„Von Loch bis Luxus“, so titelte am 19.04.2013 die BILD-Zeitung, um unter Hinweis auf eine Internetseite (knast.net) die Bewertungen für einige Knäste zu skandalisieren, da es dort sogar Pay-TV gebe. Der Alltag hinter den Mauern der Haftanstalten und forensischen Psychiatrien ist meist differenzierter, wenn auch nicht weniger skandalös.
a.) Ausbeutung von Patienten?
Wie die Süddeutsche Zeitung am 13.05.2013 unter der Überschrift „Modellphase“ berichtete (ähnlicher Artikel auch online: „Geschäft mit Modellautos aus der Psychiatrie“), ließ der Landgerichtsarzt Haderthauer, er ist Ehemann der CSU-Sozialministerin Christine Haderthauer in München, bis 2008 Patienten einer forensischen Klinik, in welcher sie eigentlich therapiert werden sollten, Modellautos bauen.
Was ist daran skandalös? Die exklusiven Modelle der Firma SAPOR (sapormodelltechnik.de) im Maßstab 1:8 werden laut SZ für einen Preis von circa. 15.000 Euro an Liebhaber verkauft. Die Patienten, die werktäglich 6 Stunden die Modelle aus Holz, Leder und Chrom fertigen, speist man mit circa 200 Euro Monatslohn, effektiv also knapp 1,70 Euro Stundenlohn ab. Vor sechs Jahren wurde eines der Modelle sogar für mehr als 30.000 Dollar bei Christie’s versteigert.
Der Mediziner war nach eigenem Bekunden von den künstlerischen Fertigkeiten insbesondere eines seiner Patienten so begeister, dass er bei besagter Firma SAPOR einstieg. Kennengelernt hatte Haderthauer den Patienten Roland S. im Rahmen der eigenen dienstlichen Tätigkeit als Stationsarzt. Erst 2008, als seine Gattin zur Sozialministerin aufstieg, habe er seine Firmenanteile veräußert. Hierzu muss man wissen, dass die Ministerin die Dienst- und Fachaufsicht über die forensischen Psychiatrien in Bayern ausübt.
Noch heute lässt die Firma, so die SZ, in der Straubinger Psychiatrie ihre Modelle fertigen, jedoch ohne damit auf der Firmenwebsite zu werben.
b.) Arbeitslosengeld für Ex-Gefangene
Inhaftierte sind von fast allen Sozialversicherungen ausgeschlossen! Lediglich für Unfallversicherung und Arbeitslosenversicherung werden – pauschalisierte – Beträge entrichtet. Für vorerwähnte Patienten der Psychiatrie, dies nur als Ergänzung, wird, selbst wenn sie, wie dargestellt, hochqualifizierte Tätigkeiten verrichten, nicht einmal in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt, mithin haben sie nach Entlassung auch keinen Anspruch auf AlG-1.
Seit einiger Zeit hat sich nun die Situation für ehemalige Gefangene verschlechtert.
Bis Mitte 2012 konnten aus der Haft entlassene Gefangene davon ausgehen, ALG-1 zu erhalten, wenn sie die letzten 12 Monate vor ihrer Freilassung der Arbeitspflicht Genüge getan hatten. Ihnen wurde durch die jeweilige Haftanstalt bescheinigt, von wann bis wann sie gearbeitet haben, sobald das mehr als ein Jahr war, gab es ALG-1. Die Bundesagentur für Arbeit ging bis 2010 davon aus, dass auch die im Strafvollzug nicht vergüteten Wochenendtage und Feiertage in die Ermittlung der Versicherungszeiten einzubeziehen sind.
Nach einer Neuinterpretation der gesetzlichen Regelungen und einem internen Diskussionsprozess wurde mit Weisung von Juli 2012 seitens der Bundesagentur für Arbeit festgelegt, dass ab 20.07.2012 „künftig nur noch die Tage anwartschaftsbegründend sind, die mit Entgelt belegt sind“, was zur Folge hat, dass ehemalige Gefangene nur noch dann ALG-1 (und die mit der Zahlung einhergehende besondere Förderung und Betreuung) erhalten, wenn sie real 360 Tage bezahlte Arbeit geleistet haben, faktisch, so das Justizministerium Baden-Württemberg in einer Mitteilung, also ca. 17,5 Monate. Nur wer also in den zwei Jahren vor der Entlassung 17,5 Monate gearbeitet hat, bekommt sein ALG-1.
Für viele ehemalige Gefangene, insbesondere jene mit Strafen von einem bis zu 3 Jahren bedeutet das, sie werden durch das soziale Netz fallen und auf ALG-2 angewiesen sein.
Hintergrund für die Benachteiligung der Gefangenen ist, dass nach dem Strafvollzugsgesetz nur für jene Tage Beiträge an die Arbeitslosenversicherung abgeführt werden, an denen diese tatsächlich arbeiten: so fallen alle Wochenenden, Feiertage, aus sonstigen Gründen arbeitsfreie Tage (z.B. die Beamten machen ihre Ausflüge, dann sind die Betriebe geschlossen, mithin wird auch nicht gearbeitet und werden keine Beiträge abgeführt) aus der Berechnung heraus. Gleiches gilt für Tage der Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales verteidigt diese Neuregelung mit Nachdruck, bestreitet jede Form der Benachteiligung der Gefangenen, zumal diesen ja in jedem Falle Hartz-4 im Falle der Freilassung zur Verfügung stünde.
c.) JVA Bruchsal
Das Bruchsaler Gefängnis ist immer gut für eine kritische Berichterstattung.
Duschräume: bis vor einigen Jahren verfügten die Gemeinschaftsduschen in der Justizvollzugsanstalt über Trennwände zwischen den einzelnen Duschen. Im Zuge der Sanierung der Sanitäranlagen wurden alle Trennwände entfernt. Der Petitionsausschuss des Landtages (Drucksache 15/3265) hat am 11.04.2013 entschieden, dass dies nicht zu beanstanden sei (vgl. Drucksache S.9, dort Nr. 7 zur Petition 15/2090), da die Entfernung der Trennwände aus „Sicherheitsgründen“ notwendig gewesen sei, damit die Wärter stichprobenartig kontrollieren könnten, um so Übergriffe zu verringern.
Unbeachtet gelassen hat der Landtag, dass die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter (eingerichtet auf Grundlage eines UN-Übereinkommens, vgl. „Verhütung von Folter in der BRD?“) in Wiesbaden regelmäßig das Fehlen von Trennwänden in den Knastduschen beanstandet (www.antifolterstelle.de).
Freizeit: zu der schon letztes Jahr gerügten Verkürzung der abendlichen „Freizeit“ („Strafvollzug 2012 – Eine Übersicht“, dort unter Punkt F. ganz am Ende), man schließt die Gefangenen werktags mittlerweile um 18:30 Uhr weg, anstatt wie zuvor erst um 19:20 Uhr, liegt nun auch eine Einschätzung des Landtages vor (Drucksache 15/3264), wonach die Neuregelung vertretbar sei (vgl. Drucksache S.5, dort Nr. 4 zu Petition 15/2089), da eine „Verkürzung der täglichen Freizeitangebote (…) um zehn Minuten (…) zumutbar“ erscheine.
Woher man auf die „zehn Minuten“ kommt, erschließt sich den Betroffenen nicht, denn selbst nach den in der Drucksache mitgeteilten Zeiten ergibt sich eine Verkürzung um mindestens eine halbe Stunde! Soweit der Landtag im Übrigen auf Wünsche der Gefangenenvertretung verweist, bestreitet die Mitglieder der Gefangenenvertretung nachdrücklich irgendetwas mit der Neuregelung zu tun zu haben.
Deren 1. Sprecher John S. teilte mir mit, man habe zwischenzeitlich in einem Protestbrief gegen die „Falschdarstellungen“ protestiert.
d.) Computernutzung in der Sicherungsverwahrung
Im Strafvollzug ist es den Betroffenen prinzipiell verwehrt, Computer zu besitzen, lediglich im Rahmen von EDV-Kursen oder in den Betrieben der Gefängnisse besteht die Möglichkeit in den Klassenräumen oder den Werkstätten am PC zu sitzen.
Für den Bereich der Sicherungsverwahrung plant das Land Baden-Württemberg nichts anderes, denn der Landtag hält, zusammen mit der Justizverwaltung, Computer in den Händen von Inhaftierten für Teufelszeug (Drucksache 15/3086), wie man nun auf eine Petition hin feststellte (vgl. Drucksache S.2, dort Nr. 2 zur Petition 15/1603).
Angeblich wären die Sicherheitsrisiken unabsehbar.
Verblüfft stellt man fest, dass nur ein paar hundert Kilometer weiter nördlich, nämlich in Niedersachsen, es problemlos möglich ist, den dortigen Verwahrten ein Mediensystem inklusive Telefon, e-mail und Internet im Haftraum zu installieren. Sogar angerufen werden können dort die Verwahrten.
e.) Hinweis zum Schluss
In der PDF- Datei zu dem heutigen Artikel finden sich das offizielle Merkblatt der niedersächsischen JVA Rosdorf, aber auch die Antworten des Landtages, die weiter oben zitiert werden, und Unterlagen zu der Thematik des Arbeitslosengeldes.
Thomas Meyer-Falk
z.Zt. JVA Z. - 3113
Schönbornstr. 32, D-76646 Bruchsal
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