil Verbandssprecher Tributsch die Eintrittskriterien auf Spiegel Online mit den Worten verteidigt hatte, die Burschenschaft sei "liberaler als jüdische Organisationen". Als Beleg führte er den Wiener Sportverein Hakoah an,  der "nur Juden" aufnehme. Die Aufregung über seinen absurden Vergleich kann der Wiener Tributsch nach wie vor nicht verstehen: "Es ist die Realität", legte er im Gespräch am Rande des Burschentags nach.

 

Das Plenum in Eisenach entschärfte den Beschluss so, dass künftig ein Bekenntnis der Mitgliedschaftsanwärter zum deutschen Volk ausreicht. Dennoch gelangte der umstrittene Abstammungsbegriff in die Satzung des Dachverbandes: Dort ist jetzt definiert, wer zum deutschen Volk gehört. Der Wortlaut ist an das Bundesvertriebenengesetz angelehnt, in dem Abstammung ein Kriterium ist.

 

Doch auch der abgespeckte Beschluss ist nur ein Symbol, weil ohne Wirkung: Für die Aufnahme neuer Mitglieder können die einzelnen Burschenschaften nach wie vor eigene, schärfere Regeln festlegen. Michael Paulwitz, Chefredakteur des Verbandsblattes Burschenschaftliche Blätter und Autor der rechtskonservativen Wochenzeitung Junge Freiheit, sagt: "Man schaut sich den einzelnen Bewerber an. Das macht ja jeder Verein so."

 

In einem solchen Klima ist es schwer, von einzelnen Burschenschaftern Einschätzungen der Stimmungslage im Verband zu erhalten. Den Ultrarechten sind verbandsferne Medien ähnlich verhasst wie bei der NPD. Liberale Mitglieder scheuen offene Worte aus Furcht vor Repressionen. Und Angehörige der nach 2011 ausgetretenen Verbände wollen den bestehenden Burgfrieden mit dem Dachverband nicht gefährden.

 

Nur wenige Zweifler sprechen offen. Der Rostocker Burschenschafter Thomas Schult ist so einer. Der Antrag, Gewaltakte gegen Deutsche mit solchen gegen jüdische oder muslimische Menschen gleichzusetzen, vermenge Vorfälle der Gegenwart mit dem Vorgehen der Nationalsozialisten gegen Juden, sagt er. Schult stimmte mit seiner Burschenschaft dagegen – erfolglos.

 

Das Verhältnis der Burschenschaften zu rechtsextremistischen Parteien birgt ähnlichen Zündstoff. Der Beschluss zu Gleichbehandlung und Neutralität kam durch, obwohl die Bundesländer gerade ein zweites NPD-Verbotsverfahren starten. Nur wenn das Verfassungsgericht die NPD verbiete, werde man neu entscheiden, sagt Verbandssprecher Tributsch. Der Rostocker Schult dagegen hätte den Kuschelkurs mit den Extremismus gern beendet: "Die Nähe zur NPD hat den Burschenschaften nicht gut getan", sagt er.

 

Einem Burschenschaftsfunktionär, der anonym bleiben möchte, bereitet der Neutralitätsbeschluss "größte Bauchschmerzen". Die Programmatik von Parteien wie NPD oder Pro NRW sei mit burschenschaftlichen Grundwerten kaum vereinbar, Distanz somit zwangsläufig Pflicht.

 

"Richtig, aus der Deutschen Burschenschaft auszutreten"

 

Die Reformkräfte unter den Burschenschaften sehen sich durch die Ereignisse von Eisenach bestätigt. Einer der Wortführer ist der Stuttgarter Michael Schmidt. Er kennt den Dachverband genau, er gehörte zum Vorstand, bis er 2012 im Streit über rechte Umtriebe zurücktrat. Jetzt führt er die Initiative Burschenschaftliche Zukunft IBZ. Sie will die liberale Bünde in einem neuen Dachverband organisieren, der 2015 entstehen soll.

 

In Jena – dem historischen Ausgangsort der Burschenschaftsbewegung – trafen sich am Wochenende 70 Mitglieder, um Chancen dafür auszuloten. Konkretes ist danach noch nicht zu verkünden. "Es geht darum, erst einmal zu diskutieren, wo wir inhaltlich stehen und Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten", sagt Schmidt. Klar ist für ihn und seine Mitstreiter aber schon jetzt, "dass es richtig war, aus der Deutschen Burschenschaft auszutreten", sagt Schmidt.

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Der Artikel spricht von "fast zwei Dutzend liberalen Burschenschaften", die zuletzt aus der DB ausgetreten seien.

 

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