Sie marschieren mit Fackeln durch Eisenach, singen alle drei Strophen des Deutschlandliedes und behaupten, sie würden von den Medien diffamiert: Beim Burschentag pflegen die stramm rechten Akademiker der Deutschen Burschenschaft ihre archaischen Rituale.
Von Michael Stürzenhofecker, Eisenach
Als auf der Wartburg Fanfaren ertönen und rund 200 Burschenschafter ihr Lied anstimmen, heben einige demonstrativ den rechten Arm, ihre Burschenkappen fest in den Fäusten. Die Geste erinnert an den verbotenen Hitlergruß. "Deshalb will ich hier nicht mehr mitmachen", sagt ein Verbandsbruder aus dem Westen Deutschlands, schüttelt den Kopf und wendet sich ab.
Stramm rechte Ideologen geben in der Deutsche Burschenschaft (DB) den Ton an, das ist das Fazit des Mannes, der seinen Namen nicht veröffentlicht sehen will. Er hofft, dass seine Burschenschaft den Dachverband bald verlässt - so wie es viele liberalere Burschenschaften bereits getan haben. Weitere würden folgen, sagt er. "Es macht einfach keinen Sinn, mit denen zu reden." Er meint die rechten und völkischen Ideologen in der DB.
Walter Tributsch, Pressesprecher des Dachverbands, hält an diesem Freitagnachmittag eine Rede auf der Wartburg und versucht, versöhnliche Töne anzustimmen: Zwar würde die DB in der Öffentlichkeit diffamiert - er meint wohl vor allem die Berichterstattung über rassistische Anträge und die rechtsextreme Ideologie, auch bei SPIEGEL ONLINE. Doch gebe es auch Gründe, so Tributsch, "dass wir uns an die eigene Nase fassen müssen". Dann aber schaltet er schnell um auf Attacke und ledert gegen die Euro-Rettung und die "heilige Kuh europäische Integration". Rassismusvorwürfe hatte er bereits zuvor zurückgewiesen.
Fackelzug und Deutschlandlied
Seit Donnerstag läuft diese Veranstaltung in Eisenach nun offiziell. Der Burschentag ist das alljährliche Treffen der DB und ihr wichtigstes Beschlussgremium. Die Burschenschafter pflegen hier ihre archaischen Traditionen in historischer Kulisse: Auf der Wartburg, wo gerade Tributsch spricht, versammelten sich im Jahr 1817 Studenten, um ihren politischen Forderungen Nachdruck zu verleihen. Und nicht weit von hier, steht das Denkmal für die gefallenen Burschenschafter des Deutsch-Französischen Krieges von 1870/71.
Dort hinauf marschieren die Burschenschafter am Freitagabend, etwa 400 Korporierte stampfen schweigend mit Fackeln in den Händen zu dem etwa 30 Meter hohen Turm mit Blick auf die Wartburg, der sich düster über die Stadt erhebt.
Nicht alle in dem thüringischen Städtchen wollen diese alljährlichen Märsche der Burschenschafter hinnehmen. Das sogenannte Bündnis gegen den Burschentag in Eisenach hat zu einer Gegendemonstration aufgerufen - und so versammeln sich am Abend etwa 250 meist junge Demonstranten und ziehen durch die engen Gassen Eisenachs, begleitet von einem Großaufgebot der Polizei. Die Demonstranten rufen: "Ihr habt den Krieg verloren!" Bürgermeisterin Katja Wolf (Linke) schließt sich dem Zug an. Sie hat nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass sie das DB-Treffen möglichst schnell nicht mehr in Eisenach haben will. Allerdings ließen sich die Mietverträge mit der DB erst zum Jahr 2018 kündigen.
Abschottung von der Öffentlichkeit
Wolfs Stadt taucht in den vergangenen Jahren immer wieder in Zeitungen und Nachrichten auf, wenn über rechtsextreme und völkische Burschenschafter berichtet wird. Einen ersten großen Eklat gab es vor zwei Jahren, als beim damaligen Burschentag über rassistische Anträge diskutiert werden sollte: Die sogenannten "Ariernachweis"-Anträge wurden damals erst nach großem öffentlichen Druck zurückgezogen. Auslöser war der Streit darum, ob ein chinesischstämmiger Deutscher deutsch genug für die Deutsche Burschenschaft ist.
Jetzt, nach einem langen internen Machtkampf, den der stramm rechte Flügel für sich entschied, wiederholte sich das Schauspiel nahezu: Wieder sahen die Tagungsunterlagen rassistische Anträge vor, wieder kam es zum Aufschrei, wieder wurde zumindest der "Ariernachweis"-Antrag zurückgezogen. Es scheint zur Strategie der tonangebenden Funktionäre zu gehören, auf diese Weise zu provozieren und sich zugleich als Opfer einer "Medienhysterie" darzustellen. Den Begriff benutzen sie zumindest immer wieder gern.
Bis auf eine Pressekonferenz schotten sich die Bünde denn auch ab von der Öffentlichkeit. Schon in den Tagen vor den Aufmärschen durfte niemand bei ihren Verhandlungen und Aussprachen in der Werner-Aßmann-Halle dabei sein. Wer sich dem Eingang des blaugrauen Betonklotzes näherte, dem erklärten Ordner in Lederhosen, dass von dem Hausrecht Gebrauch gemacht werde, dass man "bis hier und nicht weiter" dürfe. Den Vorsitz in der DB hat im Moment die völkisch ausgerichtete Wiener Teutonia inne, so überrascht es kaum, dass die Wachleute mit breitem österreichischen Akzent sprechen.
Nach Einbruch der Dunkelheit, am späten Freitagabend, nehmen die Burschenschafter in der Umfriedung ihres Denkmals Aufstellung und intonieren das Deutschlandlied. Sie singen alle drei Strophen, wie jedes Jahr.